Lüneburg, am Freitag den 19.04.2024

Fahrradfahrer - die besseren Menschen ?!

von Sonja Jamme am 15.08.2017


Von den vielen Dingen in Stadt und Landkreis, die tagtäglich meine Geduld auf die Probe stellen, hat sich in den letzten Jahren die Fraktion der Fahrradfahrer unangefochten den absoluten Spitzenplatz erkämpft, nein erradelt.
Ok, ich steh dazu. Ich bin Autofahrer. Mit Leib und Seele und zwar richtig gerne. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich die Tochter eines Ingenieurs bin, der fröhlich über den gesamten Erdball Fabriken eines nicht ganz kleinen niedersächsischen Automobilkonzerns hochgezogen hat. Ich bin also quasi in den Fertigungshallen groß geworden und als Baby hing der blaue VW-Mond beruhigend über meiner Wiege. Sie werden also verstehen, dass für mich die Erfindung des Automobils nur noch von der des Antibiotikums und der Betäubung beim Zahnarzt getoppt wird. Immerhin ist mein heiß geliebter Golf kein Diesel. Aber selbst das zählt hier im beschaulichen Lüneburg nicht als strafmildernd. Autofahrer sind einfach schlechte Menschen! Das zeigen mir die Radfahrer jeden Tag aufs Neue.

Im Bewusstsein des ökologisch korrekten Fortbewegungsmittels strahlt ihr grüner Heiligenschein weit nach allen Seiten. Und zwar so weit, dass natürlich nur die Mitte der Fahrbahn gerade richtig zum Befahren ist. Breitbeinig auf ihren super Rädern kriegen wir ihre ganze Macht zu spüren, in dem sie die Autofahrer kilometerlang hinter sich aufstauen lassen und ihnen ein Vorbeikommen unmöglich machen. Ein gewissermaßen pädagogischer Ansatz, der uns zum Umdenken und vor allem Umsatteln zwingen soll. Ganz ehrlich, ich bin von zu Hause ausgezogen und hab mich heute morgen auch ganz alleine angezogen. Ich muss und will mich nicht mehr erziehen lassen! Schon gar nicht bei der Wahl des Fortbewegungsmittels!
Das Gutmenschen-Tun aufgrund des ökologischen Nutzens ihres Drahtesels befreit die Radler natürlich von jeglicher Kritik. Vielleicht können Sie mir helfen, aber ich suche schon ewig in der Straßenverkehrsordnung die Ausnahmeregelung für Lüneburger Fahrradfahrer. Denn Schilder wie „Fahrradfahren verboten“ oder „Vorfahrt achten“ gelten hier nicht. Neulich bin ich von der Erbstorfer-Landstraße zum Löwe-Center gegangen. Da gibt es einen kleinen Durchgangsweg für Fußgänger (ein eindeutiges Symbol ist dort sogar auf den Boden gemalt). Beim Betreten dieses Weges wurde ich von wütendem Fahrradklingeln gescheucht und konnte mich nur noch mit einem beherzten Sprung ins Grüne - oder auf den Hunde-Abkack-Streifen, wie ich es formuliere - retten. Unflätige Pöbeleien des Radfahrers begleiteten diese Aktion. Ich war so perplex, dass mir die Worte fehlten. Und das will was heißen.

Sollten Sie auf der Suche nach ähnlichen Erfahrungen sein, kann ich Ihnen die Bäckerstrasse empfehlen. Am besten Samstags und mit einem präpubertierenden Kind an der Hand, das den Stadtbesuch sowieso schon zu einer reinen Freude werden lässt. Innerhalb von 10 Minuten wird Ihnen in die Hacken oder besser noch ihrem Kind (schon alles vorgekommen) über die Füße gefahren werden. Fahrradfahrer pöbelt, Kind heult, frohes Wochenende!
Beliebt ist auch die selbstinterpretierte Vorfahrtsregelung in Höhe der Post. Kreuz und quer düsen hier die Räder vor der Nase rum, nicht die Blässe eines Gedankens an andere Verkehrsteilnehmer wird verschwendet. Klar, ich habe ja auch die Kristallkugel im Auto und kann schon vorher erkennen, ob das Radel quergeschossen kommt und dass die rote Ampel auf der Kreuzung nicht für Fahrradfahrer gilt.

Liebe Fahrradfahrer, ihr könnt meinem Fahrlehrer einen großen Dank aussprechen. Mit seinem Hinweis, dass Steuerzahler nicht überfahren werden dürfen, hat er euch allen einen großen Dienst erwiesen. Und ja, ihr habt recht, ihr seid ökologisch die besseren Menschen, aber so schlecht sind wir auch nicht! Denkt an Gandhi, euer Ziel nicht mit Gewalt durchsetzen. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss meine Kristallkugel putzen, meine Tochter muss nämlich zum Reiten gefahren werden. Und wer weiß, vielleicht schwing ich mich doch auch noch in den Fahrradsattel.
Gruß Eure Sonja Jamme



Kommentare Kommentare

Kommentar von Peer Clausen
am 08.08.2017 um 22:05:36 Uhr
Was für eine einseitige Darstellung... Aber egal, würden sich alle an die StVo halten, gäbe es die Probleme nicht. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmer.
Kommentar von Hauke Beck
am 09.08.2017 um 17:38:43 Uhr
Da konnte mal jemand seinen Frust rauslassen. Glückwunsch. Kommt dann als nächstes der Artikel zu den Autofahrer? Die gleichen Bilder wie oben sehe ich jeden Tag auch von Autofahrern. Falsch die Einbahnstraße hochfahren, über rote Ampeln fahren, in Straßen fahren in denen sie nichts zu suchen haben, Leute beim Überqueren einer grünen Ampel fast überfahren weil wieso sollte man auch auf die Straße gucken. Und wie reagiert der gemeine Autofahrer wenn man ihn drauf anspricht? Er pöbelt rum. Was hat der Artikel nun bewirkt? Nichts. Eventuell geht es ihnen jetzt ja besser weil sie sich ihren Frust von der Seele schreiben konnten. : - )
Kommentar von Henning Storch
am 10.08.2017 um 13:49:02 Uhr
@Peer Clausen: würden sich alle an alle Regeln halten wären alle perfekt, aber eine perfekte Welt gibt es nicht, darum wird über die Verletzung von Regeln geschrieben und diskutiert und geurteilt.
@Hauke Beck: Ich kann nicht erkennen, dass Frust rausgelassen wurde. Im Übrigen rechtfertigt das Fehlverhalten der Autofahrer nicht das der Radfahrer.

Mich ärgert besonders, wenn Fahrradfahrer meinen, dass der Zebrastreifen Ihnen die gleichen Rechte einräumt wie dem Fußgänger. Auch der Fahrradfahrer hat abzusteigen wenn keine entsprechende Sonderregelung ausgewiesen ist. Die Anzahl von Beinaheunfällen kann ich schon nicht mehr zählen. Und wenn man die "Verkehrssünder" darauf hinweist, erntet man zum Dank, dass man ihnen soeben durch schnelle Reaktion und Übersicht womöglich das Leben gerettet hat, Beschimpfungen und Tritte gegen das Auto (alles tatsächlich passiert).
Sehr besorgniserregend ist, dass Eltern ihren Kindern oft vorleben, wie falsches Verhalten im Straßenverkehr praktiziert wird. Wenn es dann doch zu einem Unfall kommt, hat erstmal der Autofahrer schuld, weil er der stärkere Verkehrsteilnehmer ist und deswegen doppelt soviel aufpassen muss.
Und da beginnt das Dilemma: so blöd wie andere sich verhalten kann man als vorausschauender Autofahrer oft nicht denken.


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