Lüneburg, am Samstag den 27.04.2024

Abschied vom freundlichen Staatsanwalt

von Carlo Eggeling am 28.02.2024


Wenn er abends ab und an mit einem Freund bei einer Fassbrause im "September" saß, wusste kaum jemand, wer Gerhard Berger war. Freundlich, zurückhaltend und dabei voller Humor. Wenn man dann mit ihm über einen Kriminalfall oder die Justiz sprach, erklärte er verständlich die Rechtslage aus Sicht eines Staatsanwalts, sagte etwas zu den Grenzen des Rechtsstaates. Nie überheblich, immer offen. Auf Augenhöhe. Ein sehr sympathischer Mann. Gerd Berger leitete die Staatsanwaltschaft Lüneburg. Am Wochenende ist er im Alter von 65 Jahren gestorben, wenige Wochen vor seiner Pensionierung.
Der Leitende Oberstaatsanwalt war 2005 als Chef nach Lüneburg gekommen, nach Stationen als Richter, im Justizministerium und bei der Generalstaatsanwaltschaft in Celle. In einer Mitteilung der Generalsstaatsanwaltschaft wird er so beschrieben: "Die letzten 19 Jahre hat Gerhard Berger die Staatsanwaltschaft Lüneburg mit viel Engagement, Kompetenz und Fingerspitzengefühl geführt und geprägt."
In seine Zeit fiel vor sieben, acht Jahren unter anderem die Entscheidung, in den Fällen der sogenannten Göhrde-Morde und Birgit Meiers aus Brietlingen-Moorburg, wieder zu ermitteln. Fünf Menschen starben im Sommer 1989. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es sich um denselben Täter handelt: Kurt Werner Wichmann, der sich 1993 das Leben nahm. Gemeinsam mit dem damaligen Polizeipräsidenten Robert Kruse gab er grünes Licht für neue Ermittlungen.

Polizei und Staatsanwaltschaft hatten in den zurückliegenden Jahren nicht immer glücklich agiert, so galten die Taten lange als ungeklärt. In Interviews gab Berger, der den Kopf für die Versäumnisse aus der Vergangenheit hinhielt, nicht immer eine gute Figur ab. Aber er stand sie durch. Und klar war im privaten Gespräch, dass er manche Entscheidung vor seiner Zeit für nicht unbedingt glücklich hielt.

Berger war ein großer, breiter Mann, der in den letzten Jahren durch seine Parkinson-Krankheit verletzlich wirkte. Doch er nahm er die Erkrankung nicht als Einschränkung für seinen Job wahr. Es blieb ihm wichtig, den Kontakt zu anderen Behörden und der Polizei zu halten. Er unterstützte etwa das Haus des Jugendrechts.

Dort kommen Jugendrichter, Staatsanwalt, Polizisten und Sozialarbeiter zusammen, um zu schauen, wie sie am besten auf die Auffälligkeiten von Jugendlichen achten und reagieren.

Das Politikmagazin Rundblick hat es so beschrieben: "Nicht immer muss es dabei aber um strafrechtlich relevantes Verhalten gehen – und darin liegt schon ein wichtiger Unterschied zum vorherigen Verfahren. Wenn Kinder unter 14 Jahren auffällig werden, wird zum Beispiel noch kein Rechtsweg beschritten. Und wenn beispielsweise Jugendliche häufig nach 22 Uhr oder alkoholisiert aufgegriffen werden, musste bislang nicht zwangsläufig auch das Jugendamt davon erfahren. Im Haus des Jugendrechts kommen nun aber all diese Fälle sofort für alle Beteiligten auf den Tisch. Dadurch können die einzelnen Institutionen „erheblich schneller“ eingreifen, wenn ein Jugendlicher auf die schiefe Bahn zu geraten droht. Es gebe immer wieder Fälle, bei denen Jugendlichen versuchten, „unter dem System durch zu tauchen“. Das werde nun deutlich erschwert. Strafrechtlichen Sanktionen würden beschleunigt, indem beispielsweise die Polizei ihre Liste mit Verhören abkürzt, weil man bereits vorher zu einem Geständnis und einer anderen Lösung gekommen sei. Oder der Jugendrichter bekommt den Hinweis, dass er einen Prozess vorziehen soll, wenn die Beteiligten im Haus des Jugendrechts eine plötzliche Häufung von Fällen bei einem Jugendlichen feststellen."

Berger, dessen Expertise über Lüneburg hinaus geschätzt wurde, lebte in Lüneburg und mit seiner Frau, einer Richterin, in Hannover. Die Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft, Katrin Ballnus, würdigte ihren langjährigen Kollegen: „Mit dem Tod von Gerd Berger verliert die Niedersächsische Justiz einen scharfsinnigen Strafverfolger und einen engagierten Behördenleiter, der sich unermüdlich und mit großer Leidenschaft für die Belange der Strafjustiz eingesetzt hat. Ihm ist es stets gelungen, auch schwierige Themen ruhig, mit sicherem Blick für richtig oder falsch und lebensklugem Witz im Sinne der ihm anvertrauten Beschäftigten zu lösen. Wir trauern um einen liebenswürdigen Kollegen und liebenswerten Menschen, der uns allen sehr fehlen wird. Unser Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seinen Angehörigen."

In der Kneipe September im Wasserviertel bleibt sein Platz nun leer. Da wird er fehlen mit seinen freundlichen kompetenten Worten. Machen Sie es gut, Herr Berger. Carlo Eggeling

© Fotos: Staatsanwaltschaft Lüneburg


Kommentare Kommentare

Kommentar von Thomas Pfaff
am 17.03.2024 um 22:21:44 Uhr
Tja, Gehrhard Berger ging etliche Jahre mit mir zusammen zur Bismarckschule. Gemeinsam war uns der Faible für Uderzos und Goscinnys "Asterix und Obelix". Wir konnten die Hefte praktisch auswendig zitieren. Es gibt noch vieles mehr, an das man sich erinnern kann aber gerade diese Comics sind mir im Gedächtnis geblieben. Einige Jahre nach der Schule trafen wir uns einmal zufällig in der Statthalle zu einer Veranstaltung. Als ich ihn fragte was er so treibe, sagte er, er habe Juras studiert. Offenbar hatte er sofort die "Fragezeichen" über meinem Kopf bemerkt und sagte als Begründung, er sei für "Naturwissenschaften zu blöd..". Soviel zu seinem unfassbar trockenem Humor und seiner Selbstironie.
Ich werde ihn in guter Erinnerung behalten. Gute Reise, "Obelix" !


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