Lüneburg, am Samstag den 27.04.2024

Meine Woche. Alles was recht ist

von Carlo Eggeling am 26.11.2022


Meine Woche

Alles was recht ist



Ich gebe zu, ich bin oft ein wenig mäkelig. Ich solle doch mal positiv schreiben, sagen mir immer wieder Leute. Klar, die Adventszeit beginnt. Das milde Licht leuchtet, wenn wir es denn anlassen. Alle sparen ja jetzt solidarisch. Nun gut. In dieser Woche erlebte die Justiz zwei Sternstunden. Es leuchtete.



Im Landgericht fabulierte Heike Werding darüber, dass es die Bundesrepublik nicht gäbe, wir lebten unter der Herrschaft von Firmen. Ihre Ordnung der "Geeinten deutschen Völker und Stämme" samt eines Höchsten Gerichts sei der Gegenwurf. Frau Führerin weiß, ihrer Meinung nach, wo's langgeht und für wen es rausgeht: Muslime, Juden und Freimaurer hätten zwischen Flensburg und Freising nichts zu suchen. Söldner sollten für die neue Ordnung sorgen. Rassistisch, fremdenfeindlich, gewalttätig und rappelblöde. Die gehören alle zu unserem Land, das längst multikulti ist. Klar, es ruckelt hier und da, aber das hat es immer.

Die Staatsschutzkammer unter Vorsitz von Michael Herrmann verurteilte die 61-Jährige unter anderem wegen Volksverhetzung, dreieinhalb Jahre Haft. Nun wäre der logische Schluss, dass Frau Werding in den Knast geht -- oder bleibt, da sitzt sie schon --, als Kämpferin für ihre Welt. Opfer eines angeblichen Unrechtssystems. Doch nein, sie legt Revision ein. Eine höhere Instanz überprüft das Urteil formal. Ihr gutes Recht. Aber eben letztlich der Beweis, dass sie offensichtlich an die bundesrepublikanische Justiz glaubt und daran, dass diese gutes Recht spricht.

Die zweite Entscheidung betrifft eine andere Gruppierung, die sich ebenfalls in einem eigenen Koordinatensystem wähnt: die Letzte Generation. Henning Jeschke fand im vorvergangenen Sommer, dass er das Zentralgebäude der Uni mit Farbe bekippen könne, um die Zusammenarbeit der Leuphana mit der Norddeutschen Landesbank anzuprangern. Die NordLB stecke Geld in Unternehmungen von Rüstung und fossiler Energie. Das gehe mal gar nicht: "Die Wälder verrecken. Der Boden stirbt. Das Wasser wird knapp. Wenn wir jetzt keinen Widerstand leisten, gehen wir drauf."

Das ist pessimistisch. Weil es verneint, dass Menschen schon immer mit Herausforderungen klarkommen mussten. Das Ozonloch bedrohte das Leben auf dem Globus. Da fühlten sich auf dem Raumschiff Erde viele wie die Crew der Letzten Tage. Das Loch schrumpft angesichts anderer Technik.

Aus seiner Angst leitet der verzweifelte Herr Jeschke einen im Strafgesetzbuch verankerten Notstand ab nach der Devise: "Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht." Das Amtsgericht hatte ihn daraufhin wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen und einem Schaden von reichlich 10 000 Euro verurteilt -- 100 Tagessätze Geldstrafe. Dagegen legte der Klima-Streiter Revision ein. Sein gutes Recht.

Das Oberlandesgericht zeigte ihm auf, dass gutes Recht für alle gilt, in einer Erklärung des OLG heißt es zur Entscheidung des Senats: "Es handele sich um eine Symboltat, die keinen unmittelbaren Einfluss auf den Klimawandel habe. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, dass die Gefahr eines Klimawandels nicht anders als durch die Begehung von Straftaten abgewendet werden könnte." Es gebe verschiedene Möglichkeiten, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen, Straftaten gehörten nicht dazu: "Würde die Rechtsordnung einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruhte, liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus."

Genau. So wie für Heike Werding aus der rechtsextremen Ecke das Recht gilt, gilt es eben auch für die angeblichen Klima-Festklebe-Streiter. Mal davon abgesehen, dass es der Sensibilität der Taliban gleichkommt, die in Afghanistan Buddha-Statuen sprengten, Bilder mit Kartoffelbrei zu beschmieren.

Gleiches Recht für alle. Selbstverständlich in Deutschland, anders als in vielen anderen Staaten. Ein Geschenk, ein langer politischer Kampf, eine Verpflichtung. Darauf können wir uns verlassen, das ist unser gutes Recht.

Verlassen können wir uns auch auf den Witz und das Engagement von Lüneburgern. Die Aktion Gelbe Leitern hat mehr als 100 Kaufleute und Wirte motiviert, gemeinsam für den Handel und die Stadt aktiv zu sein. Reaktionen weit über die Stadtgrenzen hinaus. In Einbeck schaffte es die Idee sogar auf die Titelseite der Lokalzeitung: Vorbild Lüneburg. Rabatte und Service ziehen Kunden und zeigen ihnen wie wichtig eine funktionierende Innenstadt bleibt.

Gelbe Leitern schafften es immerhin in die Tannenbäume neben dem Rathaus als Symbol für Engagement. Natürlich tritt wieder die Truppe der Besorgten auf, die Traditionen gefährdet sehen. Grässlich, die Leitern in Adventsschmuck. Meine Güte, wie provinziell. Und wieder beweist jemand, der sich bei der Eröffnung des Weihnachtsmarktes mit dem Projekt schmückte, dass Gegenwind Entscheidungen zur Seite pustet, die Leitern müssen wieder verschwinden. Langweilig.

Die Eröffnung war überhaupt interessant. Heiko Meyer, Vorsitzender der Handelsvereinigung LCM, versuchte, den Erfolg in seine Reihen zu ziehen: Leiter-Initiator Ralf Elfers sei LCM-Mitglied. Doch die Leiter-Aktion liefen eben ohne LCM und ohne die Marketinggesellschaft LMG, die eigentlich für solche Projekte sorgen sollte. Die Leiter-Streiter nehmen es gelassen und freuen sich, dass auch andere alles schön finden.

Ebenfalls besonders: Der Schaustellerverband stand nicht als Gastgeber auf der Einladung, dort waren Stadt, LCM und LMG vertreten. Stand seit einer Ewigkeit Benno Fabricius für das ambulante Gewerbe ebenfalls bei der Eröffnung der Weihnachtsmärkte auf der Bühne, fehlte er dieses Mal.

Es soll gerappelt haben, weil die Schausteller nichts zur Glühweinseligkeit dazugegeben hätten, heißt es hinter den Kulissen. Die wiederum finden, dass sie eine Menge in den Budenzauber stecken, Zehntausende fürs Drumherum: Die Märchenmeile, Weihnachtspyramide und die besonderen Motivbecher würde es ohne sie nicht geben.

Steckt mehr dahinter? Möchte man die als so mächtig empfundene Zunft, die zu den Gesellschaftern der Marketinggesellschaft zählt, ein wenig anzählen? Alles Spekulation. Es soll heute positiv bleiben. Also nehmen wir es heiter mit der Weisheit des Schauspielers Werner Finck: "An dem Punkt, wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor." Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook