Lüneburg, am Sonntag den 28.04.2024

Reden, Tun, Böll-Haus

von Carlo Eggeling am 09.12.2023


Meine Woche
Böll als Verpflichtung

Es ist ein bisschen wie in Berlin, da will die Regierung nicht wahrhaben, dass sie beim Haushalt Murks fabriziert hat, zack bumm sagt ihr das Verfassungsgericht: "Eure Tricks verstoßen gegen das Gesetz." Ein paar Nummern kleiner erlebt es Lüneburg. Das Landgericht hat am Freitag dem Eigentümer des Böll-Hauses an der Katzenstraße Recht gegeben, er kann das Haus räumen lassen. Aus Sicht des Gerichts haben die Mieter ihren Teil des Vertrages offenbar nicht erfüllt, also nach mehr als 30 Jahren das Ende. Völlig überraschend, dass ein Gericht nach Grundsätzen des Rechts und nicht nach hehren Absichten urteilt.

Schon der Namen des Trägervereins „Unsere Welt – für Frieden, Umwelt, Gerechtigkeit“ bekennt, uns geht es um ein besseres Zusammenleben. Dafür setzen sich zwanzig Vereine und Initiativen ein, von Terre des Hommes bis zur Umweltschutzorganisation BUND. Im Café Anna und Arthur trifft sich Lüneburg ganz links. Gut, dass es so ein buntes Zentrum gibt. Gut auch, dass der Vermieter es so lange bei einer dem Vernehmen nach relativ günstigen Miete hat leben lassen.

Allerdings muss man sagen, das Haus ist runtergekommen, Brandschutz ist gelinde gesagt nicht auf dem Stand, den man anderswo voraussetzt, ob das angeblich nicht-kommerzielle und als Kollektiv organisierte Café auch für die erschwinglich ist, die wenig haben, muss jeder für sich beantworten. Nicht nur das Image auch die Preise erinnern eher ans hippe Berlin.

Dass ein Aus drohen kann, ist seit langem klar. Man fragt sich, wo sind die Ratsfraktionen geblieben, die im Februar große Solidarität verkündeten? Davon gibt es ein warmherziges Bild: SPD, Grüne, Linke, die Partei und Oberbürgermeisterin zeigten sich solidarisch. Hand in Hand. Hinter den Kulissen soll es Gespräche gegeben haben. Augenscheinlich mit wenig Erfolg.

Ich wollte die Oberbürgermeisterin dazu befragen, die Pressestelle des Rathauses war am Freitagnachmittag nicht zu erreichen. Daher ein Zitat von Claudia Kalisch aus der LZ, das Blatt weiß -- woher auch immer --, dass das Thema die oberste Vertreterin der Bürger "umtreibt": „Eine Einrichtung wie das Heinrich-Böll-Haus ist als Ort für Begegnung, Ehrenamt und Initiativen wichtig für Lüneburg. Daher hoffe ich, dass die Beteiligten schnell ein Zuhause finden.“

Sie hofft. Na dann. Das hilft nicht, um Zukunft zu schaffen. Wie wäre es, sie machte ihr Projekt daraus und sammelt die Parteien hinter sich? Die Frage liegt nahe, warum bietet die Stadt nicht eine ausreichende Summe, um das Haus zu kaufen und ein kommunales Zentrum daraus zu machen? Wer jetzt mit dem Minus des städtischen Haushalts 2024 von rund 50 Millionen Euro argumentiert, sollte auf den Bahnhof gucken.

Die Mobilitätszentrale von Stadt und Kreis, ein Denkmal der Immobilität, verursacht internen Vorlagen zufolge Kosten "von rund 87 100 Euro jährlich zuzüglich Nebenkosten von jährlich 30 600 Euro". Dazu kommen Bauunterhaltung, Reinigung und Energie, die kalkuliert die Verwaltung per anno mit 64 000 Euro. Um es klarzustellen: Eine Anfrage zu Finanzen wollte die Stadt nicht beantworten. Der Mietvertrag begann Anfang des Jahres. Bislang war zu hören, dass sich die Eröffnung aus verschiedenen Gründen immer weiter verschiebt. Geld scheint reichlich da zu sein.

Zurück zum Böll-Haus. Hinter den Kulissen munkelt man, dass eine große soziale Organisation den Komplex kaufen könnte. Alles Gerüchte. Ob die Antifa im Anna und Arthur bleiben könnte? Ganz links und seriös, Himmel, da könnte es gewisse Probleme der Akzeptanz geben.

Was passiert denn nun? Eva Kern vom Vorstand des Trägervereins sagt, die Gruppen wollen diskutieren und nach einer Lösung suchen. Möglich, dass man in die nächste Instanz ziehe. Wenn das denn juristisch geht. Ob die Antifa sang- und klanglos die Segel streicht? Passt das zum Selbstverständnis? Auf der Hude, so heißt es unter der Hand, schließt man eine Besetzung samt Räumung nicht aus -- das wäre dann -- im Fall der Fälle -- ein Fall für die Polizei.

Die viel beschworene Einheit im Rat, die beim Erhalt des Theaters zumindest nach außen hin vertreten wird, wäre hier gefragt. Dafür bräuchte es Führung. Dafür muss man sein Amt politisch begreifen. Zu Lüneburg gehört das Bunte, Unangepasste und ein bisschen Missionarische. Heinrich Böll sollte gerade für die Grünen Verpflichtung sein, sie haben ihre parteinahe Stiftung nach dem Literatur-Nobelpreisträger benannt.

Gegenüber zeigt Corinna Krome mit dem Mosaique und dem Utopia, dass aus guten Ideen etwas richtig Gutes werden kann. Konkret, wichtig, belebend. Zugewanderte und Eingesessene treffen sich, Gespräche, Kennenlernen, Freundschaften. Da wächst ein Stück zukünftiges Lüneburg. Dazu gehört seit 1990 das Böll-Haus. Böll, der ein wenig vergessene Autor, sagte einen Satz, der eine Verpflichtung ist: „Freiheit wird nicht geschenkt, immer nur gewonnen.“ Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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