Lüneburg, am Samstag den 03.05.2025

Abschieben nach Thüringen

von Carlo Eggeling am 15.06.2024


Meine Woche
Märchenhaft

Über Monate lieferte Amelinghausen eine wunderbare Komödie: Da wurde die angegammelte Schutzhütte am Kronsberg abgerissen, die Landjugend baute unter großem Beifall binnen drei Tagen eine neue -- und sorgte für eine Umweltkatastrophe. Denn das neue Häuschen ist größer, steht samt Bänken ein paar Meter vom alten Standort entfernt und besitzt ein Fundament. Nun könnten zwei Biotop-Typen berührt sein: "Sandiger Offenbodenbereich" und "Trockene Sandheide". Keine Ahnung, was der Unterschied ist, aber es klingt ziemlich wichtig.

Thomas Mitschke ist ein engagierter und kundiger Naturschützer, der sogar mit Wölfen kuschelt. Der hatte Anzeige erstattet: schlimmer Verstoß gegen den Naturschutz, zudem sei der "Nutzungsdruck vor Ort, den man nachfolgend generiert" nicht hinnehmbar. In Amelinghausen erzählen sie, wenn am Kronsberg gefeiert wird, presst der Nutzungsdruck diese Fläche gewaltig: als Parkplatz.

Der Landkreis sagte: Muss weg. Die Gemeinde hielt gegen: Man habe ohne Baugenehmigung bauen dürfen. Jetzt haben Landrat Jens Böther und Samtgemeindebürgermeister Christoph Palesch das Thema abgeräumt. Die Hütte kann bleiben, bis sie verwittert ist, das Biotop-Juwel sichert ein 30 Zentimeter hoher Zaun. Lebensnah liegt auf der Hand, das Heide-Schlösschen dürfte in diesem Jahrhundert kaum verwittern, morsche Bretter werden -- im Zweifel im Schutze der Nacht -- ausgetauscht und der Zaun, meine Güte.

Was unsere Außenministerin nicht so gut kann, Diplomatie, haben die beiden Verwaltungschefs bewiesen. Eine gesichtwahrende Lösung für beide Seiten. Beide haben ein bisschen gewonnen. CDU-Mann Böther stellt sich -- anders als andere -- ohne riesigen Auftritt zu seinen Mitarbeitern, Sozialdemokrat Palesch hat bewiesen, dass er tricky kann und für seine Bürger (und Wähler) kämpft. Das bleibt. Was sie zudem geschafft haben, das Thema ist vor der nächsten Landratswahl abgeräumt, kein Zwist mehr. Ich bin mir sicher, die beiden klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und trinken ein Bier zusammen. Glückwunsch.

Lustig können sie in Hannover. Während sich Grüne und SPD in Lüneburg so sympathisch finden wie Stacheldraht, vereinbaren sie sich auf Landesebene, von 2026 an die Amtszeiten für Landräte und Bürgermeister auf acht Jahre auszudehnen. Dann fände man eher Frauen und Männer, die den Job machen wollen. Die Kehrseite liegt darin, dass Bürger nicht nur fünf Jahren warten müssen, bis sie einen Verwaltungschef oder eine Chefin ablösen können, die nicht so leuchten. Es ist einfacher, einen Trümmerhaufen nach fünf als nach acht Jahren aufzuräumen.

Eine echte Reform sähe anders aus: Jetzt nehmen Politikerinnen auf dem Sitz der Verwaltungsspitze Platz, ohne dass sie Verwaltung gelernt haben. Das merken die Bürger ganz praktisch. Ein Rückschritt wäre sinnvoll gewesen. Bis 1996 agierten Oberstadtdirektoren/innen neben politischen Bürgermeistern. Die Vorgaben machte die Politik. Hatte Vorteile.

Noch etwas für Humoristen. Stolz verkünden unsere Landtagsabgeordneten, dass das Bauen einfacher wird, weil die Vorschriften gelockert werden. Lärmschutz zum Beispiel ist nicht mehr so wichtig. Das ist gut, weil man mehr am Leben seiner Nachbarn teilnimmt.

Auch dass die Stellplatzpflicht für Autos wegfällt, ist klimaschonend gedacht. Gerade in Städten, die landauf landab öffentliche Parkplätze streichen und jetzt durch ein neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts noch mehr durchgreifen dürften: Das Verbot des Gehwegparkens schütze "nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch Anwohner, die in der Nutzung des an ihr Grundstück grenzenden Gehwegs erheblich beeinträchtigt werden". Anwohner können nun von der Kommune verlangen, dass sie eher abschleppt. Gut für Kinderwagen-Schieber und Lastenradpilotinnen, aber doof, wenn es um die Familienkutsche vor der Tür geht. Ich könnte mir vorstellen, dass wir mit solch durchdachten Vorgaben viel Freude für die Zukunft schaffen. Gerade für Juristen.

Parteiübergreifend möchte man gern abschieben. Auch nach Afghanistan. Aktuell den Polizistenmörder von Mannheim, der sein halbes Leben in Deutschland lebt. Unter Taliban-Kollegen dürfte er bestimmt belohnt werden, ich glaube, die finden das in ihrem Irrsinn ganz ok, wenn ein Ungläubiger getötet wird. Hier könnte der Mann im Zweifel nach einem Urteil und unter Berücksichtigung der Schwere der Schuld lebenslang hinter Gittern sitzen. Was angemessen wäre.

Abschieben. Ich finde man muss kreativ damit umgehen und es auf Deutschland beziehen. Wie wär's, Neonazi-Mörder und -Kriminelle nach Sachsen und Thüringen abzuschieben, etwa in den Kreis Hildburghausen, in dem der bekennende Rechtsextremist Tommy Frenck beinahe Landrat geworden wäre. Ich glaube, Frenck würde es die Delinquenten in seiner Kneipe wie in Afghanistan mit einer Feier begrüßen.

Bleiben wir heiter. Europa kommt wegen des Fußballs zu uns. Wäre schön, wenn wir ein Sommermärchen wie 2006 erleben. Weltoffen und freundlich. Das kann Deutschland auch. Jeder von uns. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Irene Lange
am 19.06.2024 um 10:23:44 Uhr
Hallo Carlo, mit großem Vergnügen lese ich deine Kommentare zu den denkwürdigen Gegebenheiten in unserer "Bullerbü"-Stadt (die eigentlich längst keine mehr ist).
Einen schönen Tag und herzliche Grüße
Irene Lange
Redaktion QUADRAT Magazin


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