Lüneburg, am Samstag den 02.08.2025

Abschied von einem unbekannten Bekannten

von Carlo Eggeling am 29.12.2024


Am Anfang habe ich gelächelt, dann hat mich seine Hartnäckigkeit beeindruckt: bei Facebook gegen rechte und menschenverachtende Parolen Position zu beziehen, sich dafür beschimpfen zu lassen und zu wissen, es wird wieder und wieder Kübel voll Übel geben -- das muss man durchhalten. LaPoe hat lange durchgehalten. Jetzt ist Lars Pöppel gestorben, zwei Tage vor seinem 53. Geburtstag.

Er litt an einer unheilbaren Krankheit. Ich wusste erst nicht, wer LaPoe ist, der meine Beiträge kommentierte, meistens freundlich, aber auch kritisch. Wir haben telefoniert, denn der Künstlername war keine Scheinkulisse ohne Substanz, die in den unsozialen Medien so gern großsprecherisch gepflegt wird. Inhaltliche Kritik ist etwas Schönes, da denkt man erneut nach, prüft Argumente, bekommt Hinweise, Anregungen.

Lars konnte austeilen, auch polemisch. Aber das kennen die im anderen Lager ja, doch sie sind so gern beleidigt. Besonders liebte er es, einem Kanal zu widersprechen, der meint und betont, ganz unjournalistisch zu agieren, und dabei einer mehr als freundlichen Sicht von AfD-Protagonisten ein Sprachrohr zu verleiht.

Der mittelalterliche Schandpfahl hat vom Marktplatz einen Weg ins Netz gefunden. Natürlich war LaPoe klar, dass er die Dumpfheit nicht in die Zeit der Aufklärung tragen würde. Gegenhalten war zumindest ein Versuch. Es war beeindruckend. Manchmal verzweifelt, aber immerhin klar und deutlich. Wie gut, dass er nicht alleine war und ein paar nicht müde werden und sich weiterhin zu dem bekennen, was unsere Gesellschaft ausmacht.

Vor ein paar Wochen haben wir uns getroffen. Lars war sehr interessiert am Tod Birgit Meiers, an den Göhrde-Morden von 1989 und dem mutmaßlichen verstorbenen Täter Kurt-Werner W. Es gibt Hinweise, dass W. bundesweit getötet haben könnte. Ich arbeite in einem journalistischen Rechercheteam mit, dass dem nachgeht. Es gab Pasta und Pizza in Häcklingen. Lars' Frau Sybille und ein Kollege von der Uni waren dabei. Viele Fragen, viele Antworten. Sehr lustig. Wir alle haben gewusst, dass Lars nicht mehr lange lebt. Das haben wir zur Seite geschoben.

Es war zumindest für mich ein guter Abschied. Ja, er hat gelitten, er hat geklagt, aber hat er sein Los angenommen. Ging mir sehr durch, als ich danach nach Hause geradelt bin.

Er sagte bei allen Schmerzen und Veränderungen bewusst Tschüss. Er hat noch einmal Lieblingsorte besucht, sich und seiner Familie Kunst und Kultur gegönnt, bei Facebook Lieder seines Lebens hochgeladen. Darunter Feine Sahne Fischfilet, laut, rotzig, provokant. Was sonst?

Ich habe ihn noch ein paarmal angeschrieben, ein paar Worte hin und her. Kurz bevor die Traueranzeige in der Zeitung stand, ein letztes Mal, da war er bereits zwei Wochen tot. Ich wusste es nicht. So haben wir nicht mehr gesprochen. Das bedaure ich.

Lars war ein kluger Mann. Er hatte Verwaltung gelernt, wechselte 2001 ins Personalreferat der Uni, er übernahm die Teamleitung Personal beim Innovationsinkubator, ein riesiges Wissenschaftsprojekt der Leuphana, später leitete er die Innenrevision. In ihrem Nachruf schreibt die Uni, sie verliere "einen Menschen, der sich durch seine Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Warmherzigkeit auszeichnete. Mit ihm werden wir einen engagierten Kollegen vermissen, der sich unermüdlich eingesetzt hat und bleibende Verdienste um die Universität erworben hat".

Wir haben uns nicht gut gekannt. Doch es war eine Bereicherung Lars Pöppel zu kennen. Alles Gute für Deine Familie. Carlo Eggeling

Lars bittet in der Traueranzeige um Unterstützung für die Ausbildung seiner Tochter Smila. Konto Sybille Pöppel DE95 5001 0517 5429 8376 16

Die Fotos stammen von Lars‘ Seite.

© Fotos: Pöppel


Kommentare Kommentare

Kommentar von Katharina
am 25.01.2025 um 15:17:49 Uhr
Wunderbar geschrieben und trifft den Nagel auf den Kopf oder vielleicht doch mitten ins Herz...


Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook