Lüneburg, am Mittwoch den 14.05.2025

Absturz der Tauben-Freunde

von Carlo Eggeling am 22.11.2023


Es tut gut, der vermeintlich geschundenen Natur helfen zu wollen. Bei Amelinghausen vernichtet der Bau einer neuen Schutzhütte angeblich gut 30 seltene Pflanzenarten, die Vorgängerin, baufällig und abgerissen, hatte die empfindlichen Pflanzen vorher nicht bekümmert. Nicht das einzige Beispiel, mit dem sensible Zeitgenossen einen beeindruckenden Kampf für ihre Natur führen. In Lüneburg geht es um Tauben. Der Verein Stadttauben barmt um deren Wohl: Füttern, Taubenschläge aufstellen, Eier durch Attrappen ersetzen -- der Kreatur als solcher, aber auch der Bürgerschaft werde geholfen. Zumindest gurren die Aktiven das seit Jahren. Das Augsburger Model gilt es als Vorbild solcher Nestwärme.



Ein hehres Ziel, es mag wohl zu begeistern, doch das Leben kommt irgendwie dazwischen. In einer Ratsvorlage der Verwaltung, die neulich nicht diskutiert wurde, ist die Geschichte vom Wunsch einer besseren Tierwelt und -- wenn man so will -- der Fall aus dem Nest nachzulesen.



Wir blättern nach einer Anfrage der CDU zum Thema mal zwischen Aktendeckeln. Als sich der Umweltausschuss im September 2015 mit dem Anliegen der Vogelfreunde beschäftigte, hatte die Verwaltung die Zahl der Tauben "auf 600 bis 700 Tiere geschätzt". Auf dem Amt zeigten sich die Kollegen hellsichtig: "Verwaltungsseitig wurde derzeit dazu ausgeführt, dass die Anzahl der Stadttauben durch das seit Jahren bestehende Fütterungsverbot rückläufig sei und aus Sicht der Verwaltung kein Handlungsbedarf für ein Taubenkonzept bestünde." Kurz zusammengefasst: Es gab kein Problem.



Doch wer eine Mission hat -- Propheten, auch falsche, besitzen die Gabe der Rede und lassen andere ums goldene Kalb tanzen. So überzeugten Tauben-Beschützer die Politik von ihrem gelobten Land. Es sollten zwei Schläge aufgestellt werden. Die hatte die Stadt aber noch nicht. Trotzdem wurde "parallel zur Standortsuche durch den Stadttauben Lüneburg e. V. bereits mit gezielter Fütterung von Stadttauben in der Nähe geplanter möglicher Taubenschläge begonnen, was als Ausnahme vom geltenden Fütterungsverbot als sogenannte 'Lockfütterungen' geduldet wurde. Eine Beschränkung der Futtermenge wurde nicht verfügt."



Über Altem Kran, Viskulenhof und Nicolai tirillierten sie vogelig vor Glück im Himmelbett für Tauben -- reichlich zu fressen. Die Taube als Symbol der Liebe ging zum biblischen Part über: "Seid fruchtbar und mehret euch." Das liest so: "Wurde der Bestand am 1. Juni 2019 noch auf ca. 1000 Tiere geschätzt, sind es nach der letzten Schätzung am 8. Februar 2022 bereits 2.300 Tiere". Vielleicht mehr, daneben steht 3300, durchgestrichen. Im Ordnungsamt glauben sie eher daran, dass die Tauben nach der Maxime des Hippie-Slogans "Make love, not war" leben -- noch mehr Tauben. Übrigens wurden schon ein paar Hundert umgesiedelt, hieß es in der Vergangenheit.



Füttern ohne Container war offenbar nicht die beste Idee. Im Wasserviertel erleben Nachbarn, dass Tauben Dächer und Sonnenschirme als riesige Bedürfnisanstalt nutzen, es fällt einiges Unappetitliche aus dem Himmelbett für Tauben.

Es wäre naheliegend, darüber nachzudenken, nicht sackweise Körner für die Flattermänner und -damen zu streuen. Nix zu fressen, Umzug oder eben in den ewigen Taubenhimmel eingehen. Das ist für Taubenschützer ganz gemein und herzlos. Die Vereinsvorsitzende, so schreibt die Verwaltung, "sieht die Kommunen in der Garantenstellung für die Stadttauben, die für sie als Haustiere zu qualifizieren sind. Sie bezieht sich bei dieser Aussage auf ein Gutachten der Berliner Landestierschutzbeauftragten aus dem Jahre 2021. Demzufolge sind die Kommunen auch in der Pflicht, die Stadttauben artengerecht zu füttern, die in den Städten lebenden Tauben als Fundtiere zu betrachten und verpflichtet, ihren Halterpflichten nach §§ 2 ff. Tierschutzgesetz nachzukommen."



Was in Berlin ausgegluckt wurde, muss nicht flugfähig sein. Für die Stadt kontert Susanne Twesten vom Bereich Ordnung: "Derzeit gibt es weder eine gesetzliche noch eine durch Rechtsprechung entwickelte Fütterungsverpflichtung der Kommunen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Stadttauben weiterhin als wildlebende Tiere klassifiziert werden. Diese Rechtsauffassung wurde auch auf Nachfrage durch das Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bestätigt." Man könnte den Futtersack schließen, und beseelte Körnerwerfer im Zweifel an den Flügeln packen.



Damit sind wir beim Geld. Zwei Container hat die Stadt vor ein paar Wochen aufgestellt. Platz für jeweils 180 Tiere. Macht eine Heimstatt für 360 Tiere, bei 2300 und mehr Tieren fehlen also zehn Taubenschläge.



Die beiden Boxen, mithilfe der Feuerwehr hergerichtet, haben 58 255,20 Euro gekostet. Pro weiterem Massen-Nest gehen die Kollegen im Amt von rund 25 000 Euro aus. Das ist nicht alles, denn die Käfige mit offener Tür müssen sauber gehalten werden. Allerdings zeigt sich der Taubenverein angesichts der Masse flügellahm: "Da die Betreuung zusätzlicher Taubenhäuser nicht durch den Verein Stadttauben Lüneburg mit ehrenamtlichen Kräften durchgeführt werden kann, sind nach deren Berechnung (Stand 21.02.2022) für den Betrieb von 3 Taubenschlägen jährlich ca. 67 000 Euro haushälterisch für den Betriebs- und Personalaufwand zu berücksichtigen."



Beschwerden von Anwohnern kennt die Stadt reichlich, das ganze Futter will, gut verdaut, wieder raus, Dreck und Krach. Im Durchschnitt zwölf Kilo pro Tier und Jahr. Nicht jeder wird da zum Stadttauben e.V.-Freund. Damit sind wir wieder am Anfang unserer Geschichte. Vor acht Jahren gab es kein Problem, jetzt haben wir eins. Es wächst augenscheinlich, je mehr sich Freunde der Gefiederten um diese kümmern.



Tierschützer nehmen es hin, dass der Wolf die Göhrde ratzekahl leergefressen hat von Mufflons, das sei natürliche Auslese. Da denken wir an den großen Forscher Charles Darwin, der im 19. Jahrhundert die Entstehung der Arten entschlüsselt hat. Er ging davon, Lebewesen würden sich an ihre Umwelt anpassen. Das geschieht über eine natürliche Auslese. Nur wer richtig reagiert, überlebt. Ein Prozess über Generationen.



Müssen die Tauben mit dem Futter auskommen, was sie selber finden. Dürfte ihre Zahl sinken. Und Taubenschützer müssten keine Eier klauen und so Vogelbabys gar nicht erst zur Welt kommen lassen. Was man ziemlich gemein finden könnte. Aber allein das zu erwähnen ist sicherlich bereits ziemlich gemein. Ach ja, das Vorbild Augsburg hat in diesem Jahr laut Verwaltung das Füttern der Tauben untersagt. Carlo Eggeling

© Fotos: Leser / Gestöber am Tauben-Container


Kommentare Kommentare

Kommentar von Werner Waschke
am 27.11.2023 um 08:35:24 Uhr
Gut geschrieben. Das trifft die Sache auf den Punkt!
Kommentar von Hubi
am 23.02.2024 um 13:32:34 Uhr
Endlich einmal ein realistischer Bericht zu den Tauben in Lüneburg. Die Methode die Tauben massiv zu füttern mit der Folge, dass sie sich dann sehr sehr stark vermehren sollte umgehend beendet werden.


Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook