Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Alle sind so ernst geworden

von Carlo Eggeling am 16.03.2024


Meine Woche Vernagelt Manchmal wird man ans Kreuz genagelt, wenn man nicht aufpasst. Das wollen ein paar in Lüneburg vermeiden, daher schließen sie sich zusammen wie dereinst römische Soldaten in der Schildkröte, Schilde zu allen Seiten. Man kann allerdings sagen, dass interessanterweise auch jene die Glaubensprüfung nicht bestanden haben, die berufsmäßig Bescheid wissen müssten. Warum das alles? Geschichten sind wie der Tag, zur Einstimmung benötigen sie einen Sonnenaufgang. Licht an für eine biblische Erzählung. Am 24. März wollte Lüneburg den verkaufsoffenen Sonntag zelebrieren. Alles gebucht, Mitarbeiter bestellt. Hätte schön werden können. Können. Dass es nix wird, liegt an Jesus Christus. Selbst wer wenig mit dem Herrn zu tun hat, erinnert sich an Ostern, oder? Machen wir die Nagelprobe. Eine Woche vor Ostern, am Palmsonntag, zog Jesus vor gut 2000 Jahren in Jerusalem ein, ein paar Tage später, am Karfreitag, nagelten sie ihn ans Kreuz. Bei Wikipedia steht: "Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche, die in der evangelisch-lutherischen Kirche auch Stille Woche genannt wird. Die Große Woche bzw. Heilige Woche der katholischen und der orthodoxen Tradition umfasst darüber hinaus auch Ostern." Das heißt, da ist nichts mit verkaufsoffen. Man denkt ja, dass so etwas zumindest in Pfarrämtern bekannt sein dürfte. Gestern nun eine Pressemitteilung von Stadt, Marketinggesellschaft und Handel: Diese ideelle Verbindung habe man leider nicht auf dem Zettel gehabt. Kein Sonntag des Mammons und Wuseligkeit. Der Termin sei zuvor von KIRCHEN, Gewerkschaft und allen abgesegnet worden. Doch zeigte ein Blick ins Niedersächsische Feiertagsgesetz: geht nicht. Jeder hat sein Kreuz zu tragen, wie gut, dass mal kein Streit herrscht und sich im Sinne der Nächstenliebe alle unterhaken von Oberbürgermeisterin Kalisch über ihren Stellvertreter und obersten Juristen, Moßmann, Marketingchefin Lansmann und dem nimmermüden Handelsvertreter Meyer: "Fehler passieren. So what." Genau. Alles zwei Wochen später am 7. April. Parallel mit Uelzen. Aber wer fährt schon nach Uelzen? Ach so, Parken soll da kein Problem sein. Na ja. Anderes Thema. Es ist so schrecklich in diesem Land, man kann seine Meinung nicht mehr äußern. Angeblich. An dieser Erzählung stricken gern die, die meinen, Alternativen für Deutschland zu besitzen. Ein Anruf bei der Pressestelle der Stadt, die nach Rückfrage im Ordnungsamt ein paar Zahlen nennt, die zeigen, dass selbst in den schweren Corona-Zeiten oft demonstriert wurde: 2019 waren es 162 Versammlungen, 2020 insgesamt 241, 2021 dann 202, 2022 ging es 218mal auf die Straße, 2023 199mal und in diesem Jahr bis zum 12. März 68mal. Es sei gar nicht alles erfasst, ein paar Aufmärsche von Corona-Skeptikern fehlen, dazu kommen aus dem Dezember 2023 nicht angemeldete Demos von Bauern. Von der Polizei heißt es, man sei ordentlich gefordert, um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten, denn die Frauen und Männer begleiten und schützen selbstverständlich die Rechte auch derer, die offensichtlich wenig von Grundrechten wie freier Meinungsäußerung und Asyl halten. Die Palette sei bunt, sagt ein Sprecher: Fridays for Future, Corona-Zweifler, Bauern und solche, die sich dafür ausgeben, Radler auf der Ostumgehung, Gaza-Aktivisten dazu Stände der AfD. Wer kann hier seine Meinung nicht sagen? Ich habe gerade einen perlenden Dialog der Schriftsteller Martin Suter (Almen läuft mit Heino Ferch oft im Fernsehen) und Benjamin Stuckrad-Barre (Panikherz) gelesen. Die finden: Alle sind so ernst geworden. Die beiden halten gegen. Ein Lieblingssatz: Man müsse trennen zwischen Privatleben und Ehe. Paradox. Ja. So wie die Gründe, verkaufsoffene Sonntage zu verschieben oder von einer angeblichen Diktatur zu faseln. Hoffentlich entdecken wir wieder mehr die Leichtigkeit und Heiterkeit. Und damit Toleranz. Angenehmen Sonntag. Ohne Einkauf. Geht. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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