Anwohner klagen gegen die Stadt — Verwaltungsgericht soll entscheiden
von Carlo Eggeling am 26.09.2025Hat der Komplex "erdrückende Wirkung" und bringt die Nachbarn in eine Lage, sich wie in einem "Gefängnishof" zu fühlen? Ein Paar vom Schanzenweg und ihr Anwalt meinen, ja. Die Stadt und ein Frankfurter Investor sind anderer Meinung. Mit dieser Frage des Baurechts beschäftigt sich das Verwaltungsgericht Lüneburg, am Freitagmorgen wurde der Einspruch gegen einen Bauvorbescheid der Stadt verhandelt.
Je nach Auslegung soll der Komplex mit mehr als 100 Wohnungen neben dem Grundstück der Kläger über eine Länge von 40 Metern bis zu 16 Meter in die Höhe ragen, jetzt haben sie mehr oder weniger freie Sicht. Die Richterin legte im übertragenen Sinne das Zentimetermaß an: 12,80 Meter Höhe sehe der Bescheid der Stadt vor, da das Baugrundstück allerdings abfallend sei, könnte man noch eineinhalb Meter obendrauf packen, käme also auf mehr als 14 Meter: "Das muss man optisch dazurechnen." Der Abstand zum Garten des Paares beträgt ein paar Meter.
Das Bauvorhaben in Höhe des Michaelisfriedhofs ist längst ein Politikum. Anwohner fühlen sich von der Stadt schlecht informiert und eingebunden. Das Vorhaben war 2023 Thema im nicht öffentlichen Teil des Bauausschusses, es gab eine Anwohnerversammlung mit dem Investor, da sei von 40 Wohnungen die Rede gewesen, Ende 2023 berichtete die LZ. Das sei es an Öffentlichkeit gewesen, zu wenig, monieren Anwohner.
All das spielt bei dem Verfahren um den Bauvorbescheid inhaltlich keine Rolle. Rücksichtnahme sei entscheidend, erklärt die Richterin die Rechtslage. Sei die ausreichend geprüft worden? Stichwort "erdrückende Wirkung". Die liege nicht vor, alles bewege sich im zumutbaren Rahmen, meinen die Vertreter der Stadt und die Anwältin des Investors als Beigeladene.
Der Anwalt der Kläger argumentiert anders: Die Stadt hätte prüfen müssen, ob das Projekt, das sich über mehrere Grundstücke zwischen Vor dem Neuen Tore, Lauensteinstraße und Schanzenweg verwinkeln soll, ins Viertel passe, das von Einfamilien, Doppel- und Reihenhäusern geprägt ist. Auch mögliche Schäden durch das Bauen und eine Tiefgarage hätten bedacht werden müssen. Der Ochtmisser Kirchsteig liegt einen Steinwurf entfernt, dort stehen Häuser auf der Kippe -- Senkungsgebiet.
Ob die Senkungen und die befürchteten Gefahren überhaupt Thema im Verfahren sind, ist eine Frage der Auffassung. Der Vertreter der Stadt sagt, bei einer Bauvoranfrage gehe es darum zu klären, ob Bauen überhaupt möglich sei. Wenn die Verwaltung dies verneine, könne sich ein Bauherr Gutachten und Kosten sparen. Und Bauen sei dort unter Auflagen möglich. Es komme auf die "Ausführung" an.
Ein Urteil fällte die Richterin nicht, sie werde binnen der nächsten zwei Wochen eine Entscheidung treffen. Egal, wie die ausfällt, die Kontrahenten sehen sich wieder. Denn die Stadt hat inzwischen eine Baugenehmigung erteilt, gegen die haben Nachbarn erneut Widerspruch eingelegt.
Das Thema Schanzenweg beschäftigt am Montag den Bauausschuss, die Stadt will dort Stellung nehmen, die SPD hat ein Moratorium gefordert, also einen Stopp des Verfahrens, um offene Fragen zu klären. Die Sitzung beginnt um 15 Uhr im Kulturforum Wienebüttel. Carlo Eggeling
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