Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Auch nach der Spätschicht muss ein Bus fahren

von Carlo Eggeling am 07.03.2024


Es geht um Tausende von Arbeitsplätzen im Autoland Niedersachsen. Neben den Werken von VW spielen ebenso viele Jobs in der Zuliefererbranche eine Rolle. "Wir stehen in einem monströsen Transformationsprozess", sagt Lennard Aldag. Der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Lüneburg fordert von Wirtschaft und Politik das stärker in den Blick zu nehmen. Und zwar aus zwei Blickwinkeln: Die hiesigen Parteien sollten in ihren Reihen auf Landes- und Bundesebene für einen Ansatz werben. Zudem könne man lokal handeln.

In der Autobranche bedeuten elektrische Antriebe andere Motoren, das führt zu einer anderen Produktion mit weniger Arbeitsplätzen als heute. In der Stahl- und Eisenindustrie wie bei etwa im Lüneburger Eisenwerk müssten Öfen zum Schmelzen sozusagen grün befeuert werden, nämlich elektrisch. Diese Technik zu kaufen, sei für Betriebe wohl zu stemmen. Anders sehe es bei kilometerlangen Leitungen aus, durch die gewaltige Energie fließen muss: "Das ist Infrastruktur, die fehlt noch. Würden Öfen elektrisch betrieben, gingen bei der Strommenge in Lüneburg die Lichter aus." Gefragt sei der Einsatz von Energieversorger wie der Avacon, aber auch die Stadt.

Für solche Investitionen brauche es Zuschüsse des Staates sowie den aktuell diskutierten, subventionierten "Brückenstrompreis", damit Unternehmen im Vergleich zur weltweiten Konkurrenz wettbewerbsfähig blieben: "Die Tonne Eisen könnte so ein Drittel bis die Hälfte weniger kosten.".

All das beschreibt der Gewerkschafter vor dem Hintergrund des Klimawandels: "Um den nicht zu verschlimmern, müssen wir unserer Wirtschaften verändern, und dafür müssen wir die Menschen gewinnen, den Wandel zu gestalten." Die fast logische Konsequenz aus Sicht des IG-Metall-Funktionärs bei diesem Ansatz: "Die Schuldenbremse muss weg. Sie ist ein sinnfreies neoliberales Instrument, das Investitionen verhindert in Mobilität, Industrie, Bildung und weitere Infrastruktur. Einsteigen müssen hätte man schon vor 15 Jahren." Deutschland habe viel nachzuholen.

Für Aldag dreht es sich um den Wohlstand des Landes: Können Unternehmen im Wettbewerb nicht mehr mithalten und wanderten sie ab oder schlössen hier ihre Produktion, "dann sind die Arbeitsplätze weg". Neue zu schaffen, sei eine riesige Herausforderung. Fraglich, ob man die meistere.

Der Gewerkschafter rät zu einem Perspektivwechsel. Es reiche nicht, nur auf universitäre Ausbildung zu setzen: "Ich möchte mal sehen, wie jemand von der Leuphana in der Produktion des Eisenwerks arbeitet."

Noch einmal das Stichwort klimaneutral. Lokal gelte es, den Busverkehr aus- beziehungsweise umzubauen. Ganz praktisch: "Für die Kollegen, die im Hafen arbeiten, muss nach der Spätschicht ein Bus fahren. Fragen muss man zudem, wie kommen Leute beispielsweise nach Radbruch. Was ist mit dem Metronom? Es muss ein Mix sein, Rad, E-Mobilität und ÖPNV." Aber Aldag sagt auch, man müsse sehen, dass es Grenzen gebe: "Man darf den Autofahrer nicht vergessen, der zur Arbeit muss."

Es brauche ein Gesamtkonzept, das mitdenkt: Wer Wohngebiete außerhalb der Stadt anlege, müsse selbstverständlich die Mobilität und eine Infrastruktur mitdenken, beispielsweise medizinische Versorgung und Einkauf. Aus Sicht des Gewerkschafter liegt es in der Natur der Sache, bei Diskussionen zur Zukunft von Stadt und Kreis müssten die Interessen von Arbeitnehmern eine Rolle spielen. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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