Aufgespießt — nachdenklich
von Carlo Eggeling am 01.09.2023Aufgespießt
Obacht
Manchmal findet sich ein gediegenes wohltemperiertes Wort an ungewöhnlicher Stelle. Am Bahnhof streichen Handwerker Wände. Das kann klecksen, Flecken in der Jacke, nicht gut. Gemeinhin knallt es dann auf einem Schild fast militärisch „Achtung! Frisch gestrichen!“ Man nimmt beinahe innerlich Haltung an. Zeiten ändern sich.
Haben wir uns vor zwei Jahren noch geschüttelt, wenn es um Uniformen und die dazugehörigen Schießprügel ging, leben wir heute mit Agnes Strack-Zimmermann und Anton Hofreiter in ukrainisch-preußischen Zeiten und empfinden allabendliche Frontberichte in den Nachrichten als so normal wie den Wetterbericht.
In wehrhaften Tagen wirkt es daher schon nahezu sanft, pazifistisch, wenn statt Achtung das süddeutsch gemütliche Obacht auf der Warntafel steht. Und das am 1. September, dem Tag, an dem 1939 der Zweite Weltkrieg von Deutschland über den Globus geworfen wurde. Geht wohl ein bisschen weit, wenn die Gedanken schweifen.
Manchmal kann man innehalten. Selbst am schrabbeligen Bahnhof. Und Haltung annehmen angesichts eines sensiblen Malers. carlo
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