Ausgrenzen am Bahnhof
von Carlo Eggeling am 10.04.2024Wer keine Treppen steigen kann, einen Rollator oder Rollstuhl benötigt, kann seine Immobilität am Lüneburger Bahnhof seit Wochen demonstrativ erleben: Der Fahrstuhl an Gleis 1 ist ausgebaut, es dauert Monate, bis der Aufzug wieder funktionieren soll. Jetzt schlägt der Behindertenbeirat Alarm und fordert schnellst mögliche Abhilfe. In einem offenen Brief wenden sich die stellvertretende Vorsitzende, Miriam Ihnen, und ihre Kollegen an den Vorstand der Bahn AG und die Politik. Bis zum 22. April wolle man wissen, wie der Zustand abgestellt werden könne. Die Bahn habe sich bislang nicht gemeldet, sagt Miriam Ihnen auf Nachfrage. Allerdings äußerte sich das Unternehmen gegenüber der LZ. Die Antwort scheint angesichts der Probleme völligmmobilität völlig surreal: Denn wenn die Arbeiten an Gleis 1 abgeschlossen sind, sollen die nächsten Fahrstühle ausgetauscht werden -- auch das dauert Monate. Der Zeitplan: + Gleis 1: Fertigstellung avisiert für Juli/August 2024 + Gleise 2/3: Arbeiten von Oktober 2024 bis April/Mai 2025 + Gleise 4/5: Arbeiten von Juni 2025 bis November/Dezember 2025 Verweist die Bahn jetzt noch auf die Alternative eines ewig langen Umwegs, nämlich man könne von der Parkausseite zu den Gleisen gelangen, um dann die Bahnsteige 2 bis 5 zu erreichen, fällt diese Möglichkeit mit der Sanierung des mittleren Aufzugs weg. "Da kommt dann niemand dann niemand zu den Gleisen", sagt Miriam Ihnen. Im Sozialausschuss sei berichtet worden, dass das Rathaus seit vergangenem Herbst über die Pläne informiert worden sei. Dann habe es die Idee gegeben, dass "Mini-Jobber" Rollifahrer die Treppen runter- und hochtragen könnten, sagt die Vertreterin der Behinderten. Doch das habe die Stadt aus finanziellen Gründen nicht umsetzen können. Auch sei das bei Elektro-Rollstühlen mehr als ein Kraftakt. Gleichwohl bemühten sich Verwaltung und Politik Lösungen zu finden und Druck in Richtung Bahn aufzubauen. Der Beirat macht zwei Vorschläge, die andernorts praktiziert würden: Züge, in denen Rollifahrer sitzen und die in Lüneburg ein- oder aussteigen wollen, auf Gleis 6, also an den Westbahnhof, umzuleiten. Dort gibt es entsprechende Rampen. Aber das sei aufgrund der vorhandenen beziehungsweise nicht vorhandenen Signaltechnik nicht machtbar, will der Beirat erfahren haben. Die andere Idee: Die Bahn könnte eine "hochwertige Treppenraupe (wie z.B. „Domino People“ von Zonzini) außerhalb des morgendlichen und nachmittäglichen Stoßverkehrs" bereitstellen. Nicht nur Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, haben auf dem ehemaligen Bahnhof des Jahres -- das ist zwei Jahrzehnte her -- Schwierigkeiten: Wer mit einem Kinderwagen reist oder sein Fahrrad mitnimmt, erlebt an den Treppen eine Herausforderung. Wenn er oder sie Glück hat, packen Passanten mit an. Doch das ist nicht alles: Für die Arbeiten, die nicht stattfinden, denn es ist meistens niemand zu sehen, haben die Handwerker den Durchgang mit einen Holzwand halbiert. Kommen Züge an oder starten, gibt es ein großes Gedränge und wer gegen den Strom geht, fühlt sich sehr bedrängt. Kommt es dort zu einem Notfall, dürfte es schwierig werden, schnell und angemessen zu reagieren. Noch hat der Behindertenbeirat keine Antwort aus der Bahnzentrale erhalten. Deshalb kündigen die Vertreter für die kommenden Wochen Aktionen an, um auf die Lage aufmerksam zu machen. Carlo Eggeling
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