Lüneburg, am Samstag den 23.08.2025

Bei Finanzen muss man kreativ sein. Auch im Rathaus

von Carlo Eggeling am 23.08.2025


Meine Woche
Lüneburger Finanzkomödie

Sommertheater? Anfang Juli gab das Rathaus Tragödie, allerdings heiter gestimmt. Denn die Alarmmeldung an Ratsmitglieder ging einher mit dem Wunsch für frohe Ferien. Acht Wochen später scheint das Ganze als Farce. So erlebte der Finanzausschuss am Donnerstagnachmittag einen Sommernachtstraum. Alles sei gut, verkündete Kämmerer Matthias Rink. Das Minus der Gewerbesteuer falle geringer aus, als vor zwei Monaten erwartet. Es würden lediglich 2,5 statt sechs Millionen weniger fließen. Durch den Einstellungsstopp und das nicht Verlängern von befristeten Verträgen spare die Stadt bis Jahresende voraussichtlich 1,3 Millionen ein. Der Bereich Soziales steure eine Million bei. Überdies wolle er in Verhandlungen mit dem Landkreis durchsetzen, dass „unsere Benachteiligung aufgehoben wird, die daraus resultiert, dass wir Aufgaben des Landkreises übernehmen".

Theater sollte mit überraschenden Wendungen einhergehen, das weiß man in der Intendanz. Und es braucht einen Helden. Dem Publikum, namentlich der ewig bockigen SPD, erklärte der Kämmerer, wie das Stück geht, ob's ironisch gemeint war? Er und die Oberbürgermeisterin hätten aus "Respekt für den Rat und im Bemühen um Transparenz" früh auf eventuelle Probleme hingewiesen. Aber bei der Sondersitzung des Finanzausschusses, welche die SPD mit der Forderung von Respekt und Transparenz gegenüber dem Rat beantragt hatte, hätten die beiden Verwaltungsspitzen bereits Mut gemacht: "Kein Grund zur Sorge, wir schaffen das.“ Heldinnenhaft. Angela Merkel. Wir schaffen das. Sie erinnern sich. Auch im Kleinen muss man die große Bühne schaffen.

Was mich an Inszenierung und Drama denken lässt, sei völlig daneben. Der Kämmerer wertet auf Nachfrage so: "Das in Rede stehende Schreiben der Oberbürgermeisterin hat keine 'Dramatik' vermittelt, sondern sachlich notwendige und transparente Inhalte vermittelt. Ziel war neben der notwendigen Information der Ratsmitglieder eine nochmalige Sensibilisierung im Hinblick auf die finanzielle Situation der Hansestadt Lüneburg."

Das lässt zwei Schlüsse zu, zum einen, Ratsmitglieder brauchten mehr Sensibilität. Zum anderen sehen wir ein Weltbild: Die Verwaltung ermahnt ihren Auftraggeber, den von den Bürgern gewählten Rat, wie er die Welt zu sehen habe. Sensibler in Richtung Verwaltung.

Wir schaffen das. Nun wissen wir, der Satz der Alt-Kanzlerin war zwar richtig, als sie ihn sprach, aber mit den Folgen haben wir noch heute zu tun. Weitsicht wäre daher sinnvoll. Schauen wir: Der Kämmerer erklärt, dass er in Verhandlungen über den Finanzvertrag mit dem Landkreis erreichen möchte, die angebliche "Benachteiligung" der Stadt aufzuheben. Die macht er daran fest, dass "wir Aufgaben des Landkreises übernehmen". Ob so viel Selbstbewusstsein Landrat und Kreistag beeindruckt? Wenn nicht, aufrechtes Scheitern kann im Theater sympathisch machen. Gekämpft, gehofft, verloren und so.

Der Finanzvertrag zwischen Kreis und Stadt ist über mehrere Jahre festgeschrieben. Warum sollte der Kreis, ebenfalls in tiefroten Zahlen, der Stadt Millionen erlassen? Wegen eines heldenhaften Auftritts? Ziel des Vertrages, den Grüne und CDU in der Vergangenheit kritisch sahen, ist es, der Stadt möglichst Macht über ihre Angelegenheiten zu sichern. Wer zahlt, bestimmt. Selbst im Theater gilt das richtige Leben. Vor allem an der Kasse.

Durch ihre starke Rolle setzt die Stadt beispielsweise selber Akzente in ihrer Sozialarbeit. Verlagert sie diesen Part zum Kreis, könnte man dort -- völlig gemein -- auf die Idee kommen zu fragen, ob es so viele Sozialarbeiter für die zunehmende Verelendung in der Innenstadt braucht oder welche Projekte und Angebote es in den Stadtteilen geben soll. Geht weniger? Nur zur Erinnerung: Beim Busverkehr hat die Stadt aus Kostengründen Angelegenheiten ins Kreishaus gegeben. Jetzt muss sie Bitte, Bitte sagen, wenn es um Linien und Taktzeiten geht. Zum Kreideberg sollen weniger Busse fahren. Na ja, Schwund ist überall.

Denken wir mal weiter. Könnte es sein, dass der Landkreis, wenn er Aufgaben übernimmt, an der Kreisumlage dreht, also Lüneburg, das, was es angeblich spart, letztlich auf diesem Wege doch berappen muss? Das ist sicher nur mein Theater.

Im Bereich Soziales sei eine Million Euro zusammengekommen. Doch nicht eingespart worden, betont Matthias Rink auf Nachfrage. Die von der Pressestelle übermittelte Antwort klingt wie zerknülltes Pergamentpapier: "Es handelt sich vielmehr um eine prognostizierte Aufwandsreduzierung im Bereich Kindertagesstätten. Es handelt sich hierbei nicht um eine Kürzung, sondern um eine Nichterreichung des ursprünglich geplanten Aufwandssolls." Also irgendwie bekommen die Kitas weniger oder geben weniger aus.

Das "Nichterreichen des Aufwandssolls", wie Eltern vermuten, dürfe man aber nicht damit in Verbindung bringen, dass im Hort der Hermann-Löns-Schule Zeiten gekürzt werden und etwa zehn Kinder in der Betreuung keinen Platz erhalten, obwohl es in der Vergangenheit zumindest so klang, dass man sie unterbringen werde. Nein, sagt Rink: "Es gibt keinen Sachzusammenhang zwischen dieser Aufwandsreduzierung, den personalwirtschaftlichen Maßnahmen und den innerbetrieblichen Angelegenheiten des Hortes der Hermann-Löns-Schule." Das beruhigt betroffene Familien. Bestimmt.

Eine weitere Frage beantwortet der Kämmerer leider nicht. Nachdem Sozialdezernent Florian Forster Lüneburg vorzeitig nach zwei Jahren Ende 2024 verlassen hatte, leiteten Matthias Rink und Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch das Sozialressort kommissarisch. In dieser Zeit musste die Sozial-Truppe ihren Etat aufstellen und in die Haushaltsberatungen geben. Das heißt, Finanzminister Rink oder Chefin Kalisch waren dafür verantwortlich.

Wer es konkret war, teilt das Rathaus nicht mit. Auch nicht auf erneute Nachfrage, in der Pressestelle muss der Job manchmal ziemlich schwierig bis freudlos sein. Wieder Fantasie, die im Theater ja dazugehört: Hat Herr Rink einen großzügig bemessenen Etat aufgestellt, aus dem die seit April amtierende Sozialdezernentin Gabriele Scholz mühelos Hunderttausende herausquetschen kann? Oder kann die Frau besser rechnen?

Wir wissen es nicht. Was wir wissen ist, gute Inszenierungen erleben eine Fortsetzung. Bully Herbig macht das gerade vor, nach der Schuh des Manitu jetzt das Kanu des Manitu. Oder gucken wir auf Indiana Jones.

Fortsetzung. Der Haushalt für das kommende Jahr steht unter dem Vorbehalt, 9,2 Millionen Euro einzusparen. Eigentlich müsste schon jetzt klar sein, das Orchester vor der Bühne muss ein Streichkonzert einüben. Erleben wir wie eingangs noch einmal Karl Marx und sein Geschichtsverständnis von Tragödie und Farce? Oder den Komiker Groucho Marx: "Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere."

Gehen wir heiter ins Wochenende. Was bleibt uns übrig? Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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