Bitte nicht so negativ, aber was ist positiv?
von Carlo Eggeling am 29.06.2024Meine Woche
auftritt und Elend
Das Elend liegt auf der Straße, hockt auf der Treppe der LZ, campiert vor der Sparkasse, schläft nachts in Lagern in den Arkaden der alten Einhorn-Apotheke und am Glockenhof. Betrunken, unter Drogen, psychisch auffällig, einige laut und aggressiv. Manche haben ihre Hunde dabei. Gegen die läuft gerade bei einem Facebook-Spartenkanal eine Kampagne, sie würden sich nicht um ihre Tiere kümmern. Wer einmal hinsieht, entdeckt Wassernäpfe und Tierfutter, alle sitzen im Schatten.
Es ist ein Prozess, das Stadtbild verändert sich. Fast täglich Meldungen der Polizei über Begleiterscheinungen von Sucht: Ladendiebstahl, Schlägereien, Belästigungen.
Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und der Leiter der Herberge, Thorben Peters, kommen am Donnerstag zum Lokaltermin auf den Sand. Dabei eine Pressesprecherin, nicht dabei Sozialdezernent Florian Forster, zuständig für das Thema. Das Protokoll der Besichtigung schreibt Jan Beckmann für Landeszeitung und Lünepost. Da steht dann, dass die Oberbürgermeisterin nicht mit den Betroffenen redet, dass die Uralt-Idee anderer Städte eines Szenetreffs, die Forster vor Monaten präsentierte, eine Idee bleibt, man finde keinen Raum. Drei Streetworker teilen sich eine Stelle.
Gleichzeitig betonen die OBin und Peters, dessen Diakonieverband die Betreuung von Obdachlosen von der Stadt übernommen hat, das Thema "solle nicht so negativ rüberkommen". Wie denn dann?
Lüneburg aktuell hat mehrmals über die Probleme berichtet und um Gespräche mit der Oberbürgermeisterin und Sozialdezernent Forster gebeten, um sich das Sozialkonzept der Stadt erklären zu lassen. Mal heißt es, keine Zeit, mal gibt es nicht einmal eine Antwort. Gibt es überhaupt eine Vorstellung, wohin man möchte?
Was ist mit Auftritten, die nicht tolerierbar sind? Rathaus und Polizei haben neulich stolz verkündet, man sei eine Sicherheitspartnerschaft eingegangen. Ich hatte gedacht, die leben die Behörden längst. Wie kooperieren sie? Was nimmt eine Stadtgesellschaft hin? Kommen gemeinsame Streifen von Polizei, Ordnungsamt und Sozialarbeit? Wer einen Platzverweis erhält, wo kann er hin?
Noch einmal Jan Beckmann, sein Kommentar zum Aufschlag auf dem Platz: "So wie es ist, kann es nicht weitergehen. Anzukündigen, das Thema in Gespräche mitzunehmen und eine Vision von einem neuen Szenetreff zu zeichnen, der irgendwann einmal kommen soll, hilft niemandem. Weder der Szene, die natürlich eine neue Anlaufstelle braucht, noch den reichlich genervten Menschen, die am Sande arbeiten und/oder leben."
Ich vermute, der Kollege Beckmann würde so wie ich zu einer Pressekonferenz kommen, bei der Oberbürgermeisterin, Sozialdezernent, Herbergsverein und Polizei ein Lagebild und ihr Konzept vorstellen. Das gilt natürlich ebenso für die Stadtteile, in Quartieren wird auch gedealt, sitzen Zecher auf Bänken.
Claudia Kalisch hat im Rat betont, wie wichtig ihr das Gespräch ist. Mit Betroffenen wohl nicht, mit Journalisten, die dann die Bürger informieren können? Transparenz war eins ihrer Themen im Wahlkampf. Wenn sie für Einzelinterviews keine Zeit findet, können alle auf einmal kommen. Effizienter geht es nicht. Wann passt es?
Wie gut und weltoffen es sich in Deutschland leben lässt, zeigt uns die EM. Fußballfans aus verschiedenen Nationen feiern zusammen. Friedlich, fröhlich. Ein Zeichen gegen dieses dumpfe Dröhnen, nachdem jeder, der ausländische Wurzeln besitzt, irgendwie Böses im Schilde führt. Hoffentlich bleibt das. Die gute Laune können wir an vielen Stellen gut gebrauchen. Auch in Lüneburg. Carlo Eggeling
Kommentare
Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.