Lüneburg, am Mittwoch den 03.12.2025

Blick nach rechts

von Carlo Eggeling am 29.11.2025


Meine Woche

Gruselig


Maximilian Krah war da, Tino Chrupalla ebenfalls, als nächste Größe der AfD soll Beatrix von Storch in den Landkreis kommen. Auch Parteichefin Alice Weidel ist angefragt. All das bestätigt der Amelinghausener Landtagsabgeordnete Stephan Bothe. Er ist offensichtlich gut in seiner vom Verfassungsschutz beobachteten Partei verankert. Das ist ein Aspekt, der andere: Die Region Lüneburg leuchtet so im AfD-Reich, dass die Partei-Prominenz herblickt. Bescheidenheit strahlt Bothe nicht aus: "Der Erfolg bleibt nicht unbemerkt, ich habe gute Verbindungen."


Im Gespräch ist er mächtig stolz darauf, dass seine Partei in den vergangenen Jahren reichlich Zulauf erhalten hat. Das belegen Wahlergebnisse. Vor allem im Osten des Landkreises. Im Amt Neuhaus holte die Partei bei der Bundestagswahl Anfang des Jahres fast 30 Prozent der Stimmen, mehr als die CDU. In Bleckede knapp 24 Prozent. Ostheide, Scharnebeck, Dahlenburg jeweils rund 20 Prozent. In Lüneburg waren es gut elf Prozent. Rausreißer gab es in Kaltenmoor mit dreißig Prozent.


Auf dem Land sei man stark, in Städten weniger, gerade wenn es eine Uni gibt, bilanziert Bothe und zeichnet damit eine Strategie: Das Land erobern. In Bleckede will die Partei bei der kommenden Kommunalwahl mit einem eigenen Bürgermeisterkandidaten antreten, Bothe selber dürfte für den Posten des Landrats kandidieren, falls "die Gremien" zustimmen. Wer sollte widersprechen? In Bleckede ist die Partei überdies durch die Nähe zu einem Bauunternehmer gut aufgestellt, in ein Lokal seiner Familie lädt die AfD zu ihren Veranstaltungen ein. Die sind gut besucht. Bothe setzt das Ziel: "In den nächsten Bleckeder Stadtrat ziehen wir als stärkste Kraft ein."


Rund 200 Mitglieder zähle die Partei im Landkreis, sagt Bothe. Darin sieht er Potential, auch für den Lüneburger Stadtrat. Dort werde man nach der Kommunalwahl sicher mit mehr Köpfen vertreten sein als jetzt, mit doppelt so vielen, wenn das reicht. "Vier bis fünf Leute, da werden wir uns neu aufstellen." Sie dürften lauter und krachender agieren als vorher -- das klingt mit. Einen OB-Kandidaten werde man wahrscheinlich nicht benennen. Das "links-grüne" Milieu sei zu stark. Warum Ressourcen verschwenden?


Wer sieht, wie viele Menschen inzwischen auf der Bäckerstraße an den Info-Ständen der AfD stehen bleiben, weiß wie groß die Sympathie für die Halb- und Dreiviertel-Rechtsextremisten ausfällt. Im Netz ist es noch schlimmer; da ist die Würde des Menschen mehr als antastbar.


Es ist ein gruseliges Gespräch. Die AfD muss gar keine Lösungen präsentieren. Wenn sie auf lokaler Ebene ihre Versprechungen nicht einlösen kann, haben andere schuld. Bothe lacht dazu: "Die anderen haben keine Lösungen." Den Lautsprechern reicht das allgemeine Geraune von Kontrollverlust im Land und wirtschaftlichem Abstieg. Gefühl zählt, nicht Fakten. Kriminalität sinkt im langjährigen Vergleich, die Zuwanderung ebenfalls, egal wie man dazu steht, die Zahl der Abschiebungen ist gestiegen. Egal. Das Gefühl reicht.


Das weiß Bothe. "Wir haben keinen Druck", sagt er. Er sieht, was trotz aller Beteuerungen überall zu sehen ist: "Für eine Brandmauer müsste man sich einig sein." Das sei man weder auf Bundes-, Landes- noch kommunaler Ebene. SPD und Grüne stünden unter Druck durch eine "aufstrebende Linkspartei", die CDU spüre "Druck von rechts".


Kühle Kalkulation, die Bothe betreibt und sich wohl die Hände reibt. Abstand zu Radikalen? Wird weniger. Wenn der Bleckeder Bauunternehmer offen zur AfD steht, ist er damit nicht allein. Aus Lüneburger Unternehmerkreisen ist zu hören, man könne sich Diskussionsrunden vorstellen, in denen sich Vertreter der etablierten Parteien mit den AfD-Leuten an einen Tisch setzen. Argumente müssten zählen. Brandmauer?


Die SPD hat als Landratskandidaten den fachlich versierten aber weitgehend unbekannten André Schuler aus Embsen benannt; die CDU weiß nicht so recht, ob Steffen Gärtner aus Gellersen will oder ob sie ihn will, die Grünen haben angeblich jemanden im Blick. In Umfragen zur Landes- und Bundespolitik schaut es eher mau für das Trio aus. Was ist, wenn Bothe tatsächlich so viele Stimmen holt, dass es für die Stichwahl reicht? Reicht es dann für ein Bündnis?


Was ist mit Lüneburg? Der OB-Posten wirkt so beliebt wie Ausschlag. Weder die CDU noch die SPD finden allem Gerede zum Trotz jemanden. Aus der SPD ist zu hören, am Ende müsse einer ran, der lieber in anderen Sphären unterwegs und aus der Stadt in den Kreis gezogen ist. Erwartungen an Parteidisziplin. Als Wiedergänger gibt es den, der hofft, dass er mangels Masse und weil er mit allen Kumpel ist, als Parteiloser in den Ring steigt. Claudia Kalisch betont, sie sei ihrem Amt weiterhin grün. Sagt sie zumindest jetzt. Hat sie in Amelinghausen allerdings auch ein Jahr vor der Wahl -- und war dann weg.


Es ist hohe Zeit, für drei, vier beherrschende Themen Handeln und Lösungen zu präsentieren: Leerstand und abwandernde Unternehmen, eine Innenstadt, die allem wohligen medialen Glühweinnebel und Runder-Tisch-Optimismus zum Trotz als berauschter verlotterter Problemfall wahrgenommen wird; der Mangel an Wohnraum mit einer Verwaltung, die nichts Spürbares gegen den Verfall in Kaltenmoor tut und in neuesten Ankündigungen zwischen Bungalows und Hochhäusern wieder Straßen umbauen will. Ideologisch wird's beim Rad, zwischen Speichen-Glück und "ich kann's nicht mehr hören".


So viel Unzufriedenheit. Der Nährboden für Halb- und Dreiviertel-Nazis. Wo bleibt eine bürgernahe Verwaltung, wo ein Stadtrat, der versteht, dass das siebenundzwanzigste angebliche Beteiligungsformat die eigene Klientel bedient ansonsten aber wenig bis nichts bewegt?


Mit der AfD wird nichts besser. Im Gegenteil. Hoffentlich beweisen Politik und Verwaltung das. Jetzt. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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Kommentar von Justus Bender
am 30.11.2025 um 17:29:41 Uhr
Diese Woche gab es einen großen Streit über den Verband der Familienunternehmer. Die Frage war, ob es legitim ist, wenn der Verband AfD-Vertreter zum Gespräch einlädt.

Kann man mit Extremisten einen gepflegten Meinungsaustausch unter Demokraten führen? Viele meinen, das gehe nicht.

Wer jahrelang und systematisch Menschen einer bestimmten Gruppe schlechtmacht, sie Kriminelle, Schmarotzer, Gesindel, Betrüger, Vergewaltiger schimpft und immerzu sagt, sie seien, auch wenn sie Deutsche sind, eigentlich keine „richtigen“ Deutschen, dann greift dieser Jemand die Menschenwürde an. Und das ist verfassungsfeindlich. Gleiches gilt für die Demokratie. Wer jahrelang die Vertreter aller anderen Parteien als Volksverräter hinstellt und unberechtigte Zweifel weckt an der Gültigkeit von Wahlen, der entwertet die Stimmen jener achtzig Prozent, die nicht AfD gewählt haben. Das geht nicht.

Der Verfassungsschutz hat jahrelang geprüft, bevor er sicher war. Die AfD klagt jetzt dagegen. Diese Möglichkeit ist in einem demokratischen Rechtsstaat vorgesehen. Spätestens wenn die Einstufung gerichtlich bestätigt ist, müssen alle, die Zweifel daran haben, ihrerseits Belege präsentieren. Tun sie das nicht, sollte man Extremisten wie Extremisten behandeln. Und dazu gehört, nicht so zu tun, als seien sie nur Menschen, die ein bisschen rechter denken als man selbst.


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