Lüneburg, am Freitag den 09.05.2025

Bürgerbeteiligung ist nicht gleich Bürgerbeteiligung

von Carlo Eggeling am 21.03.2025


Zwischenruf

Die Mehrheit steht seit langem: SPD, Grüne und Linke wollten die Hindenburgstraße umbenennen, am Donnerstagabend schufen sie im Rat Fakten. Künftig soll der Straßenzug nach historischem Vorbild wieder Gartenstraße heißen. Warum die Politik allerdings vorher ein Beteiligungsverfahren der Anwohner startete, bleibt eigen. Denn knapp 60 Prozent der Befragten wollten beim alten Reichspräsidenten bleiben, der 1934 starb. Schon am Anfang der Ratssitzung bei der Einwohnerfragerunde, zeigte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ulrich Blanck, dass ihm das Ergebnis nicht gefiel, die Frage der Anwohnerbefragung sei falsch gestellt worden, das Ganze sei auch kein Bürgerentscheid gewesen. Nun kann man sich fragen, wer die Befragung in Auftrag gegeben hatte -- es waren politische Beschlüsse.

Die Linie setzte sich später fort. Die konträren Einschätzungen von CDU, FDP, AfD und Basis überzeugten die anderen Fraktionen nicht. Hindenburg gilt als Totengräber der Republik von Weimar und "Steigbügelhalter" Hitlers. Er ernannte den Nationalsozialisten 1933 zum Reichskanzler und unterzeichnete das "Ermächtigungsgesetz", das die Diktatur quasi rechtlich absicherte.

Also müsse man ein Zeichen setzen, befanden mehrere Rednerinnen. So sagte Andrea Kabasci von den Grünen mit Blick auf die Befragung der Anwohner: "In der Abwägung ist mir eine würdige kollektive Erinnerung und der Schutz der von Rassismus betroffenen und Juden und Jüdinnen, die sich mit dem Straßennamen eines Rassisten und Antisemiten konfrontiert sehen, wichtiger."

Wie berichtet, hatten sich von 802 angeschriebenen Anwohnern sich 338 geäußert, also gut 40 Prozent. Fast 59 Prozent von ihnen lehnten eine Umbenennung ab. Aber wenn ein anderer Name: dann Gartenstraße, meinten rund 60 Prozent.

Die Begründung, dass letztlich nur ein geringer Teil der Nachbarn abgestimmt habe und dies die Zustimmung für Hindenburg zerbröseln lasse, ist eine spezielle Sicht. Bei Wahlen machen auch nicht 100 Prozent der Bevölkerung mit, trotzdem gilt der Bundestag oder der Stadtrat nach dem Ergebnis gewählt, Sitze werden entsprechend an die Parteien verteilt.

Die ansonsten gerade von den drei Polit-Akteuren immer wieder geforderte Bürgerbeteiligung samt Bürgerrat und zig Diskussionsrunden etwa zum Marienplatz wirkt in diesem Fall nach, das Motto scheint: Den Bürger wollen wir nur, wenn uns das Ergebnis passt. Böse betrachtet, liefert die Politik hier Parteien wie der AfD eine Steilvorlage. Die Demokratieskeptiker können hier argumentieren, dass der Bürgerwille eben nicht zählt, wie vermeindlich undemokratisch von den "Altparteien".

Es gibt Gründe, sich von Hindenburg zu verabschieden, allerdings hätte der Rat als Vertretung der Bürger der gesamten Stadt eben das entscheiden können. Es geht um eine grundsätzliche Frage, wie sich Lüneburg positionieren will, und diese Positionierung geht über die Belange der Anwohner hinaus. Entscheidungen treffen, heißt Verantwortung zu übernehmen, auch wenn es Gegenwind gibt. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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