Das Sozialressort soll eine neue Leitung erhalten — das dürfte für Diskussionen sorgen
von Carlo Eggeling am 18.03.2025Beim Thema Leitungsfunktionen scheint die Verwaltungsspitze Aufregung zu mögen: Vor Monaten rumpelte es, als der Bereich Kultur und Sport mit der umstrittenen ehemaligen Langooger Bürgermeisterin besetzt wurde. Nun geht es um den nächsten Posten, wieder setzt Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch auf auf eine Frau, die eine Geschichte mitbringt. Kritiker aus der Politik sprechen sarkastisch von einem "Gnadenhof" für schwierige Kandidaten. Es dürfte kein einfacher Gang sein. Am Montag hatten sich zwei Kandidaten in den Fraktionen vorgestellt, ein CDU-Mann aus Kiel und die ehemalige Leiterin des Hamburger Landesjugendamtes. Die Juristin gilt als Favoriten, den einen erschien sie als selbstbewusst und durchsetzungsstark, andere überzeugte sie nicht. Von 17 Uhr an ist die Personalie heute Thema im Verwaltungsauschuss.
Die Frau hatte Ende 2023 in Hamburg für Aufregung gesorgt. Ihre Behörde hatte dem Landesamt für Verfassungsschutz laut Morgenpost "Adressen sämtlicher Hamburger Jugendverbände weitergeleitet und auf ihre Verfassungstreue hin überprüfen lassen". Eine Anfrage der Linken hatte das ans Licht gebracht. Hintergrund war ein Bericht des Verfassungsschutzes in dem es hieß, dass ein Hamburger Jugendverein als "linksextremistisch" eingestuft worden war. Ergebnis laut Morgenpost: "keine der genannten Organisationen sei ein Beobachungsobjekt". Die Linke sah einen Skandal.
Für die Leiterin der Landesjugendamtes hatte es Folgen. Es gab einen Arbeitsgerichtsprozess, den sie laut mehreren Lüneburger Politikern gewonnen haben soll, ein zweiter sei anhängig. Mit diesem Verfahren soll die Kandidatin bei einer anderen Bewerbung nicht offen umgegangen sei, als sie sich im Dezember 2024 im westfälischen Minden auf SPD-Ticket zur Ersten Beigeordneten, in Lüneburg wäre es der Erste Stadtrat und damit Stellvertreter des OB, wählen lassen wollte.
Erst im Verfahren sickerte die Causa aus Hamburg durch, das Mindener Tageblatt berichtete mehrfach. Die Zeitung titelte am 27. November 2024 mit den Worten der Kandidatin: "Ich hätte das ansprechen sollen." Sie räumte Fehler ein.
Zitat aus dem Artikel: "S. hatte sich damals beim Verfassungsschutz erkundigt, ob Informationen zu Jugendgruppen vorlägen, die auch „unterhalb der Beobachtungsgrenze zumindest Anlass zu einer kritischen Einschätzung geben.“ Ihre Mitarbeitenden hätten das kritisiert, woraufhin sie sich länger mit ihnen zu diesem Thema ausgetauscht habe. Die Jugendverbände protestierten, als ihnen die Anfrage beim Verfassungsschutz bekannt wurde. Das Vorgehen wurde Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Linken in der Bürgerschaft. S. verweist auf die aus ihrer Sicht eindeutige Antwort des Senats, in der es unter anderem heißt: „Eine entsprechende Datenerhebung beziehungsweise Datenübermittlung“ – durch das Landesjugendamt – „ist zur Aufgabenerfüllung des Landesjugendamtes (...) grundsätzlich rechtlich zulässig.“ Ihr sei es aber darum gegangen, die Jugendgruppen zu schützen und die Förderung für sie zu erhalten. Anlass: Ihr war aufgefallen, dass in den Listen eine Organisation stand, die als gesichert linksextrem eingeschätzt worden und Mitglied eines geförderten Jugendverbandes war."
In Lüneburg hatte die Oberbürgermeisterin am vergangenen Donnerstag jeweils einen Vertreter der Fraktionen zu einem Hintergrundgespräch eingeladen und diese informiert, es gab eine Vorstellung, bei der die Kandidatin die Vergangenheit angesprochen haben soll, einige sagen, erst auf Hinweis der Personalagentur, welche von der Stadt eingeschaltet worden war.
Nun gilt die Frau von der Elbe als angeschlagen. Öffentlich will sich kein Politiker äußern, da Verwaltungsausschusssitzungen nicht-öffentlich stattfinden und als vertraulich gelten. Doch unter der Hand gilt die langgeübte Praxis, man erfährt etwas, wenn man nachfragt. Die SPD will der Wahl eher nicht zustimmen, in der der CDU überzeugte die Kandidatin, die FDP ist noch etwas unschlüssig wegen des "Parteibuchstreits", dort könnte man sich auch den CDU-Mann vorstellen, bei den Grünen verlief eine Probeabstimmung in der Farktion gut für die Kandidatin.
Moralisch haben die Grünen kein Problem mit der Anfrage beim Verfassungsschutz, auch rechte Organisationen versuchten schließlich in Jugendverbände zu gelangen. Das sei mit der heftig kritisierten Anfrage der CDU in Berlin nicht zu vergleichen, inwieweit Nicht-Regierungs-Organisationen Staatsgeld beziehen und dabei kritisch gegenüber Staat und Parteien wie der CDU aufträten. Dazu nehme man bei Bedarf gern in der Ratssitzung Stellung.
Die Abstimmung im Rat, wenn es denn dazu kommt, wird keine sichere Angelegenheit für die Oberbürgermeisterin werden. Theoretisch hätten Grüne, CDU und FDP die benötigten 23 Stimmen zusammen. Klar ist aber: Bei den Grünen ist eine Abgeordnete schon länger nicht dabei, weil sie Elternzeit eingelegt hat, bei der FDP fehlt von drei Ratsherren einer aus beruflichen Gründen, auch bei der CDU soll es Ausfälle geben. Es gilt also, Überzeugungsarbeit zu leisten.
Wie berichtet, ist die Leitung des Dezernats seit dem Abschied Florian Forsters, der es gerade mal zwei Jahre in Lüneburg ausgehalten hatte und sich mit kritischen Worten in Richtung Rathausspitze verabschiedet hatte, seit Ende November unbesetzt. Laut Vorlage für die Ratssitzung gingen 32 Bewerbungen ein. Davon wurden durch die Bonner Personalagentur zfm zwölf Vorgespräche geführt und im Ergebnis eine Bewerbung empfohlen. Insgesamt waren drei Bewerber in der engeren Auswahl, darunter eine interne sowie die beiden anderen. Carlo Eggeling
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