Das nächste Scheitern der Verkehrswende + umstrittene Personalie
von Carlo Eggeling am 18.12.2024Ein Doppelhaushalt für die Jahre 2025/26 -- ein gewaltiges Programm, das sich der Rat für Donnerstag vorgenommen hat. Im Mittelpunkt steht der Haushalt mit allein 60 Anlagen, klar dürfte sein, der Entwurf der Verwaltung geht so nicht durch -- und damit steht eigentlich auch eine Niederlage für die Grünen an. Eins ihrer Projekte ist der Ausbau des Fahrradstraßenrings. Doch in einem gemeinsamen Antrag wollen SPD, CDU und Grüne die aktuelle Umsetzung kippen. Kurz: Angesichts des Defizits von 50 Millionen im Etat sollten die vorgesehenen rund 2,2 Millionen Euro für Dringenderes ausgegeben werden. Besser wäre es, eine Sporthalle wieder fit zu machen, einen Kunstrasenplatz zu bezuschussen, auch der Sportpark Ost sowie Kinderspielplätze sind genannt. Die FDP möchte zudem ein neues Fahrzeug für die Feuerwehr im Süden anzuschaffen.
Kronzeuge für die Unsinnigkeit des Fahrradrings ist für die Politik Peter Pez. Der Professor der Uni gilt als seit drei Jahrzehnten Fahrrad-Papst. Lüneburg aktuell hat er schon vor zwei Jahren erklärt, was die FDP auch jetzt anführt. Der Ring sei ein "Fetisch", er mache keinen Sinn, weil Radler in die die Stadt wollen, um einzukaufen, zum Arzt zu gehen oder auf einen Kaffee zu kommen. Wer um die Stadt herum wolle, könne das im Sattel schon heute.
Naturgemäß haben sich die Umwelt- und Fahrradverbände zu Wort gemeldet. In der LZ beklagen sie die Ignoranz der drei Parteien. Die Klima- und Verkehrsherausforderungen würden zur Seite geschoben. Es ist der zweite Schlag gegen die Verkehrswende. Denn die drei Fraktionen hatten bereits in der vergangenen Ratssitzung die Umsetzung des Nachhaltigen Mobilitätsplans (Nump) gestoppt. Da wollen sie mehr mitreden, einen Freifahrtschein gebe es nicht.
Der Protest der Grünen verhallte im Rat, auch wenn vor der Tür der Ratssitzung die ihnen nahestehenden Organisationen protestierten. Sie haben, wie mutmaßlich auch jetzt nicht genug Stimmen.
Perspektivisch stellt sich daher die Frage, was sie nach drei Jahren mit einer grüner Oberbürgermeisterin an der Spitze umgesetzt haben. Von großen Projekten der Mobilitätswende bleibt kaum etwas übrig. Durch gerasselt sind ebenso die Pläne für den Umbau des Marienplatzes. Dort sollen die Stellplätze verschwinden, unter anderem um "Parksuchverkehr" durch die Reitende-Diener-Straße und Hinter der Bardowicker Mauer zu unterbinden. Es gab ein paar Versuche der Bürgerbeteiligung -- mit überschaubar vielen Teilnehmern angesichts knapp 80 000 Einwohnern --, die aber letztlich nicht zu einem grüneren Platz führen. Keine Mehrheit, kein Geld.
Nun stellt sich die Frage, wie können die Grünen wenigstens den Platz retten? Ein Stratege wie Ulrich Blanck, der gewiefte Fraktionsvorsitzende, könnte auf die Idee kommen, dass man das Thema noch einmal über die Ausschüsse spielt, um dem Plan im Verwaltungsausschuss neuen Schwung zu geben. Dort verfügen die Grünen über ausreichend Stimmen. Zudem würde man für der Partei eher nahestehenden Verbände als Streiter gegen die Ignoranz der anderen dastehen.
Spekulationen. Selbst bei den Grünen scheint die Linie nicht einheitlich zu sein. Alte und ehemalige Parteifreunde grummeln über den Kurs der Fraktion und der Oberbürgermeisterin. Da machen dann Beobachtungen die Runde. Etwa, dass angeblich ein grüner Ratsherr, der zu einer Fraktionssitzungen im Rathaus kommt, auf dem Marienplatz parkt, dass ein leitender Mitarbeiter Claudia Kalischs, der immer wieder auf ausreichend Parkplätzen in der Innenstadt hinweist, mit seinem Elektro-Auto schon mal eine halbe Stunde vor 18 Uhr unerlaubt und ohne Ausnahmegenehmigung in die verkehrsberuhigten Bereiche fährt, um direkt am Markt zu parken. Von einer aus ökologischen Gründen verpönten Kreuzfahrt einer Ratsfrau ist ebenfalls die Rede. Das passe nicht, sagen alte Parteigänger der Grünen. Namentlich will sich niemand äußern, Kritik werde nicht gern gehört.
Es dürfte also um Grundsatzfragen gehen bei der nächsten Ratssitzung gehen. Und auch darum, wie erfolgreich man seine Haltung vertreten und nach außen tragen kann. Die nächste Wahl rückt näher.
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Ob überraschend eine Personalie zum Thema wird? Am Montag hat Heike Horn als Leiterin des Kultur- und Sportamtes ihre Stelle angetreten. Die 59-Jährige hatte sich als Bürgermeisterin von Langeoog abwählen lassen, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen und großer Belastung. Da war sie hochumstritten, das ergibt eine kurze Recherche im Internet. Warum Personaldezernent Matthias Rink und die Politik sich angeblich nicht mal kurz bei Google reinklicken, bleibt rätselhaft.
Die Vorwürfe: Mehrere Projekte habe sie nicht erledigt, Mitarbeiter hätten die Verwaltung wegen ihr verlassen. Sie habe DiDo geheißen, weil sie nur von Dienstag bis Donnerstag auf der Insel gewesen sei. Die größten Wellen allerdings schlug die sogenannte Dienstwohnungsaffäre. Hier schaltete sich die Kommunalaufsicht des Kreises Wittmund ein und konstatierte einen Verstoß gegen das sogenannte Mitwirkungsverbot.
Kurz: Frau Horn gefiel eine Dienstwohnung nicht, weil auch andere Mitarbeiter in dem Haus gewohnt hätten. Es gab eine andere Wohnung, die war allerdings einer langjährigen Mitarbeiterin zugesagt. Das passte Heike Horn offensichtlich nicht, es gab eine andere Bewerberin: sie selbst.
Auf der Internetseite des Kreises Wittmund ist nachzulesen: "Unzulässiger Weise hatte sie (Heike Horn) an der Beratung mitgewirkt. Sie war zudem während der Beratung und Beschlussfassung im Raum. An der eigentlichen Abstimmung hatte sie laut dem vorliegendem Protokoll der Sitzung allerdings nicht mitgewirkt. Durch den Beschluss hat sie einen unmittelbaren Vorteil erlangt, da sie sich auf die zu vergebende Wohnung beworben hatte und der Beschluss in der Folge nur auszuführen war."
Die Langeoog News schildern den wohl lautstarken Ablauf so: "Anonyme Quellen berichten unserer Zeitung, dass sie sogar außerhalb des Saals klar vernommen hätten, dass der Bürgermeisterin diese Entscheidung nicht zusagt. Auch anwesende Ausschussmitglieder sagen später, dass es eine „schwierige Sitzung“ gewesen sei. Anscheinend so schwierig, dass das Ergebnis zurückgezogen und einer anderen Bewerberin die Wohnung zugesprochen wird: Horn selbst. Das Geschehen wurde uns gegenüber von mehreren Quellen bestätigt."
Noch eine Ungereimtheit. Für die neue Wohnung mussten Handwerker anrücken. Noch einmal Langeoog News: "Heike Horn, Bürgermeisterin von Langeoog, legt Wert auf die Feststellung, dass nicht sie persönlich eine Bestellung von Türen und Fenstern für die Dienstwohnung ausgelöst hat. Nur die Verwaltung der Insel vergibt und erteilt den Auftrag für solche Arbeiten. Der Ehemann von Frau Horn ist selbstständiger Handwerker und hat einen solchen Auftrag von der Verwaltung erhalten."
Am Ende zog Heike Horn nicht in die Wohnung an der Hafenstraße ein. Gleichwohl sah man in Wittmund Klärungsbedarf. Die Internetseite der Kreisverwaltung: "Am 21.02.2023 fand ein Gespräch zwischen dem Landkreis als zuständiger Kommunalaufsichtsbehörde und Frau Bürgermeisterin Horn statt, um die betreffende Angelegenheit zu erörtern. Frau Horn wurde dabei ausdrücklich auf die Einhaltung der Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes hingewiesen, wie die Kreisverwaltung weiter mitteilt."
Warum sich in Lüneburg die von Kämmerer Matthias Ring geleitete Auswahlkommission für Heike Horn entschied, und der Verwaltungsausschuss das laut interner Vorlage bestätigte, dürfte Fragen aufwerfen. Die Bewerbungsfrist für die Stelle war. je nach Lesart seit Ende Juli, spätestens aber seit September abgelaufen. Heike Horn meldete ihr Interesse er im November an.
Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch kannte Frau Horn durch das Bürgermeisterinnen-Netzwerk Niedersachsen, ein Bild zeigt die beiden zusammen im Herbst 2023 vor dem Lüneburger Rathaus. Das habe keine Rolle gespielt erklärt das Rathaus. Ob andere politische Verbindungen eine Rolle spielen? Frau Horn stand als Parteilose an der Langeooger Verwaltungsspitze. Allerdings ist ihr Mann Mitglied bei den Grünen, wie auf der Seite der Wittmunder Grünen nachzulesen ist. Ein grünes Parteibuch besitzt auch Claudia Kalisch.
Die FDP hat Akteneinsicht beantragt. Vielleicht können die Liberalen einige Fragen klären.
Die Sitzung beginnt am Donnerstag um 17 Uhr im Kulturforum Gut Wienebüttel. Carlo Eggeling
Kommentare
am 19.12.2024 um 11:37:27 Uhr
Die Aufsicht über kommunale Finanzen des niedersächsischen Innenministeriums hat im August 2022 entschieden, dass dieser Ratsbeschluss nichtig war, weil er nicht einen Beschluss des Verwaltungsausschusses aufheben durfte und zudem vorhergehenden Beschlüssen zur Umsetzung des Fahrradstraßenrings widersprach.
Ein Esel stößt sich nicht zwei Mal am selben Stein ... aber Esel sind nicht so dumm, wie es der Volksmund ihnen unterstellt.
am 20.12.2024 um 14:50:06 Uhr