Lüneburg, am Donnerstag den 08.05.2025

Das Rathaus liefert Kultur

von Carlo Eggeling am 14.12.2024


Meine Woche
Theater

Kulturableiter am Rathaus? Den hat der Spötter und Dichter Heinrich Heine vor zwei Jahrhunderten bei Besuchen seiner Familie in Lüneburg ausgemacht. Vorbei. Heute kann die Stadt lustig. Comedy. Die Stadt stellt eine neue Leiterin für das Kultur- und Sportamt ein. Heike Horn bringt allerdings eine Tragikomödie mit. Sie hat sich als Bürgermeisterin auf Langeoog abwählen lassen, unter anderem aus gesundheitlichen Gründen. Als alte Lüneburgerin möchte sie nun zurück. Vorhang auf.

Nachdem ich eine Kurzkritik zum Stück "Überraschende Personalie" geschrieben hatte, rauschte der Blätterwald, an der Küste wunderte man sich sehr, der NDR stieg ein, auch die Landeszeitung meldete sich nach drei Tagen zu Wort. Die Kurzfassung der Inszenierung: Frau Horn war überfordert, Bauten wurden nicht fertig auf Langeoog, mehr als ein Dutzend leitende Mitarbeiter verließen die Verwaltung in ihrer Amtszeit, sie sei zu wenig auf der Insel gewesen, heiße dort DiDo, weil sie nur von Dienstag bis Donnerstag an der Nordseeküste mit plattdeutschem Strand weilte.

Während Heike Horn als Intendantin im Friesischen als Fehlbesetzung gilt, sieht man's an den Gestaden der Ilmenau anders. Starbesetzung, obwohl sich im Lebenslauf der Betriebswirtin außer der Leitung einer Volkshochschule nichts Kulturelles findet.

Tschingderassabumm, der nächste Akt. Extra für die Aktice verlängerte das Rathaus das Bewerbungsverfahren, das laut Ausschreibung im Juli endete -- die Neue bewarb sich erst im November. Von 25 Bewerberinnen waren zwei übrig geblieben plus Frau Horn. Die bekam einen Vertrag angeboten. Zwei Jahre Elternvertretung mit, laut Ausschreibung, Chance auf Übernahme und Sprung ins Beamtenverhältnis.

In der Auswahlkommission soll sich Impresario Matthias Rink für sie eingesetzt haben. Später im Verwaltungsausschuss soll er erklärt haben, es gehe um seine Ehre als Personaldezernent. Ein bisschen Drama. Auf Nachfrage sagt er: Der Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen, sei eher allgemein zu verstehen. Aha.

Was jeder macht, bevor er ins Theater geht, nämlich im Internet zu schauen, ob die nächste Kulturveranstaltung passt, machen sie das im Rathaus nicht. Nee, sagt der Buchhalter. Die LZ zitiert Rink so: "Frau Horns frühere Aufgaben als Bürgermeisterin spielen nur im Hinblick auf ihre Erfahrung eine Rolle. Wir bewerten darüber hinaus keine subjektiven Einschätzungen anderer und betreiben auch keine Social-Media-Recherche, denn das könnte zu massiven Fehleinschätzungen führen." Zumindest mit der Politik ist sich Matthias Rink einig. Die schafft es auch nicht, bei Google zu schauen. Der Verwaltungsausschuss stimmte einhellig zu.

Noch etwas zum Nachdenken, Theater bildet schließlich. Frau Horn fühlte sich überlastet, mit der Verwaltung der 1800-Seelen-Gemeinde. Hier ist sie nun für 100 Kollegen verantwortlich. Da sei etwas anderes, sagt das Rathaus: "Diese Intensität (auf Langeoog) war für Frau Horn nicht mehr dauerhaft leistbar. Die Leitung eines Fachbereichs setzt auch Intensität und Hingabe voraus, aber nicht in dem Ausmaß." Leidenschaft mit Thermostat.

Wir kommen zum dritten Akt. Die die Theaterchefin tritt aus der Kulisse. Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und Frau Horn agieren gemeinsam im Bürgermeisterinnen-Netzwerk Niedersachsen. Ein Foto zeigt die beiden im Herbst 2023 vertraut vor dem Lüneburger Rathaus. Man habe Kontakt, mehr nicht, heißt es. Selbstverständlich habe das bei Bewerbungsfristen und so weiter keine Rolle gespielt.

Was passiert jetzt? Jetzt bekommt unser Stück etwas fürs Herz. Sollte es die Aufführung in die nächste Ratssitzung schaffen, nämlich wenn ein Dringlichkeitsantrag gestellt wird, dürfte der Justitiar unser Rathausbühne zig Gründe anführen, warum so ein Antrag formal irgendwie nicht geht. Verständnis und vermutlich Szenenapplaus von den Parteifreunden der Oberbürgermeisterin.

Die wiederum, jetzt wird's gefühlig, dürfte sich -- mehrfach erfolgreich erprobt -- vor ihre Mitarbeiter stellen. Das wirkt heldinnenhaft, lenkt davon ab, dass sie die Verantwortung für das gesamte erste Haus am Platz führt und mit Kritik eigentlich sie gemeint ist. Dann werden wir hören, dass Heike Horn, die ihren Job auch aus gesundheitlichen Gründen aufgab, schwer beschädigt werde durch so eine Debatte und dies gemein, fast niederträchtig sei. Journalisten eignen sich in diesem Zusammenhang bestens als Schurken.

Was können wir vom Rats-Ensemble erwarten? Mutmaßlich, dass viele Verständnis zeigen und ebenfalls alles fies empfinden. Damit kommen wir zu einer Musicaleinlage. Ich vermute, eine Stimme dazu gab es schon, bei der CDU den schönen Udo-Lindenberg-Titel: "Einer muss den Job ja machen." Also Schwamm drüber. Die FDP will mal ein bisschen Held sein, sie hat Akteneinsicht beantragt.

Vielleicht melden sich unerwartet weitere Helden. Die könnten rechtlich prüfen lassen, ob das Auswahlverfahren korrekt lief. Kann eine Verwaltung zwei geeignete Bewerber zur Seite schieben, die sich in der Frist gemeldet haben? Wer hat Frau Horn empfohlen? Welche Qualifikationen bringt sie mit, reichen die im Vergleich zu den Konkurrenten?

Open End? Wer weiß. Es bleibt zunächst Bert Brecht und sein Guter Mensch von Sezuan: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen." Kulturableiter? Comedy geht. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Bernd Tollmann
am 14.12.2024 um 12:16:54 Uhr
Den unterlegenen Bewerbern bleibt der Weg der sog. Konkurrentenklage, wo das Verwaltungsgericht am Ende das gesamte Verfahren prüft. Inkl. Fristen und der Bewertung von Eignung, Leistung und Befähigung im Vergleich der Mitbewerber. Wollen wir hoffen, dass ein oder beide unterlegene Bewerber darauf zurückgreifen.
Kommentar von R. Löser
am 14.12.2024 um 13:40:26 Uhr
"Wollen wir hoffen, ..."

Wer ist "wir", Bernd Tollmann?

Sie?
Kommentar von Bernd Tollmann
am 15.12.2024 um 15:41:20 Uhr
Hallo, Er Löser, natürlich hoffe ich das für Frau Horn. Damit nichts an ihr hängen bleibt, Wenn das Einstellungsverfahren noch einmal untersucht wird und festgestellt wird, ja, die Frau Horn hat tatsächlich das beste Ergebnis bei der Auswahl erzielt, ist es für sie sehr positiv. Jeglicher Anschein von Inkorrektheit wäre weg und Zweifel an ihrer Eignung, Befähigung und Leistung wären dahin. Komisch finde ich im Übrigen, dass hier geschrieben wird, dass unter Ihrer Leitung mehr als 1 Dutzend führende Mitarbeiter gekündigt haben (gewiss sind Versetzungen damit auch gemeint). Nur : Bei einer 1800 Seelen Gemeinde mit zugegeben in der Saison tausenden mehr, allein ein Dutzend „leitende“ Mitarbeiter…. Da sind ja bei der Samtgemeinden Scharnebeck nur wenig mehr Angestellte, als auf Langeoog „Leitende“. Auch komisch irgendwie.
Kommentar von B.Börgmann
am 16.12.2024 um 14:28:56 Uhr
Moin Herr Tollmann,schön dass Sie dieser Frau so den Rücken stärken.
Hören Sie sich doch mal auf der Insel um.
Mein Mann und sein Chef waren 2 von den führenden Personen!! Und "Nein", Verletzungen waren keine dabei. Ich könnte diese alle namentlich benennen.Mal ganz abgesehen von anderen Mitarbeitern, die die Betriebe der Insel verlassen haben - wegen dieser Frau.
Die Berichte in den Zeitungen, drücken nur annähernd ihr "Machtgehabe" während ihrer Amtszeit auf Langeoog aus.
Grüße aus Langeoog
Ich hoffe,
Kommentar von Bernd Tollmann
am 18.12.2024 um 16:13:40 Uhr
Hallo nach Langeoog, Frau Börgmann, der Text war an Herrn Frau Löser gerichtet und sehr ironisch gemeint. Von Verletzungen steht da nichts. Ich sehe die Einstellung der DiMiDo Dame auch kritisch und als Seilschaft von Frauen für Frauen an. Grüße auf die Insel und schöne Weihnachten


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