Lüneburg, am Sonntag den 29.06.2025

Den Täter auf der Daten-Spur -- mit Video 

von Carlo Eggeling am 05.08.2024


Polizei fischt mit neuem Netz im Netzwerk der Kinderpornografie

Die Datenmenge erschlägt: 4.700 Terabyte sogenannter kinder- und jugendpornografischer Bilder und Videos hat die Polizei im vergangenen Jahr in Niedersachsen laut Innenministerium ausgewertet. Zur Einordnung: Eine Festplatte besitzt in der Regel einen Speicherplatz von einem Terabyte. Schaut man auf das Jahr 2020 zurück, entspricht dieser Wert einer Verdopplung. Die Polizeidirektion Lüneburg geht seit Juli einen neuen Weg um mit dieser Datenflut klarzukommen, am Dienstagmittag stellte sie ihren Ansatz vor.

Und der sieht auf den ersten Blick aus wie eine Werkstatt in irgendeinem Computerladen: Aufgeschraubte Handys und Rechner, Bildschirme, Analysegeräte. Das Besondere ist die Idee dahinter: Zur Direktion zählen organisatorisch sechs Inspektionen. Dort sitzen Beamte, die bei Verdächtigen sichergestellte Speichermedien auswerten, eben Computer, Festplatten, Sticks und Handys. Die Polizisten in Lüneburg oder Stade beispielsweise sind über ein Netzwerk mit der neuen Zentrale in Lüneburg verbunden. Quasi per Ferndiagnose können die Spezialisten in die Geräte blicken und ihren Kollegen bei der Auswertung helfen.

 

Im "Zentrallabor IT-Forensik" arbeiten unter der Leitung von Oliver Schäfer drei Polizisten und, wenn alle da sind, sieben IT-Experten, die aus der freien Wirtschaft kommen. Die "Techniker" müssten eben keine Beamten sein, betonten Polizeivizepräsident Jens Eggerglüß und Florian Bernert, Chef der Zentralen Kriminalinspektion (ZKI). Bernert verspricht sich von der Zentralisierung einen "sichtbaren Effekt in der Beschleunigung von Verfahren". Denn heute dauern Ermittlungen mit zehntausenden von Fotos und Videosequenzen oft sehr lang. Beamte müssen sich aufgrund juristischer Vorgaben jedes Bild ansehen und bewerten. 

 

Es spart schlicht Zeit, wenn etwa kein Kollege aus Rotenburg mit beschlagnahmten Tablets oder Laptops nach Lüneburg zur Auswertung fährt, sondern die Ermittler per Datenleitung quasi nebeneinander sitzen können. Im Zweifel kann sich in eine Videokonferenz ebenfalls die Staatsanwaltschaft einklinken und informieren.


Die Sachbearbeiter in der Zentrale sowie in den Inspektion werten die schlimmen und gewalttätigen Aufnahmen freiwillig aus, wer möchte, kann psychologische Hilfsangebote nutzen.

Lüneburg ist niedersachsenweit mit diesem "Netzwerk" in der Pole-Position, andere Direktionen befänden sich im Aufbau solcher Labore, erklärte die Polizei. Man könne an der Ilmenau auf Datenverbindungen und Technik aus anderen großen Verfahren zurückgreifen, die den Start erleichtern.

 

ZKI-Leiter Bernert kündigte an, was naheliegt: Das Werkzeug für die virtuelle Welt eben auch für andere Verfahren zu nutzen. Die ZKI verfolgt schwerste Kriminalität, also organisierte Banden und Organisationen, im Staatsschutz auch Delikte, die in den terroristischen Bereich fallen. 

 

Zu den Zahlen: In Niedersachsen registrierte die Polizei 2018 exakt 913 Fälle von Erwerb und Verbreitung kinderpornografischer Inhalte, 2023 waren es 6855. Die PD führte 2022 692 Verfahren, 2023 waren es rund ein gutes Drittel mehr, nämlich 1086. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Täterzahlen rasant steigen. Das Innenministerium sowie die Polizei selber erklären bei der Vorstellung der Kriminalstatistik, dass sich die Rechtslage und das Anzeigeverhalten verändert haben: Die Bevölkerung sei sensibler geworden. Auch ermittelt die Polizei in Missbrauchsfällen und deren Folgen intensiver als noch vor Jahren. Zudem reichen US-amerikanische Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse automatisch an ihre deutschen Kollegen weiter.    Carlo Eggeling 

 

© Fotos: Carlo Eggeling


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