Lüneburg, am Mittwoch den 09.07.2025

Der alte Rhythmus des Lebens

von Carlo Eggeling am 16.01.2024


Lüneburger Gesichter + In einer lockeren Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor

Der Musik-Mann
Ulli Schröder betreibt seit 40 Jahren das Café Klatsch. Ein Besuch

Eigentlich war die Geschichte schon ein paarmal zu Ende: In den vergangenen drei, vier Jahren hatte Ulli Schröder immer wieder angekündigt, das Café Klatsch zu schließen. Verkaufen will er den Laden Am Springintgut weiterhin. Eine Million Euro. Die gibt ihm im Moment keiner. Das ist gut so. So bleibt eins der wenigen Lokale erhalten, in denen noch regelmäßig Bands auftreten. Am Samstag, 20. Januar, feiert das Klatsch seinen 40. Geburtstag.

Beschreibungen wie Legende und Kult sind so ausgelutscht wie ein altes Kaugummi. Also ein bisschen anders: eine Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart. Wie geronnene Zeit, mit Tresen-Trinkern, die genauso so lange dazu gehören wie die Plakate von Bob Marley, Jimmi Hendrix und Johnny Winter an den Wänden. Für die Stammgäste, die Ulli, ab und an Familie nennt, sei der Laden ein "Wohnzimmer". Wer die Räume für ein Fest bucht, kann schon mal erleben, dass die Frauen und Männer trotzdem einen Platz haben müssen.

Das hängt wohl mit Ullis Leben zusammen. Studiert hat er Lehramt, bei Politik und Geschichte etwa zur Arbeiterbewegung ist er gut im Thema. An der Pädagogischen Hochschule bekannten sich damals viele zu einer der linken Splittergruppen. Der Name Café Klatsch erklärt, worum es zu Beginn mit Siegfriede Reiß und anderen gehen sollte: "Wir wollten etwas Gemütliches, ein Buchladen, Wolle und Kerzen verkaufen, um 18 Uhr sollte Schluss sein." Ulli lacht: "Das hat sich alles nicht gerechnet." Anderer Ansatz: "Kneipe, länger öffnen, Livemusik." So wie es beim Vorgänger Kaleidoskop lief.

Der erste Gig startete mit Kalle Fricke und Fredy Hullerum, Kalle macht sich heute rar, Fredy, streitbarer Rechtsanwalt, ist noch immer unterwegs. Clowns und Helden um Carsten Pape rockten "Ich liebe Dich", bevor sie in der ZDF-Hitparade auftraten. Kommt drauf an wie man zählt, aber seit dem 20. Januar 1984 dürfte es auf der Bühne, die aus weggeräumten Tischen besteht, zwischen 2000 und 3000 Auftritte geben haben.

Am Anfang stand Ulli, der vor dem Studium Großhandelskaufmann gelernt hatte, selber hinter dem Tresen. Das ging irgendwann nicht mehr: "Es war ein Fulltime-Job mit 48-Stunden-Schichten. Denn in seinem Hauptberuf arbeitete er in einem Heim für sogenannte schwer erziehbare Jugendliche: "Ich kam gut mit denen klar."

Der Job passte und passt zu Gästen. Damals wie heute kommen psychisch angeschlagene Menschen, die in der Psychiatrischen Klinik behandelt werden, daneben sitzt der Alt-Freak neben dem Angestellten und dem Unternehmer. "Es war immer ein Mischmasch", sagt Ulli. In der letzten Zeit habe es sich etwas verändert: "Ist bürgerlicher geworden, sogar Profs von der Uni kommen."

Reich werde er nicht, sagt der 72-Jährige. "Eigentlich habe ich eher minus gemacht, aber seit 1995 gehört mir die Immobilie." Die ist so etwas wie ein Sparschwein. Ulli ist gesundheitlich angeschlagen, ein Verkauf wäre eine Art Zusatzrente. Doch es klingt wie eine Nebensache, so viel Musik, so viele Freunde, so viel Herz: "Es ist ein soziales und kulturelles Projekt."

In einer der drei Wohnungen lebt er selbst, zwei seien für eher kleines Geld vermietet. Wenn er bei Konzerten Eintritt nimmt, "habe ich ein soziales Auge" -- wer wenig hat, zahlt ein bisschen weniger.

Musik. Darum geht's. Eine Ankündigung für Abi Wallenstein hängt an der Tür, "der Vater der Hamburger Blues-Szene", Jahrgang 1945, muckt einmal im Jahr im Klatsch. Steve Baker kommt mit seiner Mundharmonika, und der Gitarrist Tom Shaka greift in die Saiten. Gage überschaubar, es ist die Atmosphäre. Dazu jede Menge Lüneburger Bands und Rocker: Blues Package, Jack‘s Hammer, Kapelle Roxy, What’zz Up, die Deputyz.“ Bis Ende April stehen fast zwanzig Konzerte an.

Am Samstag gratulieren viele Freunde: Kai und Felix Bergen, Willy Gaida, Tabbel Dierßen Janice Harrington, Werner Gürtler, Chris Thornton, Jimmy Green, Peggy „Soltoros“ Sunday, Art Regis, Eggo Fuhrmann und und und. Der Eintritt ist frei.

Ulli, Glückwunsch und schenk‘ uns noch ein paar Jahre das Klatsch. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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