Lüneburg, am Sonntag den 06.07.2025

Der Himmel über Lüneburg

von Carlo Eggeling am 05.07.2025


Der Himmel über Lüneburg
Der Luftsportverein feiert morgen seinen 75. Geburtstag. Ein historischer Blick auf den Flugschreiber und ein Tag der offenen Tür

Die Kinder bekommen schulfrei, denn sie sollen Ungewöhnliches bestaunen: Flugmaschinen. Am 23. und 24. Juni 1911 landen und starten die tollen Kisten an der Lüner Rennbahn. Flieger machen Station beim Deutschen Rundflug. Die Stadt steht kopf, was für ein Abenteuer!, notieren die Lüneburgschen Anzeigen tags zuvor: Der Pilot sei jedes Mal vom Tode bedroht. Was heute Alltag ist, war damals eine Sensation. Eine Dragonerkapelle spielt, trotz Regens drängen sich die Zuschauer.

Was vor gut einem Jahrhundert so ungewöhnlich war, gehört zur Stadt. Der Lüneburger Luftsportverein feiert am Sonntag, 6. Juli, von 10 bis 17 Uhr sein 75-Jähriges Bestehen.

Los ging es mit der Vereinsgründung am 22. Juni 1950. Modellbau-Freunde waren Paten des Luftsports. Der verstorbene Dieter Curdt hat sich lange mit der Geschichte der Luftfahrt an der Ilmenau befasst. Richard Meier, Vorsitzender des Verein, blättert in seiner dicken Chronik, um die „Luftsprünge“ zu dokumentieren.

Eine kleine Zeitreise. 1912 landet ein Zeppelin in Lüneburg. Es geht weiter. Denn was als Sport beginnt, erweckt schnell das Interesse des Militärs. Im ganzen Land. Im Ersten Weltkrieg werden Maschinen eingesetzt. In der Lüner Kaserne gab es von 1915 bis 1918 auf einem Exerzierplatz eine Landebahn. Als Adolf Hitler, später Reichskanzler und der Mann, der für den Zweiten Weltkrieg maßgeblich verantwortlich ist, 1932 in die Stadt kommt, um eine Rede auf dem MTV-Platz zu halten, reist mit dem Flugzeug an.

Die Nationalsozialisten steuern nach der Regierungsübernahme 1933 zügig in Kriegsvorbereitungen. Auch in Lüneburg. 1936 beginnt der Bau des Lüneburger Fliegerhorstes. Riesengroß, er reicht bis zur Dahlenburger Landstraße, die Straße nach Bleckede wird verlegt. 1939 ist alles fertig, noch heute erinnert der Tower an die Großmachtträume von einst.

Es endet in einem Albtraum. Europa liegt am Ende des angeblich Tausendjährigen Reichs nach zwölf Hagren Faschismus in Schutt und Asche. Am 18. April 1945 marschieren die Engländer in Lüneburg ein. Sie übernehmen auch den Flugplatz. Sie organisieren von hier aus Flüge mit Hilfsgütern ins zerbombte Berlin, berichtete Dieter Curdt von Jahren.

Es wachsen erste Kontakte zwischen Briten und Lüneburgern, die sich für die Fliegerei begeistern. Doch die Einheimischen müssen sich etwas einfallen lassen. Modellbau-Freunde leimen ihren kleinen Flugapparate zusammen, lassen sie an der Lindenstraße aufsteigen, Autos gibt es wenige. Die Minis sind Vorbild für Größeres. 1950 wächst aus der Keimzelle ein Trieb: Sie bauen ein Flugzeug, 1952 berichtet die LZ: "Nun fliegen sie wieder". Gemeinsam mit dem britischen "Gliding Club" können die Männer ihr selbstgebautes Flugzeug an der Lüner Rennbahn auf 250 Meter Höhe ziehen und dort ausklinken.

1957 bauen die Luftsportler eine Baracke am ehemaligen Fliegerhorst. Vereinsvorsitzender Meier erzählt, das sie bis heute auf dem Gelände der Rudolf Steiner Schule steht. 1959 und 1961 locken "Großflugtage" 40 000 beziehungsweise 80 000 Besucher an. Es werden "Zirkustage der Lüfte", Düsenjäger der Bundeswehr und Fallschirmspringer begeistern das Publikum.

1966 wird das Rollfeld zum Verkehrslandeplatz, Maschinen bis zu sechs Tonnen Gewicht dürfen landen. Die Stadt wächst, das Gewerbegebiet Hafen entsteht, der Fliegerhorst wird überall angeknabbert. In den 1980er Jahren beginnt, was Meier einen ständigen "Überlebenskampf des Vereins" nennt: Anwohner nervt der Lärm, die Gefahr abstürzender Maschinen. Ein paarmal krachen Flugzeuge herunter. Ein spektakuläres Beispiele: 2021 plumpst eine Maschine auf eine Halle, der Pilot wird leicht verletzt.

Ein Schlag ist die Herabstufung zum Sonderlandeplatz. Die Zahl der Starts und Landungen wird begrenzt. Denn es sind nicht nur die Vereinsmitglieder, die Lüneburg ansteuern, auch Geschäftsleute kommen, Fliegen statt Stau auf der Autobahn. Meier erinnert sich: 2014 gibt es Pläne für eine eine Asphaltlandebahn. Sie versanden. Dann Kehrtwende im Rathaus: Der Pachtvertrag der Flieger soll nicht verlängert werden, der Platz wäre auch als Ansiedlungsfläche für Unternehmen heißbegehrt.

Der Verein organisiert Protest. Unterschriftenaktionen mit der Frage: Soll die Stadt den Pachtvertrag verlängern? Laut wie ein Propeller schallt es mit großer Mehrheit: Ja. Weiteres Hickhack, die Pacht soll auf 150 000 Euro im Jahr erhöht werden. Das wäre einer Bruchlandung mit Totalschaden für den Verein gleichgekommen. Der wehrt sich mit dem Hinweis: Wir machen ein Wahlkampfthema daraus. Heute zahlt man laut Meier 20 000 Euro im Jahr und sammelt Landegebühren für Motormaschinen von 30 Euro pro Flug ein, ein Teil geht an die Stadt.

Meier hat im Blick, dass der Vertrag 2035 ausläuft, er will nach der Kommunalwahl im kommenden Jahr gute Konditionen für seine 120 Mitglieder und 40 Freunde im Förderverein aushandeln. Der Verein selber investiert kräftig: Eine E-Ladestation für Flugzeuge und weitere für Autos, dazu eine Photovoltaikanlage werden gebaut.

16 Flugschüler zählt der Verein. Mehr gehe nicht, sagt Meier. Die Ausbildung erfolge ehrenamtlich: "Wir haben eine Warteliste." Überhaupt gehöre es dazu, mit anzupacken, um vereinseigene Maschinen, Gelände und Gebäude in Ordnung zu halten. Das ist so wie vor einem Dreivierteljahrhundert als alles begann. Meier lächelt: "Sonst geht das hier nicht." Carlo Eggeling



* Am Sonntag, 6. Juli, stellt sich der Verein vor mit seinen Sparten Segel, Motor-, Motorsegler und Ultraleicht-Flug, dazu kommen der in Lüneburg stationierte Feuerwehrflugdienst, der nach Waldbränden schaut, und die Bundeswehr und und und.

© Fotos: ca


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