Lüneburg, am Dienstag den 20.05.2025

Der Kampf für Demokratie

von Carlo Eggeling am 19.11.2023



Lüneburger Gesichter (54) -- In lockerer Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor
Ein Kampf für Menschenrechte: Heidrun Kort-Schütt kämpft mit Amnesty International für politisch Verfolgte, die Lüneburger Gruppe besteht seit 50 Jahren

"Wer schweigt, wird mitschuldig", überschrieb Carola Stern im Dezember 1972 einen Artikel in der "Zeit". Heute sagt ihr Name nur wenigen etwas, doch über Jahrzehnte gehörte die Autorin und Journalistin zu den Stimmen der Republik, auf die das Land hörte. Auch Heidrun Kortz-Schütt. Ihr imponierte die Frau, die 1961 mit anderen die Deutsche Abteilung von Amnesty International gründete, einer Organisation, die sich weltweit für politisch Verfolgte einsetzt. Das sei noch immer nötig, findet Heidrun Kortz-Schütt. Seit gut vier Jahrzehnten macht sie in der Lüneburger Gruppe mit. Sie nennt die türkische Rechtsanwältin Eren Keskin, eines ihrer „Vergehen“: die angebliche „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation".

Heidrun Kort-Schütt: „Sie ist unser aktueller Fall. Sie setzt sich für Kurden und Kurdinnen ein, engagiert sich für die Rechte von Frauen, unterstützt die Opfer von sexueller Gewalt und Folter im Gefängnis. Mehr als 120 Gerichtsverfahren wurden gegen sie bis zum heutigen Tag eingeleitet. Bisher Sie wurde 27 Jahren Haft verurteilt, und es drohen ihr weitere Haftstrafen. Noch ist sie in Freiheit. Wir fordern von den zuständigen Politikern, die Schikanen gegen Frau Keskin zu beenden. Wir schicken persönliche Botschaften an Frau Keskin, um ihr unsere Solidarität zu bekunden.“

Heidrun Kort-Schütt sitzt im Café Bernstein und erzählt davon, dass sich im Kern ein gutes Dutzend Lüneburger zusammenfindet, um zu helfen. Ihr wichtigstes Instrument ist die Öffentlichkeit. Deshalb ist die Gruppensprecherin enttäuscht, dass der 50. Geburtstag der Gruppe an der Ilmenau kaum Resonanz in den Medien fand.

Sie hatten eingeladen zum Fest in die Herderschule mit der Band Tuten und Blasen. Dabei gab es noch etwas zu feiern, und daher war die Schulaula mit Bedacht gewählt: Seit 25 Jahren besteht am Gymnasium eine Anmesty-Gruppe. "Acht bis zwölf Mädchen und Jungen machen mit", bilanziert die Gruppensprecherin für das vergangene Vierteljahrhundert. Das sei wichtig, weil es den Aktivisten nicht anders geht als anderen Vereinen: "Wir finden kaum Nachwuchs." Auch bei den Schülern sei es so, dass viele zum Studieren wegziehen und damit hier nicht mehr mitarbeiten.

Sie selber habe angefangen "als junge Mutter mit einem Kind", erzählt die 77-Jährige. Damals wie heute sei es darum gegangen, für uns Selbstverständliches zu bewahren oder zu schaffen: das Recht seine Meinung zu sagen und beispielsweise seine Religion zu leben. Das sei in vielen Ländern nicht möglich, im Gegenteil: "Folter und Todesstrafe herrschen in vielen Staaten wie im Iran, Irak und China."

Es ist das mühsame Kleinklein, das helfen soll. Die Gruppen wie in Lüneburg machen nicht nur auf Prominente aufmerksam, die in Zellen und Lagern sitzen, sondern ebenfalls auf die, deren Namen nur wenige kennen. Sie schreiben an die Staaten, bemühen sich um Berichte in den Medien. "Die, um die es geht, brauchen das Wissen, dass sie nicht vergessen sind, dass man sich für sie einsetzt", sagt die ehemalige Sozialarbeiterin. "Wir lassen euch nicht alleine, selbst wenn wir vielleicht nichts erreichen können." Denn die Erfolgsquote, also dass Menschen wieder in Freiheit gelangen, "liegt bei 30 bis 35 Prozent".

Es ist nicht nur Amnesty allein, aber die Organisation steht auf der Seite derer, die nicht schweigen, auf der Seite derer, die für Demokratie kämpfen. Welch großen Wandel es geben kann, zeigt sich unter anderem in Spanien. Als die Lüneburger 1973 begannen, betraf ihr "erster Fall" einen Zeugen Jehovas, der in Spanien im Gefängnis saß, weil er wegen seines Glaubens keinen Wehrdienst ableisten wollte. In Spanien brach die faschistische Franco-Diktatur zusammen, das Land gehört heute zur Europäischen Union.

So macht Heidrun Kort-Schütt weiter mit ihren Mitstreitern. Sie sammeln Spenden, laden gemeinsam mit Künstlern zu Konzerten und Lesungen ein, planen Veranstaltungen, um zu informieren. Im kommenden Jahr soll es Gottesdienste in Deutsch Evern und in St. Nicolai geben. Nach 50 Jahren haben sie genug zu tun, die Welt ist hier und da besser geworden, aber eben nicht überall. Auch in Deutschland wollen sie beharrlich bleiben, im Grundgesetz steht ein wichtiger Satz, der eine Verpflichtung ist: Politisch Verfolgte genießen Asyl. "Ich mache weiter", sagt Heidrun Kort-Schütt. Der Satz von Carola Stern, der sie motivierte, gelte immer noch: "Wer schweigt, wird mitschuldig." Carlo Eggeling

© Fotos: ca / Amnesty


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