Der Pinkler
von Carlo Eggeling am 23.10.2024
Es passiert immer wieder und Geschäftsleute reagieren fassungslos: Ein offenbar verwirrter Mann -- wie neulich gesehen -- pinkelt gegen die Schaufensterscheibe eines Cafés mitten in der Stadt. Nachdem er vertrieben wurde und ein paar Eimer Wasser die Hinterlassenschaften verflüssigten, tauchte er hundert Meter entfernt wieder auf. In einem Geschäft, zwischen Regalen und Ware, das gleiche Spiel. Der Chef ruft die Polizei. Die Beamten reagieren nach Wahrnehmung des Unternehmers eher hilflos: "Das sei eine Ordnungswidrigkeit, sie könnten nichts tun."
Eben das beschreibt die Rechtslage. Polizeisprecher Kai Richter sagt, dass man Vorgänge zusammentrage und der Justiz weitergebe, die entscheide dann. Doch das, was bislang geschah, reiche nicht für eine Zelle oder eine Unterbringung in der Psychiatrischen Klinik.
Es ist eine Endlosschleife, in der sich die Streifen letztlich immer wieder verheddern: Ein gutes Dutzend Auffällige beschäftigt die Wache stets und ständig: Ladendiebstähle, provokantes Verhalten -- eine Mischung aus Droge, Alkohol und psychischen Erkrankungen. In Summe fällt der Kuddelmuddeln einfach gesagt so niederschwellig aus, dass es nicht reicht, um jemanden festzusetzen. Daran, so heißt es von Polizeipraktikern, werde auch ein von der Oberbürgereisterin gewünschtes aufgepepptes Ordnungsamt nichts ändern, die Mitarbeiter hätten keine anderen Befugnisse und Möglichkeiten.
Ein paar Recherchen zum durch Lüneburg streifenden Mennecken Pis. Ergebnis: Der Mann soll 26 Jahre alt sein und gilt als staatenlos. Eigentlich soll er in einer Unterkunft im Landkreis leben, doch lieber campiert er in Hauseingängen in der Stadt. Seine Deliktzahl soll ansehnlich sein, aber über Ladendiebstahl geht es wohl nicht hinaus. Gewalt von seiner Seite soll es nicht gegeben haben.
Er gilt als "Nervsack" der Außengastronomie, weil er pöbelt und sich öffentlich mit offener Hose präsentiert und regelmäßig selbst Hand anlegt. Wirte vom Sand berichten, dass sie den Mann mehrfach vertrieben haben.
Bleibt das Prinzip Abwarten und Geduld wie bei einem anderen "Kunden". Der soll bis zu 150 Ladendiebstähle begangen haben. Kleine Vergehen. Die Staatsanwaltschaft sammelte, klagte im Frühjahr an. Erwartungsgemäß kam der Junkie nicht zur Verhandlung ins Amtsgericht. Anlass genung für den Richter einen Haftbefehl zu erlassen, um den Mann in den Saal zu bekommen. Kurz darauf hatte der Angeklagte eine neue Adresse in bester Lage, allerdings wenig freizügig: der Knast am Markt. Carlo Eggeling
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