Der Wiedergänger — Hindenburg lebt
von Carlo Eggeling am 22.07.2025Aufgespießt
Hindenburg ist nicht vergangen
Mit Geschichte ist es schwierig. Manche wollen, dass sie geht, um keine Verantwortung zu übernehmen, für andere ist das kein Weg, Verdrängen helfe nicht, Vergangenheit bedeute Perspektive. Der Blick zurück nach vorn hat ein eigentümliches Wort geschaffen: Erinnerungskultur. Kultur ist ja ein weites Feld, um mit Theodor Fontane zu sprechen, meint qua Definition die verschiedenen Formen menschlichen Daseins. Also eigentlich alles und nichts. Der Gegenbegriff wäre Natur, die eben nicht menschgemacht ist.
Klar, eine lange Einleitung. Aber was ist das an der Hindenburgstraße, die nun wie vor einem Jahrhundert wieder Gartenstraße heißt, obwohl bei einer Umfrage der Stadt die Mehrheit der Anwohner für seit Jahrzehnten geltenden Titel plädierte. Der Name des ehemaligen Reichspräsidenten und seine Verwicklungen in den Nationalsozialismus sei so belastet, dass er weg müsse, befand eine Mehrheit im Stadtrat. Warum man zuvor die Bürger befragte, wenn die Entscheidung schon feststand, bleibt eins der Mysterien politischer Prozesse.
Ob das viel mit Kultur oder mit zu wenig nachdenken zu tun hat, bleibt dahingestellt. Zeigt aber, wie wankelmütig Kultur je nach Weltbild ausfallen mag.
Nun also Gartenstraße. Oder doch nicht? Es scheint Ewiggestrige zu geben oder gar Widerständler? Eine bedeutende Frage des Lüneburger Selbstverständnisses. Wäre das nicht ein Fall für den eigens von der Verwaltungschefin eingerichteten Fachbereich "Stadtgeschichte und Erinnerungskultur"? So ein bisschen lichtstark mit ordentlich Lux das Geschichtsverständnis der Philosophen Friedrich Hegel und Karl Marx lokal auszuleuchten: Geschichte wiederhole sich, schreibt Marx, "das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce".
Eben das finden wir an der Hindenburg-, nee, Gartenstraße, oder irgendwie beides? Selbst wenn das Rathaus neue Straßenschilder montiert hat, der olle Hindenburg ist nicht vergangen. Mindestens zweimal ist er noch zu finden. Ist das Tragödie oder Farce? Was sagt der Fachbereich Erinnerungskultur? Oder ist es schlicht egal? carlo
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