Der neue Untermieter
von Carlo Eggeling am 19.11.2024Wer hat genug Platz, um ein Gemeindezentrum unterzubringen? Aus dem Stadtteil Neu Hagen und darüber hinaus ist die Paul-Gerhardt-Gemeinde nicht wegzudenken, doch nun müssen Diakonin Antje Stoffregen und ihre haupt- und 120 ehrenamtlichen Mitstreiter vorübergehend eine neue Bleibe finden. Denn Handwerker gestalten den Komplex an der Bachstraße um. Kindertafel, Hausaufgabenhilfe, Angebote für Senioren und Zugewanderte, all das braucht in wenigen Monaten einen anderen Platz.
Wie berichtet, funktioniert auch in Neu Hagen Kirche nicht mehr so wie gewohnt. Dort hat sich die Gemeinde ein Herz gefasst, sie baut Gotteshaus und die Gemeinderäume aufwendig um. "Im Mai haben wir den Bauantrag eingereicht", sagt Antje Stoffregen. Man hoffe, die Baugenehmigung in den kommenden Wochen zu erhalten. Doch bei allen Planungen habe man festgestellt, dass es eben nicht geht, während der Arbeiten im Gebäude zu bleiben. Zu laut.
Der Wunsch: In einem Umkreis von 500 Meter wäre eine Bleibe ideal. Das Gebäude soll mindestens 200 Quadratmeter Fläche besitzen und braucht Saitäranlagen. Küche und Inneneinrichtung könne man mitnehmen. "Wir haben gesucht, aber nichts gefunden", sagt Antje Stoffregen. Deshalb startet die Gemeinde einen neuen Aufruf, um eine Immobilie zu finden. Ende März müsse man raus, in den Osterferien sollen Bauarbeiter anrücken. Klappe das alles nicht, wären Container eine Alternative, aber die unbeliebteste: "Das ist sehr teuer."
Zur Erinnerung: Mit 3,1 Millionen Euro veranschlagen Planer die Kosten, ein Drittel soll von Landeskirche und Kirchenkreis fließen, weitere Fördermittel möchten die Verantwortlichen aus Förderprogrammen einwerben, eine Viertelmillion Euro kommen aus dem Sparstrumpf der Gemeinde. Noch offen sind rund 400 000 Euro, die über Spenden zusammenkommen sollen.
Letztlich teilt sich das sechs Jahrzehnte alte Zentrum künftig. Der Kirchentrakt mit dem Gottesdienstraum steht für die tägliche Arbeit zur Verfügung, etwa für das Angebot der Kindertafel. Auf der Empore finden beispielsweise kleine Räume für individuelle Sprachangebote und Co-Working Platz. Der zweite Trakt, in dem heute Räume der Kindertafel und Wohnungen für Mitarbeiter liegen, wird abgetrennt. Vier Wohnungen bieten später Heimat für Menschen, die nicht viel Geld haben, ein Fahrstuhl macht quasi die mobiler, die nicht gut zu Fuß sind.
Die Mieten sowie das zur Verfügungstellen von Räumen für Konzerte, Treffen, Seminare oder einen Geburtstag sollen Mittel bringen, um den Umbau und die Arbeit der Gemeinde zu finanzieren.
An der Ecke Bach- und Bunsenstraße ist zu beobachten, vor welcher Herausforderung die Kirche generell steht: Einerseits laufen ihr die Mitglieder davon, sie muss sparen und schrumpfen, um finanziell zu überleben; anderseits ist die Botschaft Jesu Christi gefordert: Nächstenliebe.
Immer mehr Menschen aus aller Welt und verschiedener Religionen kommen nach Deutschland, sie brauchen Hilfe, um sich zurechtzufinden, die Sprache zu lernen. Einheimische Familien sind überfordert, schaffen es nicht, ein Mittagessen auf den Tisch zu bringen, Kindern beim Lernen zu helfen. Senioren leben einsam in Wohnblocks, wenn der Partner gestorben ist und der Nachwuchs weit weg lebt.
Der Staat und die Kommune fangen nicht alles auf, die Gesellschaft ist gefordert. Das haben sie in Hagen schon vor langem erkannt und reagiert. Inzwischen machen 120 Ehrenamtliche mit, um Gymnastik, ein Kaffee-Mobil, einen Eltern-Kind-Treff und eine Rikscha anzubieten, die Interessierte abholt. Und längst sind die Bänke vor der Kirche zum Dorfplatz geworden -- das warme Herz von Hagen. Carlo Eggeling
Wer helfen kann: antje.stoffregen@evlka.de
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