Lüneburg, am Freitag den 26.04.2024

Die 30-Grad-Regel

von Carlo Eggeling am 24.05.2023


Der Sommer beginnt, uns warm zu umarmen, es dürfte in den kommenden Wochen noch leidenschaftlicher, spricht heißer werden. In jedem Jahr melden sich vermeintliche Tierschützer zu Wort, die behaupten, die beiden Lüneburger Kutschenbetriebe würden ihre Pferde über Gebühr belasten und in der prallen Sonne schuften lassen. Von beiden Unternehmen heißt es, es gebe keine Beanstandungen seitens der Behörden. Trotzdem soll es in diesem Jahr gemeinsam mit der Stadtverwaltung vereinbarte Regeln geben: Zeigt das Thermometer morgens um zehn bereits 35 Grad im Schatten an, gibt es keine Fahrten. Werden morgens um zehn 30 Grad gemessen, sollen die Tiere überwiegend im Schatten bewegt beziehungsweise bei Pausen dort stehen. Begonnene Touren dürfen beendet werden. Erlaubt sind maximal drei Rundfahrten pro Tag, wo bei die Betriebe in der Regel nur zweimal mit denselben Tieren fahren, heißt es sowohl von Andreas Gensch als auch von Elli Rühle, die seit Jahren im Geschäft sind.

Im Rathaus sagt Sprecherin Ann-Kristin Jenckel: "Die beiden Kutschbetriebe in Lüneburg bleiben mit den Einsätzen ihrer Tiere schon immer weit unter dem, was gesetzlich zulässig ist. Pro Tag führen sie maximal drei Fahrten pro Gespann durch, die maximal eine Stunde dauern. Inklusive der jeweiligen Pausen zwischen jeder Fahrt von 30 Minuten kommt es daher zu einer maximalen Einsatzzeit von vier Stunden pro Tag." Erlaubt während nach einem Erlass des Landes maximale Gesamteinsatzzeiten von acht Stunden pro Tag, die Betrieb lägen also deutlich darunter.

Gleichwohl habe man gemeinschaftlich handeln wollen, berichtet die Sprecherin: "Nachdem das Thema aber von der Tierschutzorganisation PETA Deutschland an die Hansestadt herangetragen wurde, haben sich Stadt und Kutschbetriebe im Einvernehmen darauf verständigt, eine Zusatzvereinbarung zu fixieren, um deutlich zu machen, dass sehr hohe Standards und eine besondere Sorgfaltspflicht bei den hiesigen Kutschfahrten gelten."
(Achtung: Das Procedere finden Sie am Ende des Textes.)

Kutschentouren sind gut gefragt, sagt Judith Peters, sie leitet die Tourist-Information. Familien mit Kindern, Leute, die nicht so gut zu Fuß sind, aber selbstverständlich auch Urlauber, die Lust auf eine Rundfahrt haben, würden das Angeot gut nutzen.

Eli Rühle ist seit 2014 mit Kutschen in der Stadt unterwegs, am Anfang mit Jens Bußmann, der inzwischen auf Juist lebt. "Die Pferde sind fit, die Fahrten machen uns allen Spaß", sagt die 37-Jährige. Zwei Touren fahre sie pro Tag, die seien mal vorher gebucht, mal könnten Gäste so zusteigen. Von ihren fünf Pferden, mit denen sie zwischen Rettmer und Häcklingen lebt, zögen nur zwei die Kutsche. Die kommen nach der Arbeit auf die Weide, an zwei Tagen in der Woche haben Alex und Alaun frei.

Für sie ist klar, das sie bei Temperaturen von 30 Grad im Schatten nicht mehr zur Stadtführung mit Hufgeklapper aufbricht. Generell halte sie wie auch ihre Kollegin Michaela Gensch, die zweite Frau im Job, die mit ihrem Mann Andreas den zweiten Lüneburger Kutschenbetrieb führt, genug Wasser für die Tiere parat, und für Pausen suche man sich Schattenplätze.

Andreas Gensch sagt, dass auch sein Unternehmen reichlich zu tun habe. Er fährt mit einer Elektrobahn für Center Parcs in Bispingen, seine Frau Michaela sei in Lüneburg mit der Kutsche gut ausgelastet.

Hintergrund
Auf eine Anfrage erklärt die Stadtverwaltung die geltende Rechtslage:
>> In Niedersachsen gilt für Kutschbetriebe grundsätzlich der Runderlass „Gewerbsmäßige Unterhaltung eines Fahrbetriebes mit Zugtieren“ des ML (Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz). Hier werden insbes. Regelungen zu den täglichen Gesamteinsatzzeiten der Gespanne sowie zu Pausen und zur Einhaltung einer ungestörten Futter- ­­­­­und Wasseraufnahme der Pferde, insbesondere bei Erreichen von Temperaturen jenseits der 30 Grad Celsius, getroffen. Vorgegeben ist u.a. eine maximale Gesamteinsatzzeit von 8 Std./Tag für besonders beanspruchte Zugtiere (bspw. für den Einsatz auf harten Straßenbelägen). Ebenso sind mindestens zwei Pausen von jeweils einer halben Stunde täglich einzuhalten. Für den Fall, dass die Außentemperatur ab 10 Uhr morgens kontinuierlich Werte von über 30 Grad Celsius erreicht, sind spätestens alle zwei Stunden entsprechende Pausen einzulegen und dafür Schattenplätze aufzusuchen.
Nun haben die Betriebe und die Verwaltung in Lüneburg eine Zusatzvereinbarung getroffen. Diese sieht verschärfte Regelungen für Fahrten bei hohen Temperaturen vor, die über den o. g. Erlass hinaus gehen. Diese Selbstverpflichtungserklärung verpflichtet die Kutschbetriebe zur Einhaltung der folgenden drei Regelungen:

1. Die aktuelle Maximalanzahl von 3 Fahrten/Tag (insgesamt 4 Std./Tag) (je Gespann) wird nicht überschritten.

2. Erreicht die Temperatur ab 10:00 Uhr morgens kontinuierlich Werte von über 35°C im Schatten, finden keine Fahrten statt.

3. Erreicht die Temperatur ab 10:00 Uhr morgens kontinuierlich Werte von 30°C bis 35°C im Schatten, verlegen die Kutschbetriebe ihre Fahrten nach Möglichkeit auf die frühestmöglichen Uhrzeiten, um die Tiere geringstmöglich zu belasten.

Zur Überprüfung der Temperatur lässt die Stadt ein Thermometer anbringen. Dieses wird sich auf der Strecke der Kutschfahrten befinden, so dass die Kutschbetriebe bei Bedarf die Temperatur regelmäßig ablesen können. Carlo Eggeling

Einen Teil der Fotos stellt freundlicherweise der Grafiker Thomas zur Verfügung.

© Fotos: Laukat / ca


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