Die neue Chefin
von Carlo Eggeling am 24.09.2024Lüneburger Gesichter (66) In einer lockeren Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor
Beruf und Berufung
Susanne Rust leitet den ASB
Die Karriere dürfte Seltenheitswert besitzen: vom Erste-Hilfe-Kursus auf den Stuhl der Geschäftsführung des Lüneburger Arbeitersamariterbundes. "Ich habe für ein Pharmaunternehmen gearbeitet, da mussten wir einen Kurs machen", erinnert sich Susanne Rust. Das war vor reichlich zwanzig Jahren. "Mich hat das Helfen fasziniert, also habe ich weitergemacht." Sie ließ sich zur Sanitätshelferin ausbilden. Alles neben ihrem Beruf. Dem Ehrenamt blieb sie treu. Schließlich wechselte sie die Seiten, seit dem Frühjahr ist sie Chefin des ASB, einem Betrieb mit mehr als 200 hauptberuflichen Kollegen und 120 Ehrenamtlichen. Sie löste Harald Kreft ab, der in Rente ging.
Die 58-Jährige verdiente ihr Geld als Pharmareferentin. "Ich war viel unterwegs. Ich hatte Termine in Dublin, von da ging's nach Malta." Irgendwann verlor sie den Spaß: "Ich wollte abends zu Hause sein, und vor allem wollte ich keine Arbeit mehr mit nach Hause nehmen." Sie bildete sich weiter, durchlief neben der Arbeit eine Ausbildung für den Rettungsdienst, ihre neue Arbeit.
Sie verdiente zwar weniger, aber sie kam zufrieden heim. Die Familie nahm ein Kind mit Behinderungen auf. "Das alte Konstrukt funktionierte nicht mehr", sagt sie. Statt bei Not- und Unfällen parat zu stehen, nutzte sie ihr kaufmännische Wissen, sie ging in die Verwaltung des ASB. Als 2014/15 die erste sogenannte Flüchtlingswelle Europa und Deutschland erreichte, machte sie wieder einen Schritt: Sie übernahm für den ASB die Leitung der Unterkunft in Woltersdorf im Kreis Lüchow-Dannenberg.
Als Assistentin der Geschäftsführung unterstützte sie Kreft, bereitete alles für Verhandlungen mit Kostenträgern vor. "Nun verhandle ich selbst", sagt sie. Es geht um den Rettungsdienst, um Tageseinrichtungen, ambulante Pflege- und Unterstützungsangebote. Und jedes Mal geht es um Geld: Kranken- und Pflegekassen hinterfragen Kalkulationen, gucken, wo sie Kosten niedrig halten können.
Sie sieht die wirtschaftliche Seite, sie sieht ihre Kollegen, die mehr verdienen wollen, die mehr Personal möchten, die eine gute Ausrüstung fordern. Sie lächelt und sagt: "Am Ende muss jeder das Gefühl haben, er hat gewonnen." Das ist selbstverständlich schwierig, deshalb entlastet es sie, dass Tarifververhandlungen ausgegliedert sind. Eine Betriebsvereinbarung sehe vor, dass Gehälter an die Vorgaben für den Öffentlichen Dienst angelehnt sind.
Wie andere soziale Organisationen kann der ASB mehr Fachkräfte brauchen. "Wir bekommen es zwar hin, aber wenn mehrere Leute krank werden, ist es schwierig." Notfallmanagement. Aufgaben müssten verschoben werden, einen Patienten könne man beispielsweise einen Tag später duschen, aber: "Pflege findet natürlich statt."
Der ASB bedeutet aber mehr als medizinische Arbeit. In der Mischung Profis und Ehrenamt pflegt man ein gutes Miteinander. Susanne Rust strahlt und man versteht, warum ihr Seitenwechsel glücklich macht: "Wir sind eine große Familie, das macht es aus." Da ist der lange Weg zur Arbeit eine erträgliche Last, die Familie lebt mit Pferden nahe Hannover auf einem Resthof. "Mein Elternhaus."
Noch einmal zu den Flüchtlingen. 2001 gründete der Lüneburger ASB ein Gesundheitszentrum im westafrikanischen Gambia mit, inzwischen ist es eine Klinik geworden. Lüneburger sind bis heute Dippakunda aktiv. Das Angebot ist vorbildlich und wichtig für das Land mit einem Gesundheitssystem, das von Mangel geprägt ist. Susanne Rust sagt: "Was wir da machen, ist auch ein Bekämpfung von Fluchtursachen." Carlo Eggeling
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