Die Retter des alten Lüneburgs
von Carlo Eggeling am 02.02.2024Ein halbes Jahrhundert gute Lüneburger Geschichte ++ Der Arbeitskreis Lüneburger Altstadt feiert 50. Geburtstag
Es braucht Menschen, die den Wert des Bekannten erkennen, die einen Blick für vergangene Schönheit besitzen, die zupacken: All das verbindet sich im Arbeitskreis Lüneburger Altstadt. Im Februar feiert der ALA seinen 50. Geburtstag. Lüneburg sähe anders aus, hätten die Mitglieder des ALA nicht immer wieder gegen den Abriss alter Häuser gekämpft, hätte der Verein nicht über die Jahre rund eine Million Euro gespendet für den Erhalt und die Restaurierung kleiner Kostbarkeiten wie Deckenmalereien in der alten Musikschule, historische Türen, Verzierungen. Aber es gab auch große prägende Objekte.
Vieles verbindet sich mit dem Namen Curt Pomp, der im vergangenen Sommer kurz vor seinem 90. Geburtstag starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als viele Städte zerbombt waren, radelte der 1933 in Böhmen geborene Pomp durch Deutschland. Auch in Lüneburg machte er Station, war gefangen von der Anmut. Als er später in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste Gold- und Silberschmied sowie Grafik und Bildhauerei studierte, kam er oft zum Zeichnen an die Ilmenau. 1966 zog er in die Altstadt, die damals als Schandfleck galt. Es gab keine Kanalisation, durch den Salzabbau sackte der Boden, rissen Häuser, bekamen bedrohlich Schlagseite. Arme Leute hausten hier eng an eng. Er nannte das Karree "Nachtjackenviertel".
Wer sich für fortschrittlich hielt, das waren viele, gerade im Rathaus, versprach die angebliche Moderne. Aberwitzig erscheinende Pläne prägten das Stadtgespräch: die Altstadt abreißen, um Stellplätze für Autos anzulegen, aus dem Glockenhaus ein Parkhaus machen, unter den Markt eine Tiefgarage setzen. Pomp scharte Gleichgesinnte um sich. Den damaligen LZ-Chefredakteur Helmut Pless lobte er, gemeinsam sei es gelungen, rund 11 000 Unterschriften gegen den Bau der unterirdischen Parkplätze zu sammeln. „Danach war das Projekt politisch tot“, sagte Pomp. Doch der ALA musste auch Rückschläge verkraften. Jahr für Jahr dokumentierte der „Abriss-Kalender“, den Adolf Brebbermann beeindruckend detailgetreu zeichnete, welche Häuser plattgemacht worden waren.
Einen der größten Kämpfe führte der ALA an der Grapengießerstraße, und konnte sich nicht durchsetzen. In den 80er-Jahren hat dort ein Braunschweiger Investor ein Kaufhaus gebaut. Dafür fielen Häuser oder wurden ausgeschlachtet. Alle Kritik verhallte, Politik, Wirtschaft und auch die Baugewerkschaft waren sich einig, dass das Kaufhaus ein Gewinn für Lüneburg werden würde. Erst kam Dykhoff und ging pleite, Peek & Cloppenburg folgte, wanderte zum Markt, Leerstand, nun ein anderer Händler. Der Charme von einst ist kalter Sachlichkeit gewichen.
Pomp hat mitgerissen. Der ALA, 600 Mitglieder stark, hat den Alten Kran gerettet, als er umzukippen drohte. Straßenlaternen in der Stadt hat Pomp entworfen. Der Verein gehörte zu den Initiatoren des Salzmuseums, das bis heute jedes Jahr Zehntausende Besucher lockt. Er stand Pate für Ewer und Prahm, hat den Gipsofen am Kalkberg restauriert und ausgebaut, in dem der Naturschutzverband BUND informiert.
Eigene Projekte kommen dazu, den Kapitelsaal, es sind Überreste des alten Klosters an der Michaeliskirche, buddelten die Mitglieder im Wortsinne aus. Der Speicher Am Iflock dient heute als Lager, Fundus für Kostüme und Museum einer großen Sammlung uralter Formsteine. Und selbstverständlich gehören auch die dazu, die lädierten Häusern in der Stadt ihre Anmut und ihren Charme wiedergegeben haben. Sie haben mit angepackt, oft unterstützt von Curt Pomp und Volker Reinshagen und deren Büro für Restaurierung ARB.
Längst ist der ALA in städtischen Gremien wie dem Bauausschuss vertreten, auf seinen Rat wird gehört, wenn es um Veränderungen im Straßenbild geht. Publikationen zu Hausforschung und Stadtgeschichte wurden mit Hilfe des Vereins veröffentlicht. Das Heft "Aufrisse", das seit 1976 erscheint, ist ein Forum für Bauhistorie und Denkmalpflege.
In diesem Jahr plant der ALA eine Ausstellung zur eigenen Geschichte im Heinrich-Heine-Haus, dazu kommt im Spätsommer die Alte Handwerkerstraße, zu diesem Datum soll eine Festschrift erscheinen.
Heute steht dem Verein als Vorsitzende Inga Whiton vor. Carlo Eggeling
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