Die, um die es geht, hatte man im Rathaus irgendwie vergessen
von Carlo Eggeling am 02.11.2023Der Stadt ist eine Überraschung gelungen, zumindest auf dem Markt: Da waren die Händler erstaunt, als sie von Kunden auf eine Internet-Umfrage des Rathauses angesprochen wurden. Über ein Marktforschungsinstitut will die Verwaltung in Erfahrung bringen, was Kunden auf dem Wochenmarkt vermissen und was sie sich wünschen. "Mit uns hat niemand über die Umfrage gesprochen", sagt Cord Wöhnecke. Der Vorsitzende des Marktvereins reagierte verblüfft, als er am Montag einen Anruf von LA erhielt: "Wir haben ja die Stände wieder um- und anders aufgestellt, da war die Umfrage kein Thema im Rathaus." Am Mittwoch gab es vor dem Rathaus auf Nachfrage überall dieselbe Antwort.
Auf Nachfrage räumt die die Verwaltung ein: "Über den Start der Umfrage haben wir die Marktbeschicker:innen nicht informiert. Das ist einem internen Abspracheproblem geschuldet. Wir haben uns dafür ausdrücklich bei Herrn Wöhnecke entschuldigt." Generell aber basiere die Befragung auf einem Förderprogramm, das ist "seit 2021 bekannt mit dem Ziel, ein 'Zukunftskonzept Wochenmarkt' zu entwerfen. Es gab dazu im September 2021 einen entsprechenden Ratsbeschluss. Auch im Rahmen der Sitzungen des Beirats Innenstadt war das Zukunftskonzept Wochenmarkt regelmäßig Thema."
Gleichwohl scheint man in der entsprechenden Abteilung des Rathauses etwas hinterherzuhinken und unter Druck zu stehen, denn es heißt in der Antwort an LA auch: "Leider ist die Zeitschiene mit Blick auf das Ende des Förderzeitraums sehr ambitioniert, daher gab es auch die Idee der Online-Umfrage." Was wiederum erstaunt, denn Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch hatte in ihrer Pressemitteilung betont, wie sehr ihr das Treiben vor ihrem Büro am Herzen liegt: "Unser Wochenmarkt ist das Herz der Innenstadt und versorgt uns alle frisch. Ich freue mich deshalb auf frische Ideen für den Wochenmarkt der Zukunft."
Die Meinungsforscher wollen von den Kunden unter anderem erwartbare Dinge wissen: Sind Sie mit dem Angebot zufrieden? Was fehlt? Etwa bei Bio-Produkten, Backwaren und Fisch, die allerdings alle mehrfach vor dem Rathaus zu finden sind. Stichworte sind aber auch Sitzplätze und Verweilzonen, die es in der warmen Jahreszeit als Versuch bereits gab. Auch eine Ausdehnung der Öffnungszeiten in den Nachmittag und Abend wird abgefragt. Im einleitenden Text der Umfrage heißt es überdies, man überlege, das Lebensmittelsortiment zu erweitern und die Fläche zu vergrößern.
Auf dem Markt reagiert nicht nur Wöhnecke skeptisch, denn ihre Probleme benennen die Marktleute seit längerem: Es mangle schon jetzt an Personal, längere Öffnungszeiten könnten sie kaum abdecken. Zudem fehle der Nachwuchs, bei mehreren Kollegen sei absehbar, dass ihre Kinder die Betriebe nicht fortführen wollten. Einig ist man sich im zuständigen Ordnungsamt und auf dem Platz, dass es kaum noch Interessenten gebe, die Lücken schließen wollen. Es sei eher ein Glücksfall, wenn neue Betriebe versuchen Fuß zu fassen. Einige mit Erfolg, doch andere stecken nach ein paar Monaten wieder auf.
Weitere Fragen von LA an die Stadt und deren Antworten:
?? Es war im Gespräch, mehr kulinarische Angebote zu machen. Bleibt es dabei? Hat man die heimische Gastronomie dazu befragt?
>> Dies kann, muss aber im Konzept nicht mitentwickelt werden. Das hängt ganz von den Ergebnissen der Umfrage und der Beteiligung ab. Die vorhandenen Ideen dazu können mit in das Konzept einfließen oder auch unabhängig davon weiterverfolgt werden. Auch die Gastronomen werden selbstverständlich beteiligt und sind mit im Boot.
?? Im Wahlkampf gab es die Idee einer Markthalle wie etwa im Bergmann-Kiez in Berlin. Wird so eine Idee auch verfolgt?
>> Auch diese Idee kann im Rahmen des Konzeptes und der Ideenfindung mit aufgenommen werden.
?? Wie werden die Marktbeschicker eingebunden?
>> Die Umfrage dient der Bedarfs- und Nachfrageanalyse, die wiederum Grundlage für den weiteren Prozess ist, in den selbstverständlich sowohl die Marktbeschicker:innen als auch weitere relevante Innenstadtakteur:innen und externe Expert:innen eingebunden werden. Der Gesamtprozess ist also noch ganz am Anfang. Die Marktbeschicker:innen werden intensiv in die Diskussion zum „Zukunftskonzept Wochenmarkt“ eingebunden – u.a. im Rahmen eines geplanten Workshops am 5.12. Zu diesem Termin werden die Marktleute von der Stadt zeitnah eingeladen. Im Rahmen von Gesprächsleitfaden-Interviews mit einigen Marktbeschicker:innen sollen sie besonders beteiligt werden. Die Ergebnisse dieser Interviews werden in die Konzepterstellung einfließen.
Für die Finanzierung des Projekts hat die Stadt Zuschüsse eingeworben: "Gefördert wird diese Erstellung des Konzepts vom Förderprogramm 'Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren' des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung." Carlo Eggeling
Kommentare
Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.