Dreimal Abschied — Uli, Rudi, Lella
von Carlo Eggeling am 27.10.2024Man hört oder liest es, es ist wieder jemand gestorben. Nicht so bekannt, dass es für einen Nachruf in der Zeitung reicht, allenfalls Traueranzeigen. Kannte ich, wann haben wir uns eigentlich noch gesehen? Ging mir in den vergangenen Monaten ein paarmal so. An drei möchte ich erinnern.
Vor eineinhalb Wochen hörte ich, dass mein Stammtisch-Kumpel Uli Adam seinen Krankheiten erlegen ist. 67 ist er geworden. Selbstverständlich hat unsere Runde eine Anzeige aufgegeben. "Wir halten Dir Deinen Platz in unseren Herzen und an unserem Stammtisch frei", haben wir geschrieben. Gefühlt kannten Ulrich und ich uns vier Jahrzehnte, aus alten Zeiten am Stint, in der Kneipe Rumpelkammer waren wir und andere zusammen. Als wir Kinder bekamen, waren auch die ab und an dabei. Bier und Wasser für Papas und Mamas, Malzeug für die Kleinen.
Uli arbeitete als Rechtspfleger beim Amtsgericht, ich ging zur Zeitung. Wir hatten beruflich zu tun: Insolvenzverfahren, Zwangsversteigerungen. Wenn Uli vorn saß, wo sonst ein Richter Platz nimmt, erklärte er sehr verständlich wie ein Verfahren läuft, immer mit Witz bei aller Ernsthaftigkeit.
Der fröhliche Mann mit dem trockenen Titel Justizrat besaß einen guten Ruf bei Kollegen und Vorgesetzten, er bildete Nachwuchs aus, engagierte sich im Personalrat. Auch Insolvenzverwalter schätzten ihn, weil er bei allen Paragraphen ein praktischer Mann war. Und wie gesagt, Journalisten und Laien konnte er ein Verfahren gut erklären.
Lange zurück, da war Fußball in Adendorf eine Leidenschaft. Später liebte er es, mit dem Rennrad zu fahren. Lange Strecken durch den Landkreis, Wettbewerbe in Hamburg. Er erzählte von seinen Kindern, wie es die Zeit will, dann von den Enkeln.
Donnerstags trifft sich unsere Runde, Beamte, Arbeiter. Handwerker, Chemiker, Kino-Frau, Lebenskünstler, mal zehn, mal gut doppelt so viele. Uli gehörte fest dazu. Humor, derb und deftig, dann sehr überlegt und klug. Manchmal haben wir uns gekappelt, ich bekam den Titel „Medienlümmel". Sparclub-Essen, Radtouren, Grillen an Geburtstagen, Kino-Tage mit unchristlichen Filmen an christlichen Feiertagen -- das gehörte und gehört dazu.
Uli fehlte immer wieder einmal. Chemo. Therapien, die anschlugen, aber irgendwie doch nicht so richtig. Er kämpfte, seine Frau Iris und die Familie war für ihn da, einige aus unserer Runde auch. Gedacht haben wir jeden Donnerstag an ihn. Jetzt bleibt sein Platz leer, sehr leer. Das Lachen fehlt, die Sprüche, das Dabeisein.
Uli, ich würde sagen, Du wartest irgendwo auf der anderen Seite auf uns, irgendwann treffen wir uns da wieder und lachen. Stammtisch eben. Der Familie viel Kraft.
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Schon im Juni ist Rudi Hinterseer gestorben. Fast drei Jahrzehnte prägte er von 1980 an für die Seminaris-Hotelgruppe einen Teil der Gastronomie. Bei Rudi feierte Lüneburg an der Heiligengeiststraße. Der Kronen-Wirt leitete das Lokal von 1989 bis 2002. Gäste schätzten seinen bayerischen Charme, deftig und gleichzeitig fein.
Später übernahm er andere Aufgaben als Restaurantleiter des Hotel Seminaris. Auch da galt er als freundlicher und kompetener Ansprechpartner. Wenn es etwas festlicher zugehen sollte, warf man sich für den Saal am Kurpark in Schale. Rudi gab vielen das Gefühl, es sei nicht nur ein Lokal, in dem man tafelt, sondern man besucht einen Freund.
Ich habe ihn ab und an getroffen, bei zig Veranstaltungen in der Krone und im Seminaris. Freundlich, ein Schalk, gern ein bisschen spitz zu Journalisten. Eine Bekanntschaft mit beruflicher Distanz, aber eine bei der ich immer dachte: "Ein Netter."
Gelernt hatte er in München Koch, er sammelte Erfahrungen als Kellner und Barkeeper. Er fuhr als Stewart zur See, war in einigen Häusern aktiv, bevor er an die Ilmenau kam. Mit 65 wechselte er 2009 in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde Joachim Prigge, auch ein prägender Mann in Lüneburgs gastronomischer Welt, er arbeitet heute im Adendorfer Castanea.
Um Rudi wurde es ruhiger. Auch Freunde hatten wenig Kontakt zu ihm. Ich habe ihn lange nicht gesehen, als ich hörte, er sei gestorben. Tschüss, Rudi.
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Ich weiß gar nicht mehr, wann und wie wir uns kennengelernt haben, gefühlt war es vor einer Ewigkeit. Mit Lella Luhmann habe ich gern im Wasserviertel kurz geschnackt. Sie lebte mit ihrem Mann Dieter im Haus der alten Braubier-Brauerei Luhmann, in dem heute das Pons Gäste bewirtet. Ihr Reich war das Antiquariat Pliniana mit vielen liebevoll gestalteten Kinderbüchern. Auch Lella ist gegangen.
Wir haben über das Wasserviertel gesprochen, von manchen lauten Nächten, aber auch von der wunderbaren Adresse, an der sie lebte. Sie hat mir manchmal Tipps für Themen gegeben. Bei einer langen, aufwendigen Recherche hat Lella mir geholfen. Da haben wir lange bei Tee zusammengesessen, und sie schilderte, wie sie im Medizinaluntersuchungsamt gearbeitet hatte. Natürlich kamen wir irgendwann über den berühmten Verwandten ihres Mannes, den Soziologen und Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann.
Lella gehörte zum Quartier; wir standen ab und an im Nudelkontor nebeneinander, trafen uns auch mal bei Brakels im Bremer Hof und immer wieder -- selbstverständlich -- an der Kaufhausbrücke. Lella, da halte ich dann vergebens nach Dir Ausschau. Mach‘s gut. Carlo Eggeling
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