Drogen in der Stadt. Reichlich
von Carlo Eggeling am 15.03.2024Der Zeitpunkt ist interessant: Die Polizei stellt am Donnerstag die Kriminalitätsstastik vor, am selben Morgen durchsuchen Beamte eine Spielhalle nahe des Karstadt-Parkhauses publikumswirksam. Zudem bekommt ein 30-Jähriger aus dem Umfeld der Halle einen Hausbesuch. Nach eigenen Angaben haben die Beamten sowohl im Schatten der Daddelkästen und bei dem Mann quasi die Parallelwährung der Drogenszene sichergestellt, nämlich "diverse Parfümartikel, Schmuck, Markenklamotten, technische Geräte, Werkzeug sowie zwei E-Scooter, die auch schon entsprechenden Diebstählen zugeordnet werden konnten". Geschätzter Wert: mehr als 5.000 Euro. Das zeigt, wie massiv Drogenabhängige offenbar in Geschäften klauen.
Die Aktion steht im Zusammenhang mit Razzien in und vor einer Kneipe nahe der St. Johanniskirche. Dass dort gedealt wird, gilt als stadtbekannt. Und erwartungsgemäß stellten Ermittler bei mehreren Personen einiges an Drogen sicher. Die Polizei macht Druck und zwar in zwei Richtungen: gegen Junkies, Dealer und Hintermänner und -- auch wenn das offiziell niemand bestätigt -- in Richtung Stadt. Denn im Rathaus fühlte man sich bisher wohl nicht besonders bemüßigt, in Sachen des Lokals tätig zu werden. Stichwort Konzession und Verlässlichkeit.
Nach der ersten Razzia fragte Lüneburg aktuell nach, ob die Verwaltung ordnungsrechtlich einschreiten wolle. Antwort am 12. Februar: "Es handelt sich um laufendes Ermittlungsverfahren der Polizei. Die Ergebnisse werden wir abwarten und anschließend mögliche Schritte prüfen." Erneute Nachfrage nach einer weiteren Aktion der Polizei, die Antwort am 5. März: "Die Hansestadt Lüneburg kommt selbstverständlich ihrer Verpflichtung nach, die ihr bekannten Vorkommnisse und gegebenenfalls ordnungsrechtliche Maßnahmen nach dem Niedersächsischen Gaststättengesetz oder der Gewerbeordnung zu überprüfen. Dabei befinden wir uns natürlich im engen und stetigen Austausch mit der Polizei."
Auf der Hude fragt sich allerdings mancher, warum die Stadt nicht längst eingeschritten ist, denn die Kneipe, die es seit zehn, zwölf Jahren gibt, gilt seit Jahren als Treffpunkt von Dealern. Das ist zu sehen, außerdem stehen Taten im Dunstkreis des Lokal regelmäßig im Polizeibericht.
Auch in der Vergangenheit hat die damalige Polizeiführung deutlich gemacht, dass ständige Kontrollen in der Stadt unter anderem das Ziel haben, durch die Überprüfung von Süchtigen und Kleindealern Strukturen zu erkennen, um so an die höheren Ebenen im Drogengeschäft heranzukommen. Bei der Pressekonfernz am Donnerstag hatten Polizeichefin Stefanie Lerche und Kripo-Leiter Holger Burmeister deutlich gemacht, dass sie seit langem mit anderen Behörden wie der Steuerverwaltung, Gewerbeaufsicht und Kommunen zusammenarbeiten, um die Strukturen organisierter Kriminalität zu durchleuchten und zu treffen. Immerhin gab es in den vergangenen zwei Jahren einige größere Drogenverfahren am Landgericht, einige endeten mit mehrjährigen Haftstrafen.
Das ist der eine Punkt. Doch was will die Sozialverwaltung tun, um der sichtbaren Drogenproblematik entgegenzuwirken beziehungsweise Hilfsangebote zu machen? In anderen Städten gibt es Aufenthaltsangebote und Druckräume.
Antwort aus dem Ressort von Sozialdezernent Florian Forster: "Schon seit Längerem liegt ein Konzept für ein Szenecafé vor. Der Lebensraum Diakonie hat ein entsprechendes Personalkonzept vorgelegt. Knackpunkt bleibt weiterhin die Suche nach einer geeigneten Immobilie. Florian Forster und seine Mitarbeitenden haben mehrere Objekte in der Innenstadt besichtigt. Mal waren die Räumlichkeiten nicht passend, mal scheiterte das Vorhaben am Vermieter. Wir wollen einen solchen Aufenthaltsraum weiterhin einrichten – brauchen dafür eben eine passende Immobilie." Thema war dies Anfang Dezember im Sozialausschuss.
Wie berichtet, kann ein Mitarbeiter des Herbergsvereins/Diakonieverbands, der die offene Szene der Junkies und Trinker etwa am Sand und in den Parks betreute, seinen Job nicht mehr machen. Er konsumiert selber Drogen, eine Ausbildung zum Sozialarbeiter fehlte ihm. Und nun? Antwort: "Aktuell befinden wir uns in einer Übergangsphase. Der Ausfall des auch in der Szene bekannten und angesehenen Streetworkers war natürlich ein herber Schlag. Mit dem Lebensraum Diakonie konnten wir eine Nachfolge ab dem 1. April klären. Künftig werden sich da dann zwei Mitarbeitende, die ihren Abschluss in Sozialer Arbeit gemacht haben und bereits Erfahrung in der aufsuchenden Sozialarbeit gesammelt haben."
Crack, eine Spielart des Kokains mit extremem Suchtfaktor, soll angeblich auch in Lüneburg auf dem Vormarsch sein. Das hatten Vertreter des Herbergsvereins kürzlich im Sozialausschuss erklärt. Die Polizei hingegen spricht von einzelnen Funden bei Junkies. Was sagt die Stadt? "Zahlen können wir dazu nicht liefern, wir beobachten das Problem aber mit großer Aufmerksamkeit und versuchen, mit aufsuchender Sozialarbeit zu unterstützen." Carlo Eggeling
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