Lüneburg, am Donnerstag den 05.06.2025

Duo soll 650 000 Euro erdealt haben

von Carlo Eggeling am 01.03.2023


Verbrechen lohnt sich nicht -- eine Weisheit, an der man Zweifel haben kann, wenn man auf einen Fall blickt, den die 1. Strafkammer am Landgericht Lüneburg bald verhandelt. Die Staatsanwaltschaft legt einem 26- und einem 31-Jährigen zur Last, "mit einem gesondert verfolgten Komplizen zwischen März 2021 und September 2022 zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts unter anderem in Hamburg und Lüneburg Drogen an- und verkauft und dadurch einen Betrag von rund 650 000 Euro erlangt zu haben".

Wenn sich bestätigt, was die Ankläger dem Duo und weiteren Beschuldigten vorwerfen, hat die Polizei im vergangenen September einen lukrativen Handel gestoppt. Die Ermittler hatten an mehreren Tagen Objekte in Lüneburg, Adendorf, Melbeck und Bardowick durchsucht und einiges eingesammelt: zwanzig Kilo Marihuana, Koks und Amphetamine, ein geschätzter Straßenverkaufswert von gut 200 000 Euro. Schon das legte nahe, dass die Gruppierung eine maßgebliche Rolle in der Region spielte.

Es bestätigte sich im Rahmen der weiteren Arbeit der Polizei: Anfang Februar gingen die Beamten in Uelzen gegen zwei 29 und 31 Jahre alte Brüder und ihre mutmaßlichen Komplizen vor. Sie gelten als wesentliche Akteure in der Drogenszene der Zuckerstadt -- die Polizei geht davon aus, dass sie auch mit den Lüneburgern zusammengearbeitet haben.

Zurück zu dem 26-Jährigen und seinem mutmaßlichen Mittäter. Mehr als 90 Beamte waren im vergangenen Herbst vorgegangen, sechs Männer wurden vorläufig festgenommen, gegen drei Männer im Alter von 26, 27 und 31 Jahre erließ das Amtsgericht damals Haftbefehle. Mindestens gegen die beiden jetzt Angeklagten blieben sie bestehen, sie sitzen in Untersuchungshaft. Der Prozess muss nun beginnen, um die Sechs-Monats-Frist einzuhalten, länger soll die Untersuchungshaft in der Regel nicht dauern. Drei, die man eher der unteren Ebene zuordnet, durften wieder gehen.

Die Fahnder rechnen das Sextett der sogenannten Clan-Kriminalität zu, die Männer gelten als gefährlich, denn im Einsatz waren vor Monaten Kräfte des Mobilen Einsatzkommandos, sowie Kollegen der robust ausgebildeten Verfügungseinheiten aus Lüneburg und Winsen sowie die Bereitschaftspolizei. Die Federführung des Verfahrens liegt bei der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Clan-Kriminalität in Stade. Das gilt ebenfalls für den Fall aus Uelzen. Im Nachgang wurde die Steuerfahndung tätig, sie überprüft offenbar die finanziellen Verhältnoisse von Angehörigen der Beschuldigten. Das wurde vor Wochen bei Durchsuchungen im Umfeld eines der Angeklagten deutlich.

Clan-Kriminalität ist ein umstrittener Begriff, zum einen, weil er manchen als rassistisch gilt, zum anderen weil es häufig eben nicht nur reine Familienverbünde sind, die kriminell agieren, sondern Zweckgemeinschaften, deren Akteure ihre Wurzeln in unterschiedlichen Kulturkreisen haben.

Das lässt sich an dem Mann festmachen, der als Haupttäter gilt: Der 26-Jährige mit kurdischen Wurzeln stand wegen der Schießerei von Kaltenmoor im April 2018 vor Gericht -- und wurde frei gesprochen. So soll der Grund für den blutigen Streit, bei dem ein Mann lebensgefährlich verletzt wurde, in missglückten Drogendeals liegen. Bei Ermittlungen und in Prozessen zeigte sich, dass dort Männer aufeinander getroffen waren, deren Familien aus unterschiedlichen Nationen stammen, die sich aber teilweise aus der Schule kannten und in enger Verbindung blieben. Wohl auch geschäftlich.

Die damalige Lüneburger Polizeiführung hat vor -- geschätzt -- zwei Jahren offiziell die "Ständige Ermittlungsgruppe für komplexe kriminelle Strukturen (SEG KKS)" eingesetzt. Doch die Chefs hatten lange zuvor Kollegen abgestellt, die Strukturen organisierter Kriminalität an der Ilmenau beobachten. Dafür nutzen die Beamten Aussagen, die sie von Junkies bei den vielen Straßenkontrollen einsammeln, die aus anderen Verfahren stammen, Geschäfte, die sich im Handelsregister und bei Immobilienverkäufen ablesen lassen. Daraus ergeben sich Vermutungen -- nicht alle werden zu Beweisen.

Manchmal wird, so legen es Recherchen nahe, um die Ecke ermittelt. Als die Polizei in einem anderen Verfahren vor Monaten eine Halle in der Goseburg wegen angeblich in einer Kneipe unterschlagenen Küchengeräten durchsuchte, traf es sich irgendwie, dass auch andere Mieter, die in der Halle aktiv sind. Dabei soll auch der 26-Jährige, der jetzt als Drahtzieher in den aktuellen Drogengeschäften beschuldigt wird, eine Rolle gespielt haben. Offiziell gab es dazu keine Erklärung.

Interessant ist in dem neuen Großverfahren, dass diesmal EncroChat, also die WhatsApp für Kriminelle wohl nicht die entscheidenen Hinweise geliefert hat. Bekanntlich konnten französische und holländische Ermittler Daten für sogenannte Krypto-Handys entschlüsseln und damit die Kommunikation von Verbrechern mitverfolgen. Sie ließen unter anderem deutsche Polizisten an ihrem Erfolg teilhaben -- die nutzen das und schlugen zu. In Lüneburg führte das Landgericht, auch die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Dr. Michael Herrmann, mehrere Prozesse, einige Angeklagte kassierten lange Haftstrafen.

Die Großverfahren sprechen dafür, wie intensiv die Polizei in diesem Bereich ermittelt. Auch unter dem neuen Kripo-Chef Holger Burmeister bleibt ein Schwerpunkt der Bereich Drogen. Und da hängt einiges dran, denn die Einnahmen fließen nach Auffassung von langjährigen Ermittlern in der legalen Wirtschaft. In Lüneburg dürfte es da nicht anders aussehen als in den Metropolen. Gastronomie, Immobilien, Baubranche, Schönheitssalons werden immer wieder genannt.

Der Prozess gegen die beiden Angeklagten startet am Freitag, 17. März, 9.30 Uhr am Landgericht. Weiter geht es erst knapp drei Wochen später am 5. April. Insgesamt hat die Kammer ein Dutzend Verhandlungstage bis Ende Juni angesetzt. Carlo Eggeling

Die Fotos (ca) zeigen Durchsuchungen aus dem vergangenen Herbst.

© Fotos: ca


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