Edeka-Wist schließt — Hundert Jahre Tradition enden
von Carlo Eggeling am 14.10.2024Nach mehr als 100 Jahren endet eine Tradition am Sand: Das Lebensmittelgeschäft Wist schließt Anfang kommenden Jahres. Inhaber Ernst Joachim Petersen ist 72 Jahre alt: "Allmählich merke ich mein Alter." Die Tage seien lang, von morgens um sechs bis abends halb sieben sei er -- mit Pausen -- im Laden. Seine Söhne, Arzt, Biologe und Betriebswirt, wollten das Geschäft nicht fortführen: "Die haben immer gesehen, wie viel wir gearbeitet haben."
Die Entscheidung sei ihm und seiner Frau Marita nicht leichtgefallen, doch "jetzt freue ich mich darauf, Rentner zu sein, auch wenn ich lernen muss". Die sechs Mitarbeiter habe er informiert, sie hätten sich in anderen Unternehmen beworben, einige wohl mit Erfolg. Gegründet habe sein Onkel das Geschäft, seine Eltern seien gefolgt. Um 1990 habe er übernommen, genau wisse er es gar nicht mehr. Ältere Kunden kennen sicher noch Petersens Mutter, die hochbetagt noch an der Kasse saß.
Wer in den Lebensmittelladen tritt, erlebt auch eine andere Zeit. Ein Detail: Die Mitarbeiter zeichnen die Ware noch immer mit einzelnen Preisen aus, keine Strichcodes an den Tüten und Verpackungen. Wist ist gefühlt seit einer Ewigkeit Teil des Platzes. Die berühmte Laufkundschaft kommt hier vorbei, dazu gern Ältere, die extra zum Platz kommen, um hier ihre Besorgungen zu machen. Es war immer Bewegung zu sehen zwischen Regalen, Theken und Gemüseabteilung, Anstehen an der Kasse.
Augenscheinlich hat sich aktuell etwas verändert: Es sind deutlich weniger Menschen im Laden. Petersen erklärt das mit der Baustelle an der Roten Straße und dem vollkommen gestoppten Busverkehr. Er schätzt den Umsatzrückgang auf bis zu 30 Prozent: "Bei gleich bleibenden Kosten." Er habe Kunden, die gezielt mit dem Bus aus den Stadtteilen zum Sand gefahren seien: "Raus aus dem Bus, bei uns einkaufen und wieder nach Hause."
Senioren und Menschen, die nicht gut zu Fuß seien. Die blieben aus oder kämen seltener. Die Stadt habe eine Woche bevor die Bauarbeiter anrückten, einen Zettel vorbeigebracht: "Von den länger dauernden Arbeiten habe ich in der Zeitung gelesen." Er gehe nun von vier Monaten aus: "Das ärgert mich schon." Das sei keine gute Informationspolitik, auch wenn er verstehe, dass die Reparaturen sein müssten.
Wie geht es weiter? Einen neuen Mieter habe er noch nicht, Edeka wolle die Flächen nicht übernehmen, berichtet der Kaufmann. Es dürfte also aller Voraussicht nach zu Ende gehen mit dem Lebensmittelhandel. Bleibt die Hoffnung, dass Lüneburg sein Potential gut nach außen trägt und Interessenten an die Ilmenau lockt und es keinen weiteren Leerstand gibt. Kleiner Tipp: Ein Einkauf bei Wist ist anders als in den Märkten am Stadtrand. Und wer's mag, dem seien die selbstgemachten Frikadellen empfohlen. Habe ich in der Vergangenheit in der Mittagspause am Schreibtisch sehr geschätzt. Carlo Eggeling
Kommentare
am 15.10.2024 um 09:45:53 Uhr
am 15.10.2024 um 21:11:18 Uhr
am 17.10.2024 um 21:44:31 Uhr
Als Jugendliche und in der Ausbildung als auch Später konnte man sich ein Brötchen schmieren lassen-immer frisch und freundlich
Ich werde es vermissen😥