Ein großer Lüneburger ist gegangen
von Carlo Eggeling am 08.10.2025Reiner Faulhaber war früh klar, wo er einmal hin wollte. Montags stand er vor der Tür des Oberstadtdirektors Dr. Walter Bötcher. Der Student verdiente sich ein paar Mark dazu im städtischen Gartenamt. Montags brachte Bote Reiner frische Blumen zur Sekretärin des Verwaltungschefs. So hatte Faulhaber die Geschichte vor langen Jahren erzählt. Es folgen einige Stationen bis er 1984 Oberstadtdirektor wird und das Amt bis 1996 inne hat. In seiner Zeit passiert viel, Konzerte mit Leonard Bernstein, Yehudi Menuhin, John Eliot Gardiner, die legendären Rock-Festivals Anfang der 1990er Jahre auf dem Flugplatz mit Tina Turner, Elton John, Rod Stewart, Joe Cocker und und und. Ein Mann von kleiner und fast zarter Statur, dessen Größe und Kraft Lüneburg viel gegeben hat. Jetzt ist er im Alter von 90 Jahren gestorben.
Geboren als jüngster von drei Söhnen in Oppeln in Oberschlesien geboren, flieht die Familie im Januar 1945 am Ende des verlorenen Krieges in den Westen in die Nähe von Cuxhaven. Umzug 1950 nach Lüneburg, der Vater arbeitet für die Bezirksregierung, 1956 baut Reiner sein Abitur am Johanneum. Musik und Theater faszinieren ihn, als Laienschauspieler zeigt er sein Können, den Geßler aus Schillers "Wilhelm Tell", nennt er "meine Paraderolle". Schauspieler ist zunächst sein Berufswunsch, es wird Jura. Das ist als Einnahmequelle sicherer und man lerne "Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden".
Als Referendar wirkt er am Amtsgericht Bleckede, verliebt sich in den Schlosshof, später entsteht aus der Verbundenheit der Bleckeder Frühling -- ein Musikfest. Der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Lambert Huys erkennt das Talent des jungen Mannes, er holt ihn in die Politik, bei einer Party im Haus Huys lernt Faulhaber seine spätere Frau Karin kennen. Auch sie wird Juristin und später Vorsitzende Richterin am Landgericht Lüneburg.
Es geht nach Bonn ins Innenministerium, Faulhaber organisiert die Umrüstung des Passagierschiffes Helgoland zum Hospital für den Vietnam-Einsatz. Innenminister Ernst Benda macht den Lüneburger zu seinem Pressechef. Die Mehrheit am Regierungssitz wechselt, auch Faulhaber wechselt . Zurück nach Lüneburg. 1974 übernimmt er das Amt des Kreisdirektors. Seine größte Herausforderung ist der Bruch des Elbe-Seitenkanals 1976, als er Menschen sieht, die sich auf Hausdächer flüchten, löst er den Katastrophenfall aus.
1984 nimmt er den Ruf ins Lüneburger Rathaus an, als Nachfolger von Oberstadtdirektor Hans-Heinrich Stelljes an der Spitze der Verwaltung. In seine Zeit fallen -- auch damals klagte man über leere Kassen -- Entscheidungen, die Lüneburg bis heute prägen. Die umstrittene Umsetzung des Verkehrsentwicklungsplanes, die aus Straßen Fußgängerzonen machte und Bussen Vorrang einräumte, das Klinikum wächst, das Kurzentrum ebenfalls, Lüneburgs Anschluss an die Autobahn wird gefeiert, die Restaurierung des Heinrich-Heine-Hauses am Markt leuchtet bis heute.
Faulhaber muss sich mit Ulrich Mädge arrangieren und der sich mit ihm. 1991 wählen die Lüneburger Mädge zum OB, damals ein Ehrenamt. Doch Mädge ist ein macht- und zielbewusster Mann. Die beiden reiben sich, doch empfinden Respekt für einander. Heute spricht Alt-OB Mädge warm und anerkennend über "Fauli", wie er überall hieß. Schließlich muss Faulhaber eine Niederlage einstecken -- 1996 wählen die Lüneburger den Sozialdemokraten ins Amt des nun hauptamtlichen OB, Christdemokrat Faulhaber geht. Mit Anstand und Würde.
Zu seinem 85. Geburtstag schrieb Antje Schäfer herzlich in der Landeszeitung: "Als er 1996 in den Ruhestand geht, hätte er natürlich noch mehr das Reisen, Wandern und die Kultur mit seiner Ehefrau in den Vordergrund stellen können. Aber -- welch Glück für andere -- er engagierte sich vielfältig ehrenamtlich, zum Beispiel als Vorsitzender des DRK, Ortsverein Lüneburg, Vorstandsvorsitzender der Loewe-Stiftung, Vorsitzender des Kuratoriums der Universitätsgesellschaft und in dem von ihm initiierten Förderkreis Theater. Für sein Wirken wurde er mit dem Ehrenring der Stadt Lüneburg und dem Verdienstkreuz des Niedersächsischen Verdienstordens ausgezeichnet."
Reiner Faulhaber war ein freundlicher und zugewandter Mann. Er schaffte es, bei Konflikten offen zu bleiben. Gab es ein Gewitter, weil ihm etwas nicht gefiel, war die Luft danach klar oder doch zumindest weniger schwer. Er wusste um seine Wirkung, er wusste um die Medien und vor allem um die Bedeutung der Lokalzeitung, die damals noch Bühne des Stadtgeschehens war.
Zwar vertrat er nach außen eine Weisheit aus seiner Bonner Zeit, die Alt-Kanzler Konrad Adenauer zugeschrieben wird: "Ich weiß gar nicht, was Sie sich über die Zeitung ärgern, wenn sie sich ärgern, wird schon die nächste gedruckt." Doch "Fauli" wollte durchaus gut „rüberkommen“. Das gelang nicht immer, er ärgerte sich, wusste aber, wer in der Zeitung steht, spielt eine Rolle. Sich gern mit Bild im "Blatt" zu sehen, das kannte die Redaktion vom Verwaltungschef. Als Kollegen ihn von einem Foto abschnitten, lernte er -- künftig stand er meistens in der Mitte eingerahmt von anderen.
Das Alter zeigte seine Spuren. Die geliebten Premieren im Theater konnte er nicht mehr besuchen, er musste sich sehr zurückziehen. Ein gewohntes, freundliches Gesicht fehlte und fehlt. Anteilnahme gilt seiner Frau Karin, seinen Töchtern und Enkeln.
Lüneburg flaggt Halbmast, Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch kondoliert: "Wir trauern um eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Im Namen von Rat und Verwaltung spreche ich der Familie Faulhaber und allen Menschen, die ihm nahestanden, unsere tiefe Anteilnahme aus. Reiner Faulhaber war ein Herzens-Lüneburger, ein Herzens-Mensch. An unsere letzte Begegnung bei einer Ehrenamtsfeier erinnere ich mich gern. Voller Leidenschaft schwärmte er von den Menschen, die wir für ihr Engagement ausgezeichnet hatten."
Ja, er war ein Mensch, der sich begeisterte, der begeistert auf andere schauen konnte. Eine Gabe, die man sich öfter wünscht und die uns guttäte. Machen Sie es gut, Herr Faulhaber. Carlo Eggeling
Im Rathaus, Eingang A liegt, ein Kondolenzbuch aus.
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