Ein guter König
von Carlo Eggeling am 22.12.2023Lüneburger Gesichter (54)
In lockerer Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor
Eine majestätische Geschichte
König Alex II. über Last und Lust einer Krone
Alexander Tesmer war mit mit 45 Jahren der Älteste der drei, die Schwuler Heidekönig werden wollten. Es war klar, dass der Verwaltungsbeamte sein Amt neben allem Spaß politisch begreifen würde. Er sagte: In vielen Ländern werde Homosexualität unter anderem aus religiösen und kulturellen Gründen abgelehnt. Er nannte als Beispiel den Iran, in dem Schwule nicht frei leben könnten. Er findet, dass Zugewanderte akzeptieren müssen, dass hier jeder seinen Neigungen nachgehen kann. Eben dafür wolle er werben. Schließlich wurde er Anfang vergangenen Jahres vor rund 250 Gästen im Museum als Majestät gewählt, später gab es eine große Feier im Partykeller des September Auf dem Kauf. Seine Amtszeit endet nun, ein neuer Regent soll folgen. Die Gemeinschaft wählt am 10. Februar.
Zeit für eine Bilanz. Einerseits erleben Alex II. und seine Freunde und Mitstreiter Toleranz, andererseits kommt es zu Anfeindungen. König — das ist ein Projekt, das Dirk Ahrens, der selber König war, und andere verfolgen: Es sei wichtig, dass die Gesellschaft queeres Leben akzeptiere: Anders sein ist normal. Seit der ersten Wahl eines Königs im Jahr 2000 hat sich vieles in diese Richtung bewegt.
Als wir uns im Sommer im Beekays getroffen haben, schilderte Alex es so: In Polen seien Menschen auf einem Ummarsch zum Christopher-Street-Day angespuckt worden, christliche Gegendemonstranten hätten Rosenkränze gebetet. "In meinem Umfeld spüre ich keinen Gegenwind", sagt Alex. "Aber in Europa und Deutschland ist das anders. Die Stimmung wird konservativer, rechter; Teile der CDU übernehmen AfD-Sprech." Sein Adjutant Eric Böttcher, damals dabei, nickte: "Manche Sprüche sind wieder salonfähig geworden." Er sieht die Aufgabe der Gruppe auch darin, "stärker an die Politik heranzugehen".
Dirks und Alex' Vorgänger haben erreicht, zu zig Veranstaltungen eingeladen zu werden —Deutschland als Monarchie. Es gibt Wein-, Wurzel-, Kartoffel-, Spargel- und eben Heideköniginnen. Seit 2022 sind sie die Lüneburger Teil der Arbeitsgemeinschaft der Königshäuser. Ab und an gebe es bei Festen Sprüche über Schwule, die könne er kontern, sagt Alex. Manche seien witzig gemeint, aber daneben. Wichtig sei es, ins Gespräch zu kommen. Das gelinge.
Wenn sie zu Schützenfesten fahren wie in Hannover oder Hildesheim, "erreichen wir andere Menschen". So könne man für die Idee werben: "Beim Rapsblütenfest auf Fehmarn wurden wir angesprochen von Älteren, also 60 plus, warum wir das machen, worum es geht." Menschen, die sich mit queeren Themen bislang eher wenig beschäftigt haben oder ablehnend reagieren. Eben das sei wichtig: "In konservativen Vereinen kann es einem 15-Jährigen sehr schwer fallen, sich zu outen.
Am Anfang habe er mit der Krone sehr "gefremdelt, ich dachte an Kindergeburtstag. Jetzt trage ich sie gern, sie gibt ein gewisses Selbstbewusstsein, und nimmt die Scheu. Leute sprechen mich an." Gelohnt habe sich das Jahr für ihn selber. Veranstaltungen, bei denen er unter anderem Ministerpräsident Stephan Weil traf, auf Bühnen und vor der Kamera stehen, viele engagierte Leute kennenlernen: "Das macht etwas mit einem." Dirk Ahrens, Queen Mum der Gruppe, sagt: "Ich habe fünf Könige begleitet und war es selber, meine Erfahrung: Es stärkt das Selbstbewusstsein."
Trotzdem sei es eine Erleichterung, das Amt abzugeben, sagt Alex, denn König sein ist anstrengend: "Ich freue mich auf freie Wochenenden, auf mehr Sport. Aber wenn ich gebraucht werde, bleibe ich weiter im Team." Klare Sache.
Einen Erfolg können die Königstreuen verbuchen. Fühlten sie sich in der Vergangenheit von der Stadtspitze oftmals nicht so gesehen, soll das nun anders werden. Die Königswahl am 10. Februar soll im repräsentativsten Raum des Rathauses laufen. Dem Fürstenssal. Entsprechende Zusagen gebe es, sagt Dirk. Das ist eine Anerkennung, sie gehören zur Stadt. Eigentlich selbstverständlich. Carlo Eggeling
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