Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Ein Lüneburger Schild und die Tochter des Bundespräsidenten

von Carlo Eggeling am 13.09.2023


Das Schild ist eindeutig: Kein Schiff, kein Kanu, kein Standup-Paddeling-Könner darf in den Alten Hafen einlaufen. Ähnlich wie im Straßenverkehr signalisiert die die Blechtafel in Höhe Behördenzentrum und Warburg, dass hier Schluss ist. Die Haltung der Wasserschutzpolizei dazu sei eindeutig, sagt Polizeisprecher Kai Richter. Gleichwohl haben sich seine Kollegen bemüht, dass Wasser- und Schifffahrtsamt quasi an Bord zu holen: "Es gab Gespräche." Die sollen helfen, zwischen dem WSA und der Ewer-Crew zu vermitteln, die mit dem nach historischem Vorbild gebauten Lastkahn immer wieder vom Alten Kran in Richtung Bardowick fährt.

Um das Schild rankt sich eine skurrile Geschichte, die auch Jens-Peter Schultz von der Ewer-Mannschaft kennt. Die Einfahrt in den Hafen ist demnach aus Gründen der Terrorismusabwehr aufgestellt worden. Die Tochter eines ehemaligen Bundespräsidenten hat zeitweilig im Behördenzentrum gearbeitet, aus Sorge vor Attacken vom Wasser aus, sei die Ilmenau gesperrt worden.

Fiedler ist mehr im Hier und Heute und verweist auf die Situation des Flusses: Die Ilmenau ist eine bis zur Brausebrücke an der Abtsmühle Bundeswasserstraße, das WSA für den Unterhalt zuständig. Doch seit Jahren passiere kaum etwas bis nichts. Es gebe "Untiefen" und Sandbänke, bei niedrigem Wasserstand könne ein Boot -- wie auch schon geschehen -- aufsetzen und sich festfahren. Das wissen die Ewer-Schiffsführer und rangieren entsprechend vorsichtig. Man sei im Kontakt mit dem WSA und wolle den Zustand über eine Sondergenehmigung absichern.

Darüber hinaus geht es um den Zustand der Ilmenau überhaupt. Während der Bund des Status Bundeswasserstraße loswerden will, weil millionenschwere Sanierungen unter anderem an den Wehren und Schleusen in Bardowick, Wittorf und Fahrenholz anstehen und die Idee eines renaturierten Flusses verfolgt, wollen die Ewerleute, aber auch anliegende Gemeinden erreichen, dass die Ilmenau wieder schiffbar wird. Stichworte sind der Zustand der Nebengewässer, die Standsicherheit der Häuser im Lüneburger Hafen und auch der Tourismus.

Statt der Schleusen und Wehre sollte sogenannte Sohlegleiten kommen, die Fischen den Aufstieg im Fluss erleichtern sollen. Gerade kürzlich hat ein Angler und Naturfreund diese Idee in der Zeitung auf großer Fläche vertreten -- wieder einmal. Woher er seine Expertise nimmt und für wen er spricht, fragen sich nicht nur die Ewer-Freunde, die sich auch im Förderverein Historische Ilmenau engagieren. Sie haben nun eine Erklärung verfasst. Die folgt im Wortlaut. Carlo Eggeling


Presseerklärung des Fördervereins Historische Ilmenau aufgrund des LZ-Artikels „Weniger Ökonomie, mehr Ökologie“ von Stefan Bohlmann, erschienen am 06.09.2023

Der Förderverein Historische Ilmenau begrüßt grundsätzlich jede Aktivität, wie auch den o.g. Artikel,
die dem Schutz der einmaligen Kulturlandschaft der Ilmenau dient. Wir möchten mit dieser
Presseerklärung einige Punkte in der laufenden Diskussion zu dem Thema ergänzen und andere
Punkte in den richtigen Kontext rücken.
Im Artikel wird richtig dargestellt, dass sich die Ilmenau oberhalb Lüneburgs bis zur Quelle in ihrem
ursprünglichen Zustand befindet. Gleiches gilt für die Aussage, dass die 1893 gebauten
Fischaufstiegsanlagen an den 3 Wehrstandorten nicht mehr dem Stand der Technik und der
Wissenschaft entsprechen. Eine Modernisierung zur Verbesserung der Durchlässigkeit für Fische
ist notwendig.
Zwischen der Lüneburger Brausebrücke und der Einmündung der Ilmenau bei Hoopte in die Elbe
sind durch den Ausbau der Ilmenau Ende des 19. Jahrhunderts einschneidende Veränderungen
vorgenommen worden. Die Flusslänge hat sich in diesem Abschnitt von 60 km auf 30 km durch
den Bau des Ilmenau-Kanals verkürzt. Vor Ort ist z.B. in Fahrenholz der schnurgerade Kanalverlauf
flussaufwärts zu besichtigen.
• Die Begradigung und Verkürzung der unteren Ilmenau wirkte sich unmittelbar auf die
Strömungsdynamik des Flusses, insbesondere die Fließgeschwindigkeit aus.
• Um einer unerwünschten starken Erosion der Flußsohle vorzubeugen und die Schiffbarkeit
der Ilmenau zu erhalten, wurden die Wehre und Schleusen als Querbauwerke an den drei
Standorten Fahrenholz, Wittorf und Bardowick in den Flusslauf eingebracht.
Die damaligen hydrodynamischen Rahmenbedingungen haben bis heute Bestand und behalten
ihre Gültigkeit auch zukünftig, selbst wenn die Schiffbarkeit dabei nicht mehr im Vordergrund steht.
• Die Wehre sind zum Halten des jetzigen Wasserspiegels in der Ilmenau wichtig. Damit
wird zum einen der Erhalt der historischen Bausubstanz in Flussnähe in Lüneburg und
Bardowick sichergestellt. Anzumerken sei hier, dass die Schleusen- und Wehranlagen
mittlerweile selbst dem Denkmalschutz unterliegen.
Zum anderen hängt davon das Überleben einer Vielzahl von Feuchtgebieten in Flussnähe
ab, die sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts gebildet haben und mittlerweile unter
Naturschutz stehen.

Angesichts des geschilderten Sachverhalts sind die drei Wehre und Schleusen die beste Lösung,
um die untere Ilmenau und angrenzende Bereiche in ihrem seit 100 Jahren bestehenden
Gleichgewicht zu erhalten. Der damit verbundene Mangel des beschwerlichen oder für
schwimmschwache Fischarten unterbrochenen Fischaufstiegs in der Ilmenau muss natürlich
zeitnah durch Modernisierungsmaßnahmen beseitigt werden, ohne das dafür die bisherigen
Bauwerke aufgegeben werden müssen.
Im LZ-Artikel vom 06. September wurden Zahlen und Sachverhalte aus einer Machbarkeitsstudie
der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) aus dem Dezember 2017 genannt. Zu
dieser Machbarkeitsstudie, die dem Förderverein Historische Ilmenau vorliegt, sind folgende
Anmerkungen zu machen.
• Die Instandsetzungskosten für die 3 Staustufen / Schleusen sind in der
Machbarkeitsstudie ca. um den Faktor 10 zu hoch angesetzt worden. Vor diesem
Hintergrund ergibt sich eine ganz andere, viel günstigere Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
der Sanierungsmaßnahmen von Wehren und Schleusen.
• Die nicht zutreffende Kosteneinschätzung ist nur ein Mangel der Machbarkeitsstudie. Seit
deren Erstellung hat noch keine fachliche Auseinandersetzung über die in der Studie
aufgeführten Maßnahmen stattgefunden.
• Seit dem Bekanntwerden erster Überlegungen der WSV im Jahre 2012 zum weiteren
Umgang mit der Ilmenau wurde von der WSV der gewünschte Diskurs mit Hinweis auf
eine künftige Planung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens verweigert. Die
Vorbereitungen für das Planfeststellungsverfahren werden von der WSV mit Hinweis auf
Personalengpässe im eigenen Haus nicht oder nur schleppend fortgeführt.
• Kritische Anmerkungen zur Machbarkeitsstudie seitens der betroffenen Gemeinden,
Landkreise und dem Land Niedersachsen wurden von der WSV nicht beachtet.
Vorgebrachte Lösungsvorschläge wurden mit dem Hinweis auf die alleinige Zuständigkeit
des Bundes für die Bundeswasserstraßen (was die Ilmenau aktuell immer noch ist) von
der WSV zurückgewiesen.
• Die in der Zwischenzeit von der WSV unterlassenen, aber notwendigen und auch
gesetzlich vorgeschriebenen Unterhaltungsmaßnahmen für Schleusen und Wehre haben
dazu geführt, dass sich die Ilmenau aktuell als Bild einer Ruine von Wasserstraße
präsentiert. Dabei ist die WSV nach dem Wasserstraßengesetz zur Durchführung der
Unterhaltungsmaßnahmen verpflichtet. Die Unterlassung der Maßnahmen ist als illegale
Untätigkeit der zuständigen Behörde einzustufen.
• Die beschriebene Vorgehensweise der WSV ist auch bei anderen ökonomisch
bedeutungslos gewordenen Bundeswasserstraßen zu beobachten. Ein Rechtsgutachten
im Auftrag des Landes Schleswig-Holstein vom Dezember 2019 zur Vorgehensweise der
WSV beim Gieselaukanal und der Gieselauschleuse zwischen Nord-Ostsee-Kanal und
Eider kommt zu dem Schluss, dass sich die WSV nicht rechtskonform verhält und gegen
geltendes Recht verstößt. Das Rechtsgutachten liegt dem Förderverein Historische
Ilmenau vor.
Der Förderverein richtet einen Appell an die gewählten Vertreter in Bund, Land und Kommunen,
der illegalen Vorgehensweise der WSV Einhalt zu gebieten und die WSV zur Erfüllung ihrer
gesetzmäßigen Aufgaben anzuhalten.
Bernd-Jürgen Strauch, 2. Vorsitzender

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook