Ein Museum auf der Straße
von Carlo Eggeling am 07.06.2025Das Museum rollt über die Landstraße Über Pfingsten treffen sich Chauffeure alter Lkw in Erbstorf. Die Markennamen sind Träume für für Technik-Fans: Magirus, Hanomag, Henschel und Büssing. Manfred Perlmann und Jens-Peter Holm erzählen Es gibt Träume, die haben etwas Kindliches: Die Faszination für Baustellen gehört dazu. Jens-Peter Holm lebt diesen Traum. Der 76-Jährige hat sich vor Jahren einen Magrius Deutz Mercur, Baujahr 1957, gekauft. Den hat von einem Feuerwehrfahrzeug zurückgebaut zu einem Kipper. Hinten dran hängt er einen Bauwagen, den er zum Übernachten nutzen kann, allerdings mit einem abgetrennten Raum, in dem er das Zubehör für eine Baustelle dabei hat, Barken, Laternen und Co. Ab und an fährt er zu Treffen, bei denen er Gleichgesinnte am Steuer und an Hebeln trifft: Laster, Bagger, Raupen -- alles wird so inszeniert wie bei einer Baustelle in den 50er und 60er Jahren. Nicht nur das Gerät, auch die Fahrer sind Oldtimer. Mit der Begeisterung für alte Lkw ist Holm nicht allein, er gehört zu einer Gruppe von Fans, die sich jetzt beim Erbstorfer Manfred Perlmann trifft und mit rollenden Museen auf Tour gehen. 1300 Kilometer wollen sie von Adendorf quer durchs Land ins Elbsandsteingebirge fahren vom 6. bis 21. Juni. Perlmann hat die Route ausgearbeitet. Er hat unter anderem einen Hanomag aus dem Katastrophenschutz zu einem Wohnmobil umgebaut. Doch das ist nur von innen zu sehen. "Wir haben Leute dabei, denen gehören 18 Meter lange Lastzüge, die haben Schlaf-, Wohn- und Badezimmer integriert", erzählt der ehemalige Pflegedienstleiter. "Die sind komplett restauriert, lackiert und in besserem Zustand, als sie aus dem Werk gekommen sind.“ 30 Jahre müssen die automobilen Packesel als Oldie mindestens auf der Achse haben, doch viele der Kraftpakete bringen es auf das doppelte. Sie haben Fuhrunternehmer in ihrer Runde, da sammeln Großvater, Sohn und Enkel die Lkw, die besitzen Dutzende Kolosse, die sie in eigenen Halle trocken und warm aufreihen. Doch Perlmann und Holm gehören zu denen, die es bescheidener angehen und keinen Fuhrpark ihr eigen nennen. Holm sagt: "Man muss auf Eigenleistung und ein gutes Netzwerk setzen, dann kannst du alles reparieren und selber machen. Teile bestellst du übers Internet. Steuern und Versicherung sind günstig. Das ist nicht teurer als andere Hobbies." Hanomag ist ein Beispiel. Das 1871 gegründete Unternehmen musste Mitte der 1980er Jahre Konkurs anmelden, Rechte wurden von anderen Firmen aufgekauft. Die Hannoveraner produzierten Zug- und Ackermaschinen. Da noch heute unzählige Hanomag-Trecker in der Landwirtschaft rollen, braucht es Ersatzteile. Die würden heute in Polen in Lizenz gefertigt, weiß Perlmann: "Das ist erschwinglich." Perlmann zeigt Bilder der Lkw, die seine Freunde fahren und zu Wohnmobilen umgebaut haben. Die Marken klingen für PS-Fans nach Legenden der Landstraße: Henschel, Büssing, Krupp, Magirus, Hanomag, Mercedes, MAN und Scania. 17 Lastwagen steuern über Pfingsten Erbstorf an, um dann Richtung Wendland loszurumpeln und zu dieseln. Mit einem Augenzwinkern sagt Maschinenbauingenieur Holm: "Wir fahren umweltschonend. Die Partikel aus den Auspuffen sind so groß, die fallen gleich runter. Feinstaub produzieren wir nicht." Perlmann ergänzt ernster: Es seien so wenige der alten Wagen unterwegs, dass sie bei der Gesamtheit des Verkehrs kaum auffielen, auch würden ihre Touren eher kurz ausfallen. Ansichtssache, doch die Zeitreise, die sich mit den Fossilen verbindet, nimmt nicht nur Ältere gefangen. Zu Treffen der Chauffeure kommen ganze Familien, Väter und Söhne blicken staunend auf die Technik, die auch nach Jahrzehnten noch bewegt -- so und so. Wer zuschaut, kann sich erklären, woher der Begriff Kraftfahrer stammt: "Es gab damals keine Servolenkung und Bremskraftverstärker", sagt Holm. "Der Fahrer brauchte tatsächlich Kraft." Das ist geblieben. Wie der Traum der Schrauber. Perlmann lacht und sagt: "Alten Männer werden zu Jungs." Carlo Eggeling Bilder: Manfred Perlmann und Jens-Peter Holm (Mütze) Vor ihren Schätzen: einem Hanomag und einem Magirus-Kipper. Perlmann war lange beim Katastrophenschutz aktiv, dort kamen Hanomags als zuverlässige Helfer zum Einsatz. Ihn begeistern die Wagen bis heute. Die Details zeigen Markenzeichen und die typische Mütze eines Kraftfahrers. Eine kleine Fotogalerie der rollenden Schätze. Die Laderäume sind ausgebaut wie Wohnmobile.
© Fotos: ca
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