Lüneburg, am Samstag den 02.08.2025

Ein Neubau im Senkungsgebiet -- Anwohner in Sorge

von Carlo Eggeling am 23.07.2025


Stadt erteilt Baugenehmigung für Projekt am Schanzenweg + Nachbarn befürchten Schäden an ihren Gebäuden

Die Baustelle liegt aus Sicht der Nachbarn in einem kritischen Bereich. Einen Steinwurf entfernt liegt der Ochtmisser Kirchsteig, dort senkt sich die Erde so, dass Gebäude reißen und gewaltig schief stehen.

Gleichwohl hat die Stadt nun eine Baugenehmigung erteilt für die Ecke Schanzenweg bei Mönchsgarten. "60 bis 90 Wohnungen sollen entstehen, dazu eine Tiefgarage", sagt Anwohner Oliver Webler. Das passe nicht: Er fürchtet Erschütterungen im Untergrund, Veränderungen der Grundwassersituation und damit Schäden an seinem Haus, als auch an den Gebäuden seiner Anwohner. Die Stadt befürchtet diese Auswirkungen nicht. Das geht aus den Antworten einer Anfrage von LA ans Rathaus hervor.

Eine Stellungnahme des Frankfurter Investors gab es trotz telefonischer und schriftlicher Anfrage von LA nicht.

Bekannt wurde das Projekt Ende 2023. Damals hatte die Stadt Anwohner angeschrieben und ihnen mitgeteilt, dass eine Bauvoranfrage vorliege. Bürger verfassten eine Petition mit ihren Bedenken, schalteten einen Anwalt ein und zogen vor Gericht. Laut Webler ist in dem Verfahren zur Bauvoranfrage noch nicht entschieden worden. Im Schreiben des Anwalts sind die Bedenken der Nachbarschaft nachzulesen. Erschütterungen und Ausspülungen im Untergrund könnten negative Folgen für andere Gebäude haben. Der Bereich liegt im Bereich des Salzstocks, auf dem weite Teile Lüneburgs liegen. Zum Salz gehören Gips und verwandte Stoffe, je nach Wasserverhältnissen saugt der Gips Feuchtigkeit auf oder gibt sie ab, kann sich also ausdehnen und zusammenziehen. Zudem ist Gips löslich, kann fortgespült werden. Am nahen Ochtmisser Kirchsteig, an dem sich seit rund zwei Jahrzehnten der Boden um mehr als 30 Zentimeter pro Jahr senkt, aber auch an der Frommestraße ist die Problematik sichtbar. 1931 krachten Gebäude in sich zusammen, 2012 mussten zwei Häuser aus der Gründerzeit wegen massiven Schiefstands abgerissen werden. Auf dem gegenüberliegenden Gelände des Schanzenweges, auf den Flächen der Gärtnerei Wrede, sind beispielsweise aus dem Jahr 1957 zwei große Erdfälle bekannt -- Löcher, die mehrere Meter tief in den Boden reichten.

Was Anwohner zudem stört, ist die Höhe des geplanten Projekts. Jetzt stehen zwei Einfamilienhäuser auf den betreffenden Grundstücken, künftig sollen dort mehrgeschossige Bauten hochgezogen werden. Schon Ende 2023 hatte die Verwaltung argumentiert, die Bebauung in diesem Bereich sei "uneinheitlich". Denn während entlang der Lauensteinstraße im betreffenden Bereich Einfamilien- und Doppelhäuser stehen, ist es in Richtung Dörnbergstraße und Vor dem Neuen Tore anders -- mehrere Etagen.

In der Baugenehmigung geht die Stadt auf den unsicheren Untergrund ein und fordert aufgrund des Senkungsgebiets einen "Standsicherheitsnachweis".

Wörtlich: "Es wird darauf hingewiesen, dass die Bauherrin/der Bauherr das aus diesen Bodenverhältnissen resultierende Risiko selbst tragen muss und dass keine Ersatzansprüche aus dieser Baugenehmigung gegen die Hansestadt Lüneburg hergeleitet werden können." Nach der Fertigstellung müssen "unveränderliche Höhenmessbolzen" installiert werden, um Bewegungen im Blick zuhalten. Hausanschlüsse sollten beweglich sein, um im Fall der Fälle nicht zu reißen.

Ein Beweissicherungsverfahren könne die Stadt nicht anordnen, heißt es auf Nachfrage, das sei im Baurecht nicht verankert. Gleichwohl empfiehlt sie es dem Bauherrn.
Nachbar Oliver Webler will es im Zweifel selber in Auftrag geben, um mögliche Veränderungen an seinem Haus dokumentieren zu können. Wann der Bau losgeht, kann die Stadt nicht sagen. Das sei Sache des Bauherrn.

Carlo Eggeling

Die Anfrage von LA und die Antworten der Verwaltung finden Sie im nachfolgenden Text:

1 - Wie hoch darf der Bauherr die Gebäude errichten? Welche Häuser gelten quasi als Vergleich?

> Das nördliche Gebäude an der Straße Am Mönchsgarten darf viergeschossig mit einem Staffelgeschoss verwirklicht werden. Es orientiert sich damit an der Höhe der bestehenden westlich gelegenen Grenzbebauung, deren Traufhöhe aufgenommen wird. Das südliche Gebäude am Schanzenweg wurde dreigeschossig und mit einem Staffelgeschoss genehmigt; in der Nachbarschaft zum südlich gelegen Bestandsgebäude staffelt sich das Bauvolumen jedoch auf zwei Geschosse herunter.

2 - Welche Kriterien legt die Stadt für den Bau der Tiefgarage an?

> Aufgrund der Lage des Baugrundstückes im Senkungsgebiet von Lüneburg in Verbindung mit dem Umfang der Baumaßnahme - Eingriff in Untergrund und Bauvolumen - ist der Standsicherheitsnachweis für die Gebäude gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 NBauO zur Prüfung vorzulegen. Diesen Standsicherheitsnachweis kann der Bauherr auch nach erteilter Baugenehmigung zur Prüfung einreichen. Die Prüfung dieses Nachweises wird dann durch einen externen Prüfingenieur erfolgen. Dabei entstehende Auflagen und Hinweise werden in einer gesonderten Baugenehmigung aufgenommen.

3 - Wie sind Erschütterungen berücksichtigt?

> Entsprechende Auflagen werden Bestandteil einer Baugenehmigung, wenn der geprüfte Standsicherheitsnachweis vorliegt.

4 - Gibt es Auflagen für den Abriss bestehender Gebäude und für das Bauen der neuen Gebäude? Stichwort Erschütterungen.

> Sh. zu Frage 3 5 - Angesichts der Senkungsproblematik: Wie eng begleitet das Bauamt das Vorhaben während des Bauens? > Das Bauamt wird wie bei anderen Baustellen auch, regelmäßig stichprobenartige Baukontrollen durchführen. Zudem wird der externe Prüfstatiker, der mit der Prüfung des Standsicherheitsnachweises durch die Bauaufsicht betraut ist, regelmäßig Vor-Ort-Termine wahrnehmen.

6 - Wurden die Anwohner in das Verfahren einbezogen? Wenn ja, wie?

> Die Nachbarn wurden bereits im Rahmen der Bauvoranfrage beteiligt. Sie haben nun eine Durchschrift der Baugenehmigung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung erhalten.

7 - Gibt es aktuell eine Anwohnerversammlung?

> Eine Anwohnerversammlung ist nicht geplant. Es steht dem Bauherrn frei, die Nachbarn noch umfassender über das beabsichtigte Vorhaben zu informieren.

8 - Liegen Widersprüche gegen das Projekt vor? Wenn ja, wie hat die Stadt diese beschieden?

> Die Frist, in der die Nachbarn Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung einlegen können, läuft derzeit noch. Bislang liegt kein Widerspruch vor. Zu dem seinerzeit erteilten Bauvorbescheid waren mehrere Widersprüche eingegangen. Um die Sach- und Rechtslage zu erörtern, wurden die Widerspruchsführer vor der Bescheidung ihrer Widersprüche zu einer gemeinsamen Besprechung eingeladen. Denn die von ihnen vorgetragenen Argumente bezogen sich nicht auf Fragen, die im Bauvorbescheidsverfahren zu klären waren, sondern erst im anschließenden Baugenehmigungsverfahren. Dementsprechend wurden alle Widersprüche zurückgewiesen.

9 - Gibt es einen Zeitplan? Abriss, archäologische Untersuchungen, Beginn Neubau, Fertigstellung?

> Der Bauaufsicht ist der Zeitplan des Bauherrn nicht bekannt. Gemäß Niedersächsischer Bauordnung erlischt die Baugenehmigung, wenn innerhalb von drei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung der Baumaßnahme nicht begonnen oder wenn die Ausführung drei Jahre lang unterbrochen worden ist.

10. Was bedeutet das für das Grundwasser und mögliche Ausspülungen in der Tiefe? Das ist ja die Problematik am Ochtmisser Kirchsteig.

> Hinsichtlich der Belange zum Grundwasser ist der aktuelle Kenntnis- und Planungsstand, dass lt. vorliegender Unterlagen die Gründungsebene über dem Bemessungswasserstand (höchste zu erwartende Pegel von drückendem Wasser, der auf ein Bauwerk einwirkt) liegen wird. Eine bauzeitliche Grundwasserabsenkung als auch ein dauerhafter Aufstau von Grundwasser bedürfte einer wasserrechtlichen Erlaubnis. Im Erlaubnisverfahren werden Auswirkungen auf Schutzgüter, auch die Nachbarbebauung, geprüft. Es liegt derzeit aus dem genannten Grund kein wasserrechtlicher Antrag vor. Ein dauerhafter Aufstau von Grundwasser durch die Tiefgarage ist nicht zu erwarten. Lösungs- oder Quellvorgänge durch temporäre Entwässerung der Baugrube und Umgebung bzw. zukünftig erhöhte Versickerung von ungesättigten Niederschlagswasser sind nicht zu erwarten.

© Fotos: Carlo Eggeling / Winfried Machel


Kommentare Kommentare

Kommentar von Martin Luehmann
am 23.07.2025 um 21:49:20 Uhr
Das alles ist ein schlechter Scherz !!!! Das kann doch nicht sein, hier in den sensiblen Bereich so etwas zu genehmigen. Bitte 🙏 das muss unterbunden werden. Eine Beweissicherung muss gemacht werden.
Kommentar von Heike Hinds-Johnson
am 24.07.2025 um 12:04:55 Uhr
60 - 90 Wohnungen bedeuten auch 60 - 90 Kraftfahrzeuge. Schön, dass eine Tiefgarage gebaut wird, aber der Anwohnerverkehr auch am Ochtmisser Kirchsteig wird dadurch steigen. Dabei ist der Verkehr hier und in der näheren Umgebung zu bestimmten Zeiten bereits am Limit, da diese Straße als Durchgangsstraße und von Elterntaxis genutzt wird. Durch die Baumaßnahmen, man denke nur an die notwendigen Baustellenfahrzeuge, wird es weitere Erschütterungen und weitere Schäden an den bestehenden Gebäuden geben.
Direkt neben der Gärtnerei Wrede verfällt ein weiteres Gebäude - auch dort ist damit zu rechnen, dass irgendwann weitere Wohnungen errichtet werden.
Eine Katastrophe für diese Gegend - die Interessen der Bewohner, dies seit Jahren versuchen, ihre Häuser zu retten, werden in keiner Weise berücksichtigt.
Sollten tatsächlich neue Wohnungen entstehen, dann hoffe ich nur, dass es wenigstens Sozialwohnungen bzw. erschwingliche Mietwohnungen für Normalverdiener werden, dann entstünde aus dieser Risikoentscheidung wenigstens auch etwas Gutes.
Kommentar von Oliver Webler
am 24.07.2025 um 14:39:42 Uhr
Ich habe keine Ahnung, welche Person von der Stadt geantwortet hat und zweifel, dass diese bei der Besprechung mit dabei war. Punkt 8 ist absolut falsch dargestellt. Ja es ging verständlicher Weise auch um Bedenken und Ängste, wegen der Erdbewegungen und dem Verkehr. OK ich habe verstanden das das nun mit dem Baubescheid geklärt werden muss. Aber vor allem ging es dabei auch um die Pläne welche falsche Aufmaßen hatten. Damit wurden nun Höhen freigeben die so nicht stimmen. Wir als Anwohner mussten dem Bauamt z.B. auch erstmal erläutern wo Tiefgarageneinfahrten geplant waren. Wo uns dann auch recht geben wurde, das diese dort keinen Sinn machen. Außerdem haben wir dargestellt warum sich das Bauprojekt nicht in die Umgebung einfügt. Alles Dinge die vor allem bei der Bauvoranfrage hätten geprüft werden müssen. Wir haben 3 Stunden zusammengesessen. Ich habe danach dazu auch nochmal ein Gesprächsprotokoll verfasst und an die Stadt gesandt, was aber anscheinend keinerlei Beachtung fand.
Kommentar von R. Bockelmann
am 24.07.2025 um 21:42:40 Uhr
Lüneburger - guckt Euch das Gebiet vor Ort an! Ein 2-geschossiges Gebäude, Reihenhäuser oder Wohnungen würden sich wunderschön in den kleinen Schanzenweg, wo der Hauptteil der Wohnbebauung steht, eingliedern. UND…
seit 01.07.24 ist laut NBauO keine Pflicht mehr gegeben für Wohnungen Stellplätze nachzuweisen um autofreies Wohnen zu erleichtern - wieso ist es dann möglich eine Baugenehmigung in fußläufiger Entfernung zur Innenstadt, in einem heiklen Bereich des Senkungsgebietes eine Tiefgarage zu genehmigen?
Kommentar von M. Adank
am 25.07.2025 um 13:26:44 Uhr
ich bin direkt von dem geplanten Tiefgaragenbau betroffen. Die Stadt hat den Bau unmittelbar an unserer Grundstücksgrenze genehmigt – in einem Gebiet, das nachweislich als Senkgebiet bekannt ist. Ich mache mir große Sorgen um die Stabilität meines Hauses. Ich sehe mich schon gezwungen, das Fundament zu sichern, den Keller mit Beton zu verstärken oder sogar gegen Untergrabungen vorzugehen – nur um am Ende zu hören: „Das hätte so oder so passieren können, das hat nichts mit dem Neubau zu tun.“

Die Stadt erklärt, das neue Bauprojekt passe sich in unsere Straße ein. Ich lade Sie herzlich ein, das vor Ort selbst zu überprüfen. Kommen Sie doch einmal zu einem Spaziergang durch den Schanzenweg. Wo bitte sollen diese beiden „Kreuzfahrtschiffe“ – so wirken die Neubauten im Verhältnis zur Umgebung – in diese enge Straße passen?
Unsere Straße ist so schmal, dass bereits ein Müllfahrzeug Probleme hat durchzukommen, wenn ein Auto etwas ungünstig parkt.

Ehrlich gesagt drängt sich mir der Eindruck auf, dass der Investor erheblichen Einfluss auf das Bauamt genommen hat, um ein Projekt dieser Größenordnung ohne kritische Prüfung durchzusetzen.
Kommentar von Frank Lühr
am 26.07.2025 um 09:34:32 Uhr
In dem Beitrag sowie den dazu veröffentlichten Kommentaren wird im Schwerpunkt auf mögliche Folgen für die bereits vorhandene Bebauung im Umfeld Bezug genommen.
Was für Folgen indes auch für einen Neubau der vorgesehenen Art in diesem Bereich des Lüneburger Senkungsgebiet eintreten können wird nach meiner Bewertung nur oberflächlich thematisiert.
Ich selbst wohne in einem Gebäudekomplex in der Gartenstraße, welcher Anfang der 1990er erbaut wurde und in dem es seit gut einem Jahr zu erheblichen Rißbildungen, vermutlich infolge des auch hier auftretenden Senkungsgeschehens, kommt.
Dies ist der Bauaufsicht der Hansestadt Lüneburg bekannt und führte von dort, vertreten durch die Senkungsbeauftragte und einen diese begleitenden Hochbauingenieur anläßlich einer Besichtigung, lediglich zu der Aussage, dass das hier vorzufindende Senkungsgebiet und das damit mögliche Risiko denjenigen, die hier bauen, bekannt und daher hinzunehmen sei.
Es darf bezweifelt werden, dass das so auch für den aktuellen "Frankfurter Investor" des Projektes Schanzenweg tatsächlich zutrifft und diesem klar ist, dass es auch in der vorgesehenen Neubebauung kurz- und mittelfristig zu beängstigenden Schadbildern führen kann.
Dies dürfte sich dann auch auf die aktuelle Gewinnerwartung nachteilig auswirken.
Aber Hauptsache, das Objekt und dessen Bestandteile werden erst einmal in der derzeitigen, dafür günstigen Lage, teuer verkaufen und die geltenden Gewährleistungs- und anderen Fristen werden problemlos überstanden.
Kommentar von J. Ehret
am 26.07.2025 um 18:50:41 Uhr
Im Jahr 2007 wollte ein Lüneburger Architekturbüro in Zusammenarbeit mit einem Investor das Flurstück 11/8 (zwischen “Vor Mönschsgarten und Lauensteinstr.) einer Wohnbebauung zuführen. Die Stadt Lüneburg war auf mündliche Anfrage mit einer Bebauung einverstanden. Die Planung wurde konkret. Später ist die Stadt Lüneburg von einer Genehmigung abgerückt, weil die Bodenverhältnisse im Senkungsgebiet noch nicht abschließend geklärt sind, es müsse erst eine Klärung durch Gutachten, Bohrung etc. erfolgen.
In wieweit dies geschehen ist, ist mir nicht bekannt. Bis heute ist auf diesem Grundstück keine Bebauung erfolgt.
Ferner wurde im März 2013 eine Bauvoranfrage ( Nr. 610/11 auf dem Grundstück „Vor dem Neuen Tore 3a“) abgelehnt. Die Baugenehmigung für die diese beiden neuen „sehr großen Wohngebäude „ mit Tiefgarage wurde jetzt OHNE PRÜFUNG genehmigt.
Anscheinend wird hier mit zweierlei Maß gemessen.


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