Ein Polizist als Dieb? Anklage nach fünf Jahren Ermittlungen
von Carlo Eggeling am 27.08.2023Der Fall ist Polizisten peinlich, einer aus ihren Reihen soll ein Krimineller sein. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat nun Anklage gegen den Beamten erhoben, fünf Jahre nach der Tat. Der Vorwurf: Der Mann soll im August 2018 einen Einbruch in die Zentrale Kriminalinspektion vorgetäuscht haben, um von einem möglichen Verdacht gegen sich abzulenken. Denn zuvor waren aus der Asservatenkammer rund 60 000 Euro verschwunden, die bei Ermittlungen in einem Terrorverfahren beschlagnahmt worden waren. Das Verfahren liegt nun beim Landgericht Lüneburg, das bestätigt Sprecher Hedrik Schattka. Das prüft, ob es die Anklage zulässt. Ob und wenn, wann der Prozess beginnt, steht daher nicht fest.
Das Ganze beginnt 2018 so: Ein Unbekannter versucht von außen in den Asservatenraum der ZKI einzudringen. Eine Sicherung löst aus, Streifenwagen sind schnell vor Ort, die Polizisten stellen fest: „Der Täter gelangte nicht ins Gebäude.“ Doch bei der Tatortaufnahme in dem besonders gesicherten Zimmer stellt die Spurensicherung fest, dass jemand in dem Raum ein Behältnis aufgebrochen hatte – Geld war perdu.
Die Polizeiinspektion Lüneburg übernimmt den Fall. Der damalige und inzwischen pensionierte Kripo-Chef Steffen Grimme sagte: „Es war deutlich sichtbar, dass jemand etwas Unerlaubtes getan hatte.“ Da in den Raum nur Mitarbeiter gelangen, die über eine entsprechende Berechtigung verfügen, konnten die Polizisten den Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Sie kamen nach Wochen schließlich auf den Staatsschützer. Beamte durchsuchten im Frühjahr 2019 Büro und Wohnung des Beschuldigten, das Geld sollen sie allerdings nicht gefunden haben. „Aber wir haben umfangreiches Material sichergestellt, unter anderem den Computer des Verdächtigen“, bestätigte Grimme auf Nachfrage. Der Kollege mache von seinem „Aussageverweigerungsrecht“ Gebrauch – er schwieg also.
Später stellte sich heraus, dass der größte Teil des Geldes zuvor im Rahmen eines Terrorismus-Verfahrens beschlagnahmt worden war. Wohl während einer Hausdurchsuchung bei Beschuldigten, die damals im Verdacht standen, die islamistische „Al-Nusra-Front“ in Syrien zu unterstützen. Der Fall hatte im Dezember 2019 eine politische Dimension erreicht, das Innenministerium in Hannover nahm Stellung zu den Ermittlungen gegen die Islamisten und den weiteren Ereignissen: "Die Ermittler waren mit Spezialeinsatzkräften bei den Männern angerückt. Sie nahmen nicht nur die Verdächtigen mit, sondern auch Bargeld in Höhe von 51 650 Euro. Das Geld hatten die Beamten in einem Kleiderschrank entdeckt. Von dort wanderten die Scheine in den Stahlschrank der vermeintlich sicheren Asservatenkammer der Polizei Lüneburg." Und dort lag noch mehr Bares. Doch dann war alles verschwunden.
Doch warum dauerte es so lange, bis nun Anklage erhoben wurde. Gerichtssprecher Schattka erklärt es so: "Es hat sich um sehr umfangreiche Ermittlungen gehandelt Die letzte Zeugenvernehmung fand im August 2023 statt, sodass die Ermittlung bis dahin angedauert haben. Die Anklage benennt insoweit alleine 60 Zeugen und über 50 Urkunden und Augenscheinsobjekte, die bewertet werden mussten."
Über die Jahre hatte ich mich mehrmals bei der Staatsanwaltschaft nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Tenor: Man sei dran, aber überlastet, der Kollege habe mehrere dringende Verfahren zu bearbeiten. Aus Polizeikreisen hieß es unter der Hand, das sei so. Man habe Verständnis. Die Vielzahl der Zeugen erkläre sich unter anderem daher, dass Polizisten befragt wurden, die wiederum darlegten, warum sie nicht als Täter infrage kommen. Einer, der den Fall kennt, sagt: "Alles basiert auf Indizien."
Wird der Angeklagte weiter beschäftigt und erhält Bezüge? Im November 2021 hatte die Polizeidirektion, sie ist den Inspektionen in acht Landkreisen übergeordnet, mitgeteilt: "Gegen den Beamten ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Dem Beamten ist aktuell die Führung der Dienstgeschäfte verboten worden. Das Fortbestehen des Beamtenverhältnisses begründet die Aufrechterhaltung der Alimentation im gesetzlichen Rahmen." Auf Deutsch: Sein Geld erhält der Mann weiterhin.
Das war Ende 2021, wie ist es heute? Das lässt das Landgericht offen: "Bezüglich einer etwaigen Suspendierung können in Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten keine Angaben gemacht werden, zumal es sich insoweit auch um einen verwaltungsrechtlichen Vorgang handelt." Carlo Eggeling
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