Ein Radweg, der gar keiner ist. Besuch an der Stöteroggestraße
von Carlo Eggeling am 14.03.2023Anwohner der Stöteroggestraße wissen nicht unbedingt, dass der Radweg vor ihrer Tür gar keiner mehr ist, also im klassischen Sinne. Es handelt sich um einen "Angebotsstreifen", heißt es von der Stadt. Übersetzt: Wer im Sattel sitzt, kann entweder auf dem Weg fahren oder auf dem Asphalt. Das ist allerdings nicht jedem Autofahrer klar: Mancher fährt eng auf oder hupt, weil er den Radler auf falschen Pfaden wähnt.
Während es für manchen neu sein dürfte, sagt im Rathaus Sprecherin Ann-Kristin Jenckel: "Die Schilder wurden bereits vor einigen Jahren entfernt. Hintergrund dafür war, dass die vorhandenen Radwege nicht mehr den aktuellen Standards entsprachen, die Grundlage für eine Benutzungspflicht also nicht mehr gegeben war. Es gilt hier also seither: Der Radweg kann, muss aber nicht genutzt werden."
Jörg Kohlstedt, der an der Straße wohnt und für die SPD im Rat sitzt, kennt die Regelung. Er kann sich aber nicht daran erinnern, dass die Verwaltung die Anlieger dazu angeschrieben hatte. Das ergab sich für ihn erst später, weil die Stadt ihn mahnte, anständig sauber zu machen: Denn die Nachbarschaft gilt seitdem, sie ist für die Reinigung der Flächen vor ihren Häusern bis zur Bordsteinkante verantwortlich. Das liest sich so: "Bei den zu reinigenden Bereichen handelt es sich um Gehwege. Die Straßenreinigungsverordnung der Hansestadt sieht hier vor, dass Anliegende die Bereiche sauber halten. Dort, wo das nicht passiert und besondere Verschmutzungen oder Behinderungen durch Überwuchs auffällig werden, suchen Ordnungsamt und AGL stets den Dialog mit den Anwohnenden."
Allerdings fegt und zupft nicht jeder, das ergibt sich auf den ersten Blick, wenn man die Strecke entlangradelt. Ratsherr Kohlstedt sagt, er strample stadteinwärts lieber auf der Straße, "weil auf dem Radweg öfter mal Scherben liegen". Das ist nicht alles, an einigen Stellen wuchern Gras und kleine Büsche zwischen den Steinen. Dass Anwohner die Wege bis zum Bordstein fegen, ist eher selten zu beobachten. Im Winter räumt niemand die Wege von Schnee und Eis, im Gegenteil: Dort landet der Schnee.
Im oberen Teil, also von Höhe Kita weiter zur Magdeburger Straße sind weite Teile des Radwegs zerbröselt. Kritisiert hatte das bereits im Herbst 2016 der damalige parteilose Ratsherr Eckhard Ukat: Fuß- und Radwege seien in derart "desolatem Zustand, dass es gefährlich ist". Er hatte vor sechseinhalb Jahren erklärt: In den vergangenen 30 Jahren seien schadhafte Stellen in der Stöterogge- und Magdeburger Straße immer nur mit "einer Schaufel voll Bitumen ausgebessert worden, was vielleicht an manchen Stellen zeitweise geholfen hat". Aber viele dieser ehemaligen Schäden seien nach einer kleinen Ausbesserung wieder hervorgetreten, weitere große Schäden hinzugekommen. An dieser Zustandsbeschreibung hat sich bis heute augenscheinlich wenig geändert.
Die Stadt teilt die Stöteroggestraße, die sich von der Hindenburgstraße bis zu den Gartenkolonien am Ochtmisser Kirchsteig zieht, in drei Abschnitte ein. Zur Orientierung:
> Der Abschnitt südlich des Moldenwegs bis Am Kreideberg weist beidseitig rot gepflasterte Radwege ohne Benutzungspflicht sowie westseitig den Übergang zu einem Schutzstreifen auf. Radverkehr wird auf der Fahrbahn bzw. Schutzstreifen oder dem baulichen Radweg ohne Benutzungspflicht geführt.
> Im Abschnitt Am Kreideberg bis zur Hindenburgstraße wird der Radverkehr auf einem Schutzstreifen auf der Westseite und auf der Fahrbahn Ostseite geführt.
> Der Abschnitt Stöteroggestraße nördlich des Moldenwegs ist Teil einer Entsiegelungsmaßnahme und sieht die Entfernung des grauen baulichen Restradwegs ohne Benutzungspflicht sowie bei der niedrigen Verkehrsbelastung die zukünftige Führung auf der Fahrbahn vor.
Wer nun glaubt, die Stadt koffert den schorfigen Asphalt bald zugunsten einer blühenden Landebahn für Bienen nd Hummeln aus, weil der Radweg ja gar keiner mehr ist, wird enttäuscht. Auf eine Nachfrage antwortet das Rathaus: "Das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zu tun. Die Schilder wurden vor langer Zeit entfernt, weil sich die Straßenverkehrsordnung und die rechtlichen Vorgaben geändert haben. Es ist unabhängig davon in mehreren Bereichen geplant, Flächen – auch Verkehrsflächen -- zu entsiegeln. Diese Idee stammt aus 2022! Umgesetzt zuletzt an der Uelzener Straße in den Parkbuchten." Für den Kreideberg wird kein Zeitpunkt genannt. Carlo Eggeling
Die Fotos (ca) zeigen die Situation an der Stöteroggestraße.
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