Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Ein Wochenrückblick zu Unsäglichem

von Carlo Eggeling am 12.08.2023


Meine Woche

Verlässlicher Ausfall



Wenn Sie demnächst an der Bushaltestelle stehen und nicht wegkommen, ärgern Sie sich nicht, Sie erleben den verlässlichen Teil des Busangebots im Landkreis Lüneburg. Weil täglich bummelig 50 Fahrten ausfallen, haben sich Landesnahverkehrsgesellschaft, Busunternehmen und Landkreis überlegt, wie sie alles verlässlicher machen. Sie streichen Fahrten, um den Schülerverkehr zu gewährleisten. Sie können sich also drauf verlassen: Es wird nicht besser, das Angebot wird schlechter.

Damit ist die Region nicht allein. Metronom und ihre Töchter verkaufen ein Streichkonzert und Umbesetzungen ebenfalls als verlässlich. Wenn Sie mit Erixx von Lüneburg Richtung Kiel reisen, kann es Ihnen des öfteren passieren, dass der Alltag zum Abenteuer wird. Das gilt für Bahntouren inzwischen allgemein. Durch Verspätungen und Ausfälle ist der Fahrplan eher ein Vorschlag.

Die Ursache: Personalmangel. Die Schweiz reagiert. Die Bergbewohner freuen sich über einen pünktlichen Verkehr ihrer Bahn. Deutsche Züge dürfen noch über die Grenze, dann steigen die Kunden um und setzen die Fahrt eidgenössisch fort. Die Schweizer wollen nicht, dass ihr System zu deutsch wird.



Vorbild? War mal.



Machen wir heute einen Ausflug. Im pfälzischen Freisbach haben sie keine Lust mehr: Gemeindrat und ehrenamtlicher Bürgermeister sind in dem 1100-Seelen-Ort jetzt zurückgetreten. Die Kommunalaufsicht hat den Haushalt der Gemeinde, die zwischen Landau und Speyer liegt, nicht genehmigt. Damit steht das Dorf nicht alleine da. In der "Rheinpfalz" ist nachzulesen, dass mehrere Gemeinden mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben.

Einig sind sich die Lokalpolitiker der Zeitung zufolge, dass die Ursache des Übels in Mainz sitzt: Die Landesregierung bürde den Orten immer mehr auf, Flüchtlinge unterbringen, Kinderbetreuung verbessern und so weiter, aber die Finanzierung reiche nicht. Eigene Steuern könne man nicht weiter erhöhen -- unzumutbar und reichen würde das Geld zudem nicht, um die Aufgaben zu erfüllen.

Die Freisbacher sehen ihr Handeln als Notwehr. Bestreitet man in der Landeshauptstadt natürlich. Wie lange das Signal hallt, bleibt abzuwarten, in der Zeitung ist zu lesen, dass die Ministerpräsidentin und ihre Koalitionspartner das Ganze am Ende aussitzen könnten.

Im nahen Bad Bergzabern, an der französischen Grenze gelegen, wiederum sagt Bürgermeister Hermann Augspurger, man habe vollstes Verständnis für die Kollegen, denn die "Landesregierung ist untendurch". Aber man wolle den Freisbacher Schritt nicht gehen: "Wir haben bei einem Rücktritt die Gefahr gesehen, dass sich die AfD dann breitmacht. Damit hätten wir etwas geschaffen, das wir in unserer Stadt nicht wollen." Was für ein hellsichtiger und verantwortungsvoller Mann.



Die Frage stellt sich, ob Freisbach über Rheinland-Pfalz hinaus Nachahmer findet. Bund und Länder streichen überall. Unterstützung für Familien, für Demokratie-Projekte, Klimageld kommt erst einmal nicht. Dafür Milliarden für Gas-Terminals, Milliarden für die Bundeswehr, Milliarden für den Krieg in der Ukraine, für Ukrainer, die nach Deutschland geflohen sind. Dazu noch die Corona-Lasten.



Wäre Zeit für einen Kassensturz, für eine Diskusssion, wohin das Land will. Klimawende, Krieg, angeschlagene Wirtschaft, politischer Klimawandel, vor kurzem noch Unsagbares ist selbstverständlich geworden. Ohne Scham blättern einige im Wörterbuch des Unmenschen.

Geschichte mag sich nicht wiederholen, aber Sorgen können Parallelen durchaus machen. Auch die Rezepte. Ich zitiere mal: "Alle kultivierten Menschen sollten sich einig sein, dass es diesen Nationalsozialisten gegenüber nur eine Methode gibt: die erzieherische. Wir müssen alles daran setzen, diese Menschen zu zähmen, mittels der Demokratie. Wir müssen sie gewinnen, anstatt sie zu bekämpfen. Und übrigens: Der Feind steht links." Der heute fast vergessene Dichter Klaus Mann hat die Zeilen aufgeschrieben in seinem 1936 erschienen Buch "Mephisto". Es geht darum, was ihm entgegengehalten wurde, als er warnte. Es ist, als blicke man in einen Spiegel. Die weit weg von Menschlichkeit stehen, meinen, was sie sagen. Damals wie heute.



Zu traurig soll's nicht enden. Denken wir an einen, dessen Bücher 1933 verbrannt wurden, der hoffnungsvoll blieb, Kinderbücher schrieb, die an die Zukunft glauben: Erich Kästner. Er wusste, es liegt immer an uns selbst: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." In diesem Sinne gutes Wochenende. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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