Eine Behinderung ist kein Grund, sich behindern zu lassen
von Carlo Eggeling am 17.04.2025Die Lebenshilfe im Kreis Harburg ist mittendrin. Einmal abbiegen von der Rathausstraße in Winsen in die Glimmannsgasse, und der Besucher steht im Treff der Ambulanten Hilfe. Eine Mischung aus Wohnzimmer, Büro, Tagungsraum und Herzlichkeit. Annette Fix, kommissarische Leiterin der Abteilung, ihr Vorgänger Eckhard Peters sitzt neben ihr, er ist der Ambulanten Betreuung weiterhin verbunden. "Wir feiern bald unser 30-jähriges Bestehen", sagt Peters. "Unsere Arbeit hat sich sehr geändert." Doch das Grundanliegen sei geblieben: Menschen mit Behinderung ein Leben nach deren Vorstellungen zu ermöglichen.
"Es gibt Menschen, die möchten nicht in den Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten und in Wohneinrichtungen leben", erzählt Peters. Eben um eine möglichst große Unabhängigkeit zu gewährleisten, unterstützen die Kollegen der Ambulanten Hilfe. Annette Fix berichtet: "Aktuell haben wir 118 Klienten."
Das sind Frauen und Männer, die geistig und/oder körperlich gehandicapt sind. Mal geht es darum, eine eigene Wohnung zu suchen, manche benötigen Hilfe, dort klar zu kommen. Annette Fix: "Sie wollen beispielsweise selbstständig leben und den Schritt aus dem Elternhaus wagen." Andere wiederum suchen eine Stelle in einem regulären Betrieb, die Ambulante Hilfe unterstützt. Grundlage dafür ist eine Kostenzusage der Behörden: "Die Eingliederungshilfe des Landkreises prüft den Antrag auf Unterstützung, und im besten Fall gibt es ein passendes Kostenanerkenntnis."
Die Unterstützung der zwei Dutzend Kollegen des Ambulanten Dienstes falle unterschiedlich aus: "Die Persönlichkeit des Betreffenden steht im Fokus", sagt Annette Fix. "Menschen können die gleiche Behinderung, aber sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. Wer zu uns kommt, weiß in der Regel, was er möchte."
Peters, wie seine Kollegin Sozialpädagoge, ergänzt: "Wir sehen es manchmal anders, und ab und an ist es schwer auszuhalten, weil wir Probleme befürchten." Doch das Bedürfnis der Betroffenen zähle. Annette Fix fügt an: "Es geht um ein Ausprobieren. Unsere Basis ist Freiwilligkeit, kein Zwang, die Menschen sollen uns als Assistenz sehen."
Wie sieht das praktisch aus? In einem Treffen wird eine Zielvereinbarung geschlossen, sie beinhaltet “Ziele und Maßnahmen”, diese werden in regelmäßigen Abständen oder bei Bedarf überprüft und angepasst. Neben Wohnung und Arbeit kann es um gesellschaftliche Teilhabe gehen: Um Isolation zu überwinden, kann ein Engagement in Vereinen oder Organisationen wie zum Beispiel der Feuerwehr helfen. Eckhard Peters und Annette Fix wissen, das funktioniert nicht immer -- nicht jeder sei offen, Neue aufzunehmen, die ein bisschen anders sind.
Ein andere Herausforderung sind Behördengänge oder Arztbesuche, was dort besprochen wird, versteht nicht jeder. Die Mitarbeiter fragen dann nach, helfen beim "Übersetzen". Die beiden lächeln: "Das geht ja auch Menschen so, die nicht behindert sind." Manche der Betroffenen brauchen die Unterstützung nur kurze Zeit, anderen seien seit zwanzig Jahren dabei.
Ein Anlaufpunkt ist der Treffpunkt mitten in Winsen. Zwei Männer mit Rollatoren kommen mit einer Begleiterin herein, ein kurzer Besuch, wie bei Freunden. Manche treffen sich zum Kochen am höhenverstellbaren Herd, andere wollen eine Runde Kickern oder hören sich einen Vortrag an. Wie gesagt, ein bisschen Wohnzimmer.
Eckhard Peters hat ein Vierteljahrhundert für die Ambulante Hilfe gearbeitet, er hat aus gesundheitlichen Gründen aufhören müssen, aber engagiert sich weiter. Seine Kollegin arbeitet ähnlich lange als Betreuerin. Die 56-Jährige und ihre Crew plant für den 30. Geburtstag ein Sommerfest. Nicht so etwas Förmliches, sondern das, was den rund 120 Klienten und den Mitarbeitenden Spaß macht. Um die geht es schließlich. Carlo Eggeling
Das Foto zeigt Annette Fix und Eckhard Peters von der Ambulanten Hilfe der Lebenshilfe. In ihrem Treffpunkt in Winsen lädt ein Kicker zu einem Spiel ein.
Kommentare
am 26.04.2025 um 12:54:44 Uhr