Lüneburg, am Mittwoch den 29.10.2025

Einer der letzten Kommunisten ist gegangen

von Carlo Eggeling am 28.10.2025


Conny hat mich an etwas erinnert, das lange vergangen ist, den Kommunismus. Wenn er da stand bei den Demos zum 1. Mai, der Kampftag der Arbeiterklasse, die DKP-Zeitung UZ im Arm, fiel mir ein, dass es Kommunisten waren, die gegen Nazis und Hitler Front machten. Auch in Lüneburg, Männer und Frauen wie Franz Holländer, die in Lagern landeten, viele kehrten nie zurück. Connys Form von der Herrschaft des Proletariats war nicht meine Sache. Die DKP war eine Art westdeutscher Fanclub der ostdeutschen DDR. Beeindruckend allerdings, dass Conny an seinen Idealen festhielt. Hart in Argumenten und Kritik und gleichzeitig einer, mit dem man lachen und diskutieren konnte.

Jahrelang haben wir uns augenzwinkernd zum Geburtstag gratuliert. Beim letzten Mal, als ich ihn anschrieb: "Conny, jeder nach seinem Können, jedem nach seinen Bedürfnissen — also backen und Torte verputzen. Alles Gute, ca", erhielt ich eine traurige Antwort: "Mit Torte verputzen ist das so eine Sache, mir wäre danach, klappt allerdings aktuell nicht. Hatte vor einer Woche die erste Anwendung einer kombinierten Chemo- und Immuntherapie. Mit diversen Nebenwirkungen wie etwa geschwollenen Munschleimhäuten bei Appetitlosigkeit. Hätte es nicht für möglich gehalten, dass Essen für mich mal zur Arbeit wird." Das war Mitte Juli. Er hat gekämpft, wie immer. Jetzt hat er verloren, Cornelius Kaal ist gestorben.

Genossen erinnern im Netz an ihn. Sie waren und sind in anderen Denkschulen unterwegs, trotzdem war Conny einer, der dazugehörte. Selbstverständlich. Sie erinnern sich: "Gemeinsam waren wir in der VVN-BdA, und er hat mit uns über Jahrzehnte zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen mit gestaltet: Sei es in Bündnissen gegen Naziaufmärsche oder andere rechte Aktivitäten in Lüneburg, bei der Gründung des Lüneburger Netzwerks gegen Rechts oder Aktionen gegen Militarismus und Krieg – stets war Conny dabei."

Am 1. Mai war er anderer Meinung als Gewerkschafter und Sozialdemokraten. Kein Wunder, wenn man für die Aufhebung der Produktionsverhältnisse eintritt. Revolution statt Reformation. Gleichwohl zeigte sich Conny solidarisch mit den Beschäftigten, bei Streiks, bei Demos. Ehrensache. Er war erst Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken Versicherungen, als die aufgelöst und zu verdi verschmolz, machte Conny dort mit.

Von der Kirche hielt er nichts. Er engagierte sich bei den Freidenkern, verkürzt eine Vereinigung nicht religiöser Menschen. Conny gehörte zu denen, die Jugendlichen Werte vermittelten. Am Ende stand die Jugendweihe. In der hinweggefegten DDR war das fast eine Art Staatsreligion. Und unter den Bedingungen einer Diktatur mehr als fragwürdig. Conny blickte anders auf den anderen deutschen Staat. Den Sinn der Freidenker-Schulung hat er mal so erklärt: "Die Jugendweihe entstand im vorletzten Jahrhundert als Antwort von Freidenkern, Freireligiösen und der Arbeiterbewegung auf die kirchliche Konfirmation. 1890 feierten konfessionslose Hamburger Familien zum ersten Mal eine weltliche Jugendfeier. Sie grenzten sich damit von den Dogmen der Kirche ab, die für ihre Unterdrückung mitverantwortlich waren."

Im niedersächsischen Verfassungsschutzbericht 2009 finden sich ein paar Zeilen zur Deutschen Kommunistischen Partei und zu Conny, aber es liest sich so, als ob die Beamten die zahlenmäßig abnehmende Splittertruppe, die damals mit der Partei die Linke schmuste, nicht mehr ernst nahmen: "Mit ihren Forderungen knüpft die DKP an alte programmatische Forderungen an, die letztlich auf die Überwindung der bestehenden Ordnung hinauslaufen." Zur Landtagswahl 2008 sei die Partei nicht angetreten. Der niedersächsische DKP-Sprecher Cornelius Kaal habe gesagt: "Wir Kommunisten wollen offensiv in diesen Wahlkampf eingreifen, aber keine Wahlempfehlung abgeben.“

Der Lüneburger hatte zunächst im Einzelhandel gearbeitet, später schulte er um, Altenpflege. Das passte auch inhaltlich. Als er Rentner wurde, zog er aus Lüneburg weg, blieb der Stadt aber verbunden. Auf seiner Facebook-Seite notierte Conny über Monate seinen Krankenbericht, wer wollte, konnte lesen, wie beschissen es ihm ging.

Die Hoffnung wurde kleiner und kleiner. Ganz anders als in seinem Weltbild: Sowjetunion, DDR und die anderen vermeintlich sozialistischen Systeme waren untergegangen. Na und? Es waren Versuche, die nächsten Anläufe werden besser. Diese Werte bleiben ewig.

Du nicht Conny, Du bist gegangen. Mit 69 Jahren, wenn ich es richtig weiß. Ich werde Dich vermissen beim nächsten 1. Mai. Und auch bei unseren Geburtstagsgrüßen. Carlo Eggeling

Das Bild von 2012 habe ich von Connys Facebookseite stibitzt.

© Fotos: Cornelius Kaal


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