Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Endstation Baum

von Carlo Eggeling am 19.04.2023


Alleen sind seit der Antike bekannt als schattige Wegeverbindungen. Damals waren die Menschen zu Fuß unterwegs oder mit Pferd und Wagen. Heute brausen Autofahrer über die Straßen, der Baum als solcher kann dann zum Feind werden -- eine Kollision bedeutet schmerzhafte bis tödliche Folgen. Andreas Dobslaw ist seit 17 Jahren der Verkehrsfachmann der Polizei, seit langem präsentiert er alljährlich die Unfallzahlen der drei Landkreise Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg. Die Warnung vor dem Risiko Baum bleibt sein Begleiter, auch wenn die Zahl der "Baumunfälle" insgesamt sank.

Von 2021 auf 2022 nennt die aktuelle Statistik zehn Tote mehr, 26 statt 16. Der Baum spielt in diesen Tragödien 13mal eine Rolle. "Wenn Sie auf die Karte gucken, sieht das aus wie ein Streuselkuchen", sagt der Beamte. Es gebe, anders als in der Vergangenheit, keine sogenannten Schwerpunkte mehr. Viele Bundesstraße wurden über die Jahre entschärft. Temporeduzierungen und Schutzplanken. Ein Beispiel ist die B209 zwischen Amelinghausen und Rehrhof, wo Rettungsdienste und Bestatter einstmals regelmäßig zum Einsatz kamen. Dobslaw: "Bundesstraßen sind inzwischen gut gesichert, es verlagert sich auf Land- und Kreisstraßen."

Nun ist klar: Nicht der Baum hat schuld, sondern derjenige, der hinterm Steuer sitzt, macht einen Fehler oder überschätzt seine Fähigkeiten. Ablenkung sei generell eine der Hauptunfallursachen. Der Blick aufs Handy, das Getippe auf Touch-screen-Flächen des Autos und ähnliches. "Es geht nicht darum, rigoros Bäume wegzunehmen", sagt der Beamte. "Aber ab und an macht es Sinn. Wir erleben ja, was alles möglich ist für Schwertransporte, für Windräder beispielsweise." Im Landkreis Lüneburg selber blieb die Zahl der Toten durch Verkehrsunfälle konstant bei acht, die Zunahme gab es in den Nachbarkreisen.

Alles in allem 7877 Unfälle zählte die Polizei in den drei Kreisen 2022, knapp 30 mehr als ein Jahr zuvor. Während das ein recht konstanter Wert ist, sieht es für den Kreis Lüneburg anders aus: 3734 zu 3503, eine Zunahme von sechseinhalb Prozent. Dabei stieg die Zahl der Schwerverletzten, das meint, das Opfer länger als einen Tag im Krankenhaus bleiben müssen, im Bereich Lüneburg von 80 auf 106. Dobslaw sagte dazu einen Satz, den er letztlich immer wieder sagte, schwer verletzt hätte auch tödlich ausgehen können.

Dobslaw präsentierte die Zahlen mit seinem Chef Wilfried Reinke und seinem Kollegen Martin Schwanitz. Das Trio wies auf weitere Themen hin. Immer mehr Elektro-Fahrräder surren durch den Alltag, gern gefahren von Älteren über 65. Die überschätzten des Öfteren ihr Können, andererseits rechnten Autofahrer nicht mit dem Tempo, das zwei- bis dreimal höher liegen kann als beim normalen Strampler. Es gab hier insgesamt ein Plus um nahezu 40 Prozent auf 165. Zwei endeten tödlich, 33 mit Schwerverletzten (2021: 25) und 123 mit leicht verletzten Pedalos (2021: 89). Auch bei den E-Scootern liegt die Zahl mehr als doppelt so hoh von 17 auf 35.

Insgesamt betrachtet liege die Zahl der Unfälle im Korridor, der zwischen 2014 und 2022 die Bandbreite von 7600 und 8800 Crashs ausmache. Zudem kämen verschiedene Faktoren zum Tragen: In der immobil machenden Corona-Zeit gab es schlicht weniger Unfälle, weil weniger Verkehr herrschte. In Gänze steigen die Zulassungszahlen für Autos, dann kommt der Trend zum batterieunterstützten Radeln dazu -- schneller, aber nicht unbedingt sicher unterwegs.

Noch einige Aspekte in Kürze. In allen drei Landkreisen betrachtet sank die Zahl der Wildunfälle, die rund ein Drittel aller Zusammenstöße ausmacht. Ob der Wolf daran einen Anteil habe, sei Spekulation. Jäger berichten davon, dass dieser Jäger die Wälder leerräume. Bei den Fahrerlucht gab es ein Plus um rund 90 auf 1842 Fälle, rund jede zweiten dieser "Abgänge" konnte die Polizei klären.

Im Amt Neuhaus erwarten die Beamten wieder mehr Motorradunfälle -- die B195 war lange Zeit Baustelle, da war nix mit rasanten Kurvenfahrten. Jetzt: freie Fahrt. Dobslaw und seine Kollegen kündigen Kontrollen und Prävention an.

Kontrollen soll es auch in anderen Bereichen geben: die Tuning- und Poser-Szene sei weiter im Blick, Fahrradfahrer ebenso. Auch beim Thema Alkohol und Drogen will die Polizei weiter "schnüffeln" -- viele Kollegen sei bestens geschult, um zu erkennen, ob jemand berauscht am Steuer oder Lenkrad hocke. Gespannt ist Dobslaw -- da ist er allerdings schon im Ruhestand -- auf die Entwicklung nach der diskutierten Cannabis-Freigabe. Mutmaßlich dürfte es mehr "Benebelte" auf den Straßen geben. Carlo Eggeling

Das Foto zeigt Andreas Dobslaw, Wilfried Reinke und Martin Schwanitz.






© Fotos: ca


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