Lüneburg, am Sonntag den 28.09.2025

Es braucht Zuversicht — eine politische Woche

von Carlo Eggeling am 27.09.2025


Meine Woche
Alles wird gut

Zu den Sülfmeistertagen kann man schöner Pinkeln. Nach acht Jahren schließt die Stadt die Toilette im Rathaus wieder auf. Hat ein bisschen gedauert, so ein Altbau ist eben tückisch. Zwischendurch gab es zig verstrichene Eröffnungstermine. Irren ist so menschlich wie ein Bedürfnis. Selbstverständlich öffnet die Pressestelle stolz wie eine Klofrau die Türen. Ein, wie soll man sagen, rauschendes Video lädt ein zum funkelnden Kachel-Bummel. Erfolge muss man feiern. Während auf dem Sand Sülfmeister-Geschichte gefeiert wird, kann man sie auf dem besonderen Thron durchaus wegspülen.

Ist das Thema anrüchig? Stopp. Schlechtreden wollen wir nach einer Aufforderung der Verwaltungsspitze selbstverständlich nichts mehr und denken positiv wie Oscar Wilde: "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende."

Rumsprechen sollte sich dieses hygienische Momentum bis zu den Dealer-Bauchläden am Karstadt-Parkhaus und an der Ilmenaustraße. So könnte die Conventstraße entlastet werden. Die Gasse, die beide Adressen verbindet, hat sich über die Jahre zu einer Bedürfnisanstalt gewandelt, wie zu sehen und zu riechen ist.

Am Fluss kann der Flaneur inzwischen erkennen, warum es Ilmenaustraße heißt, das Gebüsch trägt Raspelfrisur. Piepmatzen und anderes Getier ziehen in Verantwortung fürs Große und Ganze um. Denn so soll die Drogenszene vertrieben werden. Die Polizei übernimmt mit vielen Kollegen und Hunden sozusagen nachgärtnerische Aufgaben. Da soll nichts nachwuchern.

Doch wo bleiben Schwarzhändler und Abnehmer? Als der Clamart-Park seinen Zuschnitt erhielt, waren die Dauergäste auf den Bänken weg. Umgezogen an den Sand. Bestimmt bietet das Sozialressort demnächst alternative Standorte an. Geplant ist das lange, drei Jahre? Wenn ein paar Klos acht Jahre Bauzeit erfordern, bleiben wir hoffnungsfroh wie Oscar Wilde: "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende."

Ich habe im Netz bei einem alten Kollegen gesehen und gelesen, Stammgäste der Grünen Oasen, die sich lautstark auf dem Sand zuprosten, und die Normalos, die ein paar Meter weiter im Straßencafé einen zischen, vertragen sich bestens. Harmonie.

Mutmaßlich leben mein Ex-Kollege und ich in mindestens zwei Welten. Meine ist disharmonischer. Denn am gleichen Tag füllte die Zeitung eine ganze Seite über das Bemühen der Polizei, mit Verstärkung durch die Bereitschaftspolizei die Szene zu kontrollieren und unter Druck zu setzen.

Zudem baut die Stadt einen 13-köpfigen handfesten Ordnungsdienst auf, der trotz Millionen-Minus im Haushalt pro Kopf und Jahr inklusive Lohnnebenkosten geschätzt um die 60 000 Euro kosten dürfte, eine Dreiviertelmillion. Per anno. Da sind zwei Container mit Duschen, Waschmaschine, Kaffee und Sozialarbeit beispielsweise im Museumspark nicht drin? Laut Mantra des Sozialdezernats ist es schließlich unmöglich, Räume zu mieten.

Natürlich trifft sich die Halbliter-Fraktion seit einer Ewigkeit am Sand, doch die Teilnehmerrunde wächst. Längst hat sie berauschte Filialen eingerichtet, an der Grapengießerstraße gegenüber einem Markt, auf dem Lambertiplatz, vor dem Kiosk An der Abtspferdetränke, am Reichenbachplatz. Dazu Bettler, die augenscheinlich saisonal anreisen. Alles menschlich tragisch, warum werden es mehr?

Nach ein paar Gesprächen mit Bekannten, die die Szene beruflich kennen, ein paar Antworten. Lüneburg ist generell gemütlich, in Unterkünften kann man über Tag bleiben, kann in manchen Einrichtungen seinen Hund mitbringen, die Futter-Tafel für bedürftige Vierbeiner liegt auf dem Gelände der Herberge; studentisch und alternativ geprägt, geben Menschen eher Bares, Sozialarbeit auf der Straße und der Ordnungsdienst wirken verständnisvoll und kulant. Der ÖPNV nach Hamburg funktioniert, die Versorgung mit Drogen im Zweifel auch. Manche bleiben nach einer gescheiterten Therapie in Lüneburg. Dazu kommen Menschen, die psychisch auffällig sind und für die die Klinik eine Drehtür hat.

Der Law and Order-Kurs der CDU mit Kameras und Alkoholverbotszonen klingt nach einer schnellen Veränderung. Verbote muss man überwachen und durchsetzen. Wer macht das? Sozialarbeit alleine wird es ebenfalls nicht ändern, wo bleiben bezahlbare Wohnungen, wenn die Stadt die Sozialquote von 30 Prozent beim Bauen so oft als nicht durchsetzbar ansieht? Was unternimmt die Verwaltung gegen den Wildwuchs von Ferienwohnungen, die Lüneburgern nicht mehr zur Verfügung stehen?

Es ist eine politische Frage. Verwaltung sollte Konzepte liefern. Dabei darf man die nicht vergessen, die ebenfalls ein Recht auf Stadt besitzen: Bürger, Geschäftsleute, Kinder, die mit dem Bus fahren. Rat und Verwaltung finden Wege. Bestimmt. Immerhin bleibt Oscar Wilde: "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende."

Ich habe mir den Satz der OB gemerkt, man solle nichts schlechtreden. Das schade nur. Statt Analyse und Konzept Zuversicht? Soll helfen.

Denn eigentlich ist alles gut. Gäste, Einheimische und die, die sich gern lautstark, das ein und andere Bier gönnen und innerstädtisch durchlaufen lassen -- mein alter Kollege hat recht, ein Idyll. Alle vertragen sich. Es wäre gemein, wenn irgendwer die Lage der Innenstadt zu einem Thema machen würde. Wahlkampf? Doch nicht so! Oscar Wilde: "Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende."

Zuversicht und Dankbarkeit. schließlich können wir im Rathaus wieder pinkeln. Will man mehr?

Falls ich zu wenig positiv war, kann Oscar Wilde noch einmal helfen: "Wenn man mir zustimmt, habe ich immer das Gefühl, im Unrecht zu sein." Gutes Wochenende, Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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