Es darf Spaß machen, oder?
von Carlo Eggeling am 10.12.2022
Wo bleibt der Spaß?
Ich habe gestern eine beeindruckende Leserzuschrift in der Lokalzeitung gelesen. Ein aufrechter Streiter für die Fußgänger stellt fest, dass durch die Innenstadt Autos fahren. Klar, nicht erlaubt. Er schildert: "Nach Inaugenscheinnahme der Beschilderung, die die Durchfahrt für Individualverkehr von 3 bis 19 Uhr verbietet, wollte ich einige Rüpel auf ihr Fehlverhalten hinweisen. Allerdings bringt man sich bei diesem Versuch beinahe in Lebensgefahr." Mal davon abgesehen, dass drei nicht stimmt, sondern 10 Uhr, ich liebe schon die Wörter. Inaugenscheinnahme, Beschilderung, Individualverkehr, Rüpel.
Bei "rücksichtslos wie Rambo" muss ich widersprechen, der ist ja für eine eigentlich gute Sache eingetreten und hat dafür sehr gekämpft. Im übrigen darf man anmerken, Soldaten sind wieder arg im Kommen, nachdem man gemeinhin mit der Ukraine fühlt, deren Präsident scheinbar nur noch Militär-T-Shirts besitzt. Ein bisschen Rambo abends in der Tagesschau. So schmuck wie der ist, würde ihm auch ein Sakko stehen. Vielleicht kann Anton Hofreiter mal eins mitschicken.
Das war ein Schlenker. Zurück zu unserem Zweibeiner. Der Mann hat ja recht. Aber wer mag Menschen, die belehren und einem dabei locker erklären, wie blöd und ungezogen ihr Gegenüber ist? Ähnlich wirkt es bei der Lüneburger Parkplatzdebatte. Die sie streichen wollen, retten damit ihrer Meinung nach ein bisschen das Weltklima. Das wiederum bringt die auf heulend hohe Umdrehungen, die glauben, dass ihnen all ihre Freiheit gestohlen wird. Beides kühne Thesen.
Es gleicht einem Fünfer im Lotto, einen Stellplatz an der Wall- oder Haagestraße zu finden. Wer in der Stadt wohnt, geht zu Fuß oder fährt Rad. Mit dem Bus fahren ist schon schwieriger, weil sich die Taktzeiten beispielsweise zum Kreideberg verschlechtert haben, die 8000 Menschen, die dort leben, davon 2000 älter als 65 oder im zarten Kindesalter, können künftig nicht alle 15, sondern nur noch alle 30 Minuten mitfahren. Haltestellen nahe dem Markt entfallen. Alles nicht schlimm, finden die, die noch strampeln können. Und um den Weltuntergang hinauszuschieben, muss es eben etwas unbequemer werden. Auch für die, die Rollatoren schieben.
Warum eigentlich? In Hamburg und Berlin geht's wunderbar ohne Auto, ein guter Nahverkehr, dazu kann man Räder und E-Roller leihen. Super. Warum rollt in Lüneburg auf dem inneren Ring, also Sand, Berge, Rosenstraße, Brodbänken und Neue Sülze kein kleiner Elektrobus, der einen Abstecher zu den Parkflächen an den Sülzwiesen macht? Eine Kiste, die auch Rollstühle und Rollatoren mitnehmen kann, kostenlos. Wo bleiben Marketing, Handel und die Verwaltungsspitze, die so viel drehen wollte?
Wo bleiben Konzepte für günstige Parkflächen am Stadtrand für Pendler, die dann mit Bussen in die Stadt gelangen? Warum geht niemand einem Vorschlag aus dem Wahlkampf nach, aus der unteren Etage des Karstadt-Parkhauses eine große Abstellfläche für Räder zu machen? Eine, wo man Lasten- und Elektro-Velos gut gesichert abstellen und an E-Säulen die Akkus aufladen kann? Wie wär's mit Angeboten, die Spaß machen statt miesepeteriger Anklage?
Der Handel hat Probleme, Parkplätze sind das kleinste. Die Vision Innenstadt als Wohnzimmer ist was für Chips und Sofa. Wer will das? Stadt bedeutet Kultur, Gastronomie, Handwerk, Wohnen und Arbeiten. Denn um Visionen zu bezahlen, braucht es Einnahmen und Steuern. Das kann man schnell vergessen, wenn man im öffentlichen Dienst, in der Uni oder Projekten mit staatlicher Förderung zu Hause ist. Visionen wie eine Holzhackschnitzel-Wüste auf dem Marienplatz braucht es sicher nicht. Das Leben sollte bunt sein, Spaß machen, etwas bieten -- das ist auch wichtig für Firmen, die Mitarbeiter in den Süden Hamburgs ziehen wollen.
Da greift eins ins andere: Theater, Kultursommer, im Sommer draußen sitzen, Läden und Mobilität. Das macht Lüneburg aus. Leider verspielt es gerade so viel davon. Man kann sich mit jedem Anwohner und Initiativen-Kämpfer beschäftigen. Jeder hat Gründe, jeder ein Anliegen. Ja. Der andere Weg wäre, nach vorne zu schauen und einen Plan zu haben, wo man eigentlich hin möchte. Wo ist der, wie sieht das Ziel aus? Parkplätze. Na ja. Im Ernst? Carlo Eggeling
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am 12.12.2022 um 07:47:40 Uhr