Lüneburg, am Montag den 04.08.2025

Es gibt nichts, dafür bleiben 30 Jahre Hoffnung und Arbeit

von Carlo Eggeling am 22.04.2024


Die Steuerschulden des Wirtes bei der Stadt liegen bei reichlich mehr als einer halben Million Euro, beim Finanzamt soll ein Vielfaches der Summe offen sein. Das Angebot des Kneipiers von der Schröderstraße, einen Teil zurückzuzahlen, schlägt die Stadt aus -- so weit wolle man ihm nicht entgegenkommen. Der Anwalt des Mannes von der Schröderstraße bescheinigt der Verwaltungen einen "Realitätsverlust", denn vermutlich werde sein Mandant dann gar nichts zahlen. So wie bereits in der Vergangenheit, als er ein Insolvenzverfahren durchlief. Letztlich geht es um eine moralische Frage: Nimmt man, was man kriegen kann oder beharrt man auf einem Rechtsstandpunkt?

Der Reihe nach. Die Geschichte war Stadtgespräch. Vor Jahren kontrollierten die Finanzbehörden den Wirt von der Schröderstraße, schnell war klar, er hatte doppelte Buchführung nicht ganz rechtskonform verstanden und einiges an der Steuer vorbeigeschleust. Der Kneipier machte lange Urlaub im Ausland, Zielfahnder spürten ihn auf, das Gastland verweigerte eine Auslieferung. Doch der Wahl-Lüneburger wollte zurück an die Ilmenau. Ein prominenter Anwalt fädelte eine Lösung ein, der Wirt zahlte 500 000 Euro. Heimreise nach Deutschland. Es folgten Strafverfahren, am Ende stand eine Bewährungsstrafe. Inzwischen arbeitet der Mann als Angestellter in seinem ehemaligen Lokal, der Verdienst liegt unterhalb der Pfändungsgrenze. Er hat ein Insolvenzverfahren hinter sich. Das Ergebnis war unter den amtlichen Bekanntmachungen nachzulesen: Da er keine Restschuldbefreiung erhalten hat, hat er also gegen "Mitwirkungs- und Wohlverhaltenspflichten" verstoßen. Es dürfte wohl auch kein Geld geflossen sein.

LA hatte am 22. März über den Fall berichtet. Der Anwalt, der namentlich nicht genannt sein möchte, hatte bestätigt, dass ein entsprechendes Angebot von einer halben Million vorliegen soll. In der Folge könnten geschätzt rund 350 000 bis 400 000 Euro an den Fiskus gehen, der Rest ans Rathaus. Der Wirt selber behauptet, er habe nur ein geringes Einkommen, nun würde ihn die Familie unterstützen, nur so sei die halbe Million aufzubringen. Klipp und klar erklärt er auch, entweder so oder gar nicht.

Der Rechtsanwalt hatte damals moniert, dass er sich im Oktober an die Stadt gewandt habe. Lange sei nichts passiert, erst im Februar erhielt er eine Antwort. Da geht es um Feinheiten. In einer Mail der Kämmerei heißt es: "Das Vorgehen wurde selbstverständlich mit dem zuständigen Verwaltungsvorstand besprochen." Klar war allerdings laut Anwalt, letztlich müsse die Politik als Souverän entscheiden. Wenn der Verwaltungsvorstand genannt wird, meine das Oberbürgermeisterin und Dezernenten. Nicht aber den kleinen Rat, den Verwaltungsausschuss (VA) und schon gar nicht den gesamten Stadtrat. Der VA wurde erst zwei Wochen nach der Veröffentlichung bei LA ins Bild gesetzt, ob jemand aus den Parteien aufgrund des Artikels nachhakte, bleibt Spekulation.

Auf eine Anfrage antwortet die Pressestelle des Rathauses so: "Die Verwaltung hat die Ratsmitglieder in einer nichtöffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses am 2.4.24 über den Sachverhalt bzw. über das Angebot der Eheleute XY in Kenntnis gesetzt und Zuspruch zum bisherigen Vorgehen der Stadt durch die Ratsmitglieder erhalten. Der letzte Kontakt erfolgte durch die Verwaltung, mit Schreiben/E-Mail Ende Februar wurde dem Rechtsanwalt ein adäquater Lösungsweg aufgezeigt. Dieses Schreiben blieb bisher durch den Rechtsanwalt unbeantwortet."

Dem Vernehmen nach heißt es in dem Schreiben der Verwaltung, dass die Stadt auf mehrere Hunderttausend Euro verzichten würde, das sei angesichts der Haushaltslage nicht vorstellbar. Zudem können man seine Forderungen 30 Jahre lang geltend machen. Man könne von der offenen Forderung vorbehaltlich eines Ratsbeschlusses gut 70 000 Euro streichen. Es bestehe zumindest die Chance, an Bares zu kommen. Was, wie gesagt, jahrelang nicht geklappt hat. Ob der Mittfünfziger das Ende dieser 30 Jahre noch erlebt, ist auch eine biologische Frage. Am Ende gibt es also voraussichtlich nichts.

Der Anwalt moniert unter anderem, dass der eingeschlagene Weg dem Ansatz der Resozialisierung zuwiderlaufe, ein Straftäter hat für sein Vergehen nach einer gewissen Zeit gebüßt. Der andere Punkt angesichts des von der Stadt angeführten Haushalts: Die Summe steigt angesichts der Zinsen immer weiter, dazu fallen Kosten für die Verwaltung an, die in den kommenden Jahren weiter die Forderung geltend machen werde. In der Privatwirtschaft würde man eine nicht zu realisierende Forderung ausbuchen -- nix zu holen, aber auch keine Arbeit mehr. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook