Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Es wird besser. Manchmal

von Carlo Eggeling am 21.10.2023


Meine Woche

Krise. Suppe



Zwei Kriege passen nicht ins Programm. Bis vor ein paar Tagen war die Ukraine ja gefühlt noch unser 17. Bundesland, nun haben die Nachrichten die Grausamkeiten in Israel als Hauptthema. Wirkt, als ob Redaktionen nicht zweimal Spiel mir das Lied vom Tod präsentieren möchten. Was passiert, wenn irgendwer einen dritten Krieg losbricht?

Was im Gaza-Streifen passiert, rückt offenbar näher an uns in Lüneburg heran. Leuphana-Vorzeige-Philosoph Richard David Precht verband orthodoxe Juden mit Diamantenhandel und Finanzgeschäften, weil sie eigentlich nicht arbeiten dürften, damit zeigte er, dass der Allseitsgelehrte wohl doch gewisse Bildungslücken aufweist. Klar, können Studenten dem Mann keinen Fehler verzeihen, ihm nun Antisemitismus unterstellen und den Rauswurf aus der Uni fordern. Dass Precht sich entschuldigte und er in der Vergangenheit nicht als Feind von Juden und Nazi-Sympathisant auffiel, im Gegenteil, fällt bei moralisch Sicheren gern unter den Tisch. Vielleicht auch deshalb weil er mit seinem Freund, dem TV-Dauerredner Markus Lanz, so viele Sachen erzählt, die nicht allen gefallen. Mal sehen, wie sich die Uni als Hort der Lehre und des Diskurses dazu positioniert.



Etwas anderes sollte die Lüneburger Gesellschaft mehr beschäftigen: Demonstranten, die für die Palästinenser eintreten. Dass sie dabei nicht den Terror der Hamas verurteilen, ist selbstverständlich falsch. Für Mord an Kindern, Frauen und Männern gibt es keine Rechtfertigung. Da aber inzwischen viele Menschen aus arabischen Ländern an der Ilmenau leben, wo bleibt das Verbindende? Kann man trauern um Opfer der Terroristen und um Menschen im Gaza-Streifen, die durch Beschuss der Israelis getötet wurden? Gemeinsam? Kann es helfen, Diplomatie im Kleinen zu treiben? Wo bleiben Angebote der Kirchen und der muslimischen Gemeinden, eine sichtbare jüdische kenne ich nicht, ins Gespräch zu kommen? Ein Imam und ein Vertreter der der Christlich-Jüdischen Gesellschaft gehen in Schulen, um über die Lage in Nahost zu reden? Wo bleibt die Politik, die sich am vergangenen Wochenende parteiübergreifend mit Israel solidarisierte? Haben die keine Wähler mit muslimischem Hintergrund?



Das Theater kämpft ums Überleben, es hat viele auf seiner Seite, die nicht hinnehmen wollen, dass man das Orchester zusammenstreicht, weil es an Förderung von Land, Kreis und Stadt fehlt. Viele Unterstützer, die zeigen, wie wichtig die Kultur für die Region ist. Es wäre doch ein guter Zeitpunkt, sich zu fragen, was passiert eigentlich, wenn das Theater mehr Förderung von Kreis, Stadt und anderen erhält, mit den vielen anderen, die ebenfalls nicht ohne Zuschüsse auskommen? Landrat Jens Böther, Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch, dazu ein Schwung Landtagsabgeordneter, die alle betonen, wie sehr sie die Bühne lieben -- wer lädt ein zu einem runden Tisch der Kultur, an dem Akteure Platz nehmen, um Ideen zu entwickeln, wie man sich in Zeiten tiefroter Haushalte aufstellen möchte, um vieles weiter machen machen zu können und um Neues zu entwickeln? Die Krise des Theaters als Chance für andere Wege.



Wie wandelbar sie ist, zeigt die Stadt ganz praktisch. Erst hat uns die Verwaltung erzählt, dass ein Schilderwald an der Uelzener Straße nötig und sinnvoll war. Es ging gar nicht anders, um das Parken ordnungsgemäß zu regeln. Das haben zwar viele nicht verstanden, aber wer will schon die Weisheit eines Rechts- und Ordnungsamtes anzweifeln? Nun können die Schilder, ein Dutzend auf 200 Meter, wieder weg. Ein behördliches Farbspiel auf den Stellplätzen habe den gleichen Effekt, heißt es nun.



Der Text aus dem Rathaus dazu: „Es ging uns darum, eine deutliche und sichtbare Anordnung zu treffen, um den vielen Parkverstößen vor Ort entgegenzuwirken“, erklärt Ordnungsamtsleiter Mathias Dorn. Immer wieder hatten zu Anfang Autofahrende u.a. auf dem Radweg geparkt. Mittlerweile sei ein deutlicher Gewöhnungseffekt eingetreten: „Die meisten Menschen wissen jetzt, wo sie dort parken dürfen und wo nicht.“ Es bleibt die Vermutung: Im Rathaus gilt der gemeine Autofahrer als sehbehindert: Schilder kann er sofort erkennen, für Malereien auf dem Pflaster braucht er etwas.



Fein ist: Die Verkehrsberuhigung im Wasserviertel schreitet voran. Die vielen Einbahnstraßenregeln und Durchfahrtverbote verknäulen die Lage außerordentlich, dass man gar nicht mehr hineinfahren mag. Nun herrschte an Kaufhausbrücke, Stint- und Fischmarkt angesichts der Außengastro zumindest gefühlt bislang auch keine Situation wie auf der A39, aber irgendwo muss die versprochene Verkehrswende ja beginnen.



Ich frage mich, wann Bremsen für Radler an der Lünertorstraße kommen; wer an seiner Apfelschorle vorm Blaenk und Einzigartig nippt oder sein Spaghettieis bei Davide löffelt, der weiß: Immer, wenn der Metronom aus Hamburg ankommt, haben wir fünf Minuten später doch die A39, im Tour-de-France-Tempo strampeln Radler im Überholmodus vorbei, und auch gern die SUVs der Bionade-Bourgosie, die Lastenrad-Muttis und -Papis. Aber vermutlich gilt da das schöne Motto: Freie Fahrt für freie Bürger.

Sind wir so frei und genießen das Wochenende. Am Samstagmittag vor dem Landgericht. Denn da lädt die Lüneburger Tafel Unterstützer zur Erbsensuppe ein. Konstanze Dahlkötter und ihre Mitstreiter helfen 800 Familien, die finanziell kaum über die Runden kommen, mit gespendeten Lebensmitteln. Also ein Teller Suppe und selbstverständlich eine Spende. Das ist handfest. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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