Lüneburg, am Samstag den 05.07.2025

Folge: „Wir fordern, also sind wir“

von Winfried Machel am 01.07.2025


Kleine Bühne, große Meinung – Kolumne von Winfried Machel

Folge: „Wir fordern, also sind wir“

Jeden Morgen, Punkt 8:15 Uhr, piept das Postfach von LÜNEBURG AKTUELL, als hätte es sich an einen besonders fleißigen Hahn gewöhnt. Dann trudeln sie ein – die heiligen Schriften der lokalen Politik.

Pressemitteilungen in epischer Breite, mal von den Grünen, mal von der FDP, dann wieder SPD, CDU oder irgendetwas dazwischen. Forderungen, wohin das Auge reicht. Forderungen, Pläne, „Zukunftsperspektiven“ – gerne auch mit einem Hauch Pathos, garniert mit Worthülsen, die klingen wie aus einem besonders schwungvollen Volkshochschul-Rhetorik-Kurs.

Die Funktionäre fordern Radwege, Bäume, Transparenz, barrierefreie Bushaltestellen, mehr Demokratie, weniger Bürokratie, und manchmal sogar die Rettung des Weltklimas – alles, selbstverständlich, „auf den Weg gebracht“. Dieser Weg muss ein ganz schön breiter sein, denn es passt viel drauf: Ideen, Konzepte, Absichtserklärungen, Visionen. Nur leider keine Ergebnisse. Wäre Lüneburg nicht eine charmante Mittelstadt, sondern eine Theaterbühne – man würde von Repertoire sprechen: Immer die gleichen Stücke, andere Besetzung, gleiche Dialoge. Ein bisschen Shakespeare’sches „Viel Lärm um nichts“, ein wenig Brecht’sches „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen…“.

Was uns nie erreicht: Eine Pressemitteilung, die klar sagt: „Wir haben's versucht, aber es hat nicht geklappt, weil…“ Oder gar: „Wir haben etwas wirklich verändert – und so sieht es jetzt konkret aus.“

Offenbar ist Transparenz eine Einbahnstraße, die nur in Richtung Zukunft geht, nie zurück. Doch Hand aufs Herz: Interessiert das eigentlich irgendwen? Den Lüneburger? Die Lüneburgerin? Wird jemand beim Frühstücksbrötchen nervös, weil der Vorstand des Ortsvereins Kleckerbach-Nord zum vierten Mal in Folge wiedergewählt wurde und jetzt endlich die Mülltonnensituation „strukturell anpacken“ will? Eher nicht.

Vielleicht wäre es ehrlicher, wenn die Parteien ihre Mitteilungen gleich in Reimform schicken würden. Dann hätte man wenigstens etwas Lyrik zum Morgenkaffee. Oder sie starten ein Panini-Album mit den Köpfen aller Ortsbeiräte – „Sammle sie alle! Wiederwahlquote: 92 %!“ Bis dahin aber bleibt es bei einem ewigen „Wir fordern“.

Und wir von der Redaktion fordern einfach mal zurück: Sagt uns, was Ihr wirklich getan habt. Oder habt Ihr etwa Angst, dass dann nichts mehr übrig bleibt?

Winfried Machel



Kommentare Kommentare

Kommentar von Kai Schloßstein
am 02.07.2025 um 13:53:19 Uhr
„Vision ohne Umsetzung ist nur Halluzination“!


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